Zukunft des Einzelhandels

Gibt es in Fußgängerzonen bald nur noch Ketten und Franchise?

Düsseldorf - 12.09.2017, 07:00 Uhr

Überall das Gleiche: DAZ.online-Autor Torsten Schüller hat sich mit der Frage beschäftigt, warum sich deutsche Innenstädte immer weiter aneinander angleichen. (Foto: dpa)

Überall das Gleiche: DAZ.online-Autor Torsten Schüller hat sich mit der Frage beschäftigt, warum sich deutsche Innenstädte immer weiter aneinander angleichen. (Foto: dpa)


Welche Rolle spielt der Online-Handel?

Für den Marktforscher Holl steht aber fest, dass nicht jeder Einzelhändler, der sich einem Konzern anschließt, auch erfolgreicher wird: „Konzernzugehörigkeit ist keine Überlebensgarantie, denken Sie nur an Schlecker oder Praktiker.“ Gleichzeitig lässt er den Druck durch den wachsenden Onlinehandel nur als einen von mehreren Gründen für die Entwicklung in den Innenstädten gelten. Nach Meinung von Holl handelt es sich nicht um eine wirklich neue Entwicklung: „Den Druck durch den Distanzhandel hat es schon vor mehreren Jahrzehnten gegeben, denken Sie nur an den Quelle-Katalog.“ Außerdem treffe diese Entwicklung große Filialbetriebe genauso wie kleine Geschäfte von selbstständigen Unternehmern. Und es trifft die Branchen unterschiedlich stark: Lebensmittelgeschäfte oder Blumenläden seien von der Onlinekonkurrenz weniger betroffen als beispielsweise Elektrogeschäfte.

Steht der große Kahlschlag erst bevor?

Auch die Unternehmensberatung Oliver Wyman hat sich mit der Entwicklung des Einzelhandels auseinandergesetzt. Unter dem Strich bewertet sie die Gefahr durch den Online-Handel größer und rechnet in einem Branchenreport damit, dass der große Kahlschlag im Einzelhandel erst noch bevorsteht. Weil immer mehr Deutsche im Internet einkaufen, werde in zehn bis 15 Jahren jedes zweite Filialunternehmen vom Markt verschwunden sein. Der Rest werde etwa aufgekauft oder fusioniert. 

Um auch künftig eine Überlebenschance zu haben, muss der stationäre Einzelhandel nach Einschätzung der HSH Nordbank die Veränderungen und Trends im Konsumentenverhalten mit einbeziehen. So sei beispielsweise davon auszugehen, dass sich preisbewusste und durch das Internet sehr gut informierte Kunden weiterhin „hybrid“ verhalten, indem sie Waren sowohl im Billigdiscounter als auch in der Edelboutique erwerben. Das Streben nach Individualität und Abhebung von der Masse werde bei den Verbrauchern ebenso wie die Suche nach sozialen Kontakten und Geselligkeit zunehmen. Da zusätzlich für immer mehr Kunden beim Einkauf die Komponenten „Freizeit“ und „Erlebnis“ wichtig würden, werde das Flächenwachstum im Einzelhandel ungebremst weitergehen. Die Inszenierungen von „Shopping-Erlebnissen“ benötigten mehr Fläche als der reine Warenverkauf.

Trend: Größere Verkaufsflächen und Einkaufserlebnis

Diese Entwicklung geht laut GMA-Manager Holl auch an den Apotheken nicht vorbei. Auch dort sei der Trend zu größeren Verkaufsflächen zu beachten. Die Versuchung, den Kunden erst an mehreren Metern Regalfläche vorbeizuleiten, damit er vielleicht noch eine Zahnbürste oder ein Fußpflegemittel einpackt, ehe er die Kasse erreicht, gebe es auch in der modernen Offizin. 

Was übrigens die zunehmende Uniformität der Innenstädte angeht, verweist Holl darauf, dass es weitgehend in der Macht der Kommunen und Städte selbst liege, auf das Erscheinungsbild Einfluss zu nehmen. Diese könnten nämlich Gestaltungssatzungen erlassen. Wie dies funktioniert, zeige das Beispiel Getreidegasse in Salzburg, wo auch McDonalds seinen Außenauftritt an das historisch geprägte Umfeld anpassen musste: Über dem Eingang des Schnellrestaurants prangt ein aufwendig gestaltetes „Zunft“- beziehungsweise Reklamezeichen. 



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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