Interview Apothekengewerkschaft ADEXA (Andreas May)

„Die Vergütung von Apotheken-Beschäftigten ist nicht gerecht“

Berlin - 08.09.2017, 11:00 Uhr

Apotheker-Bezahlung muss gerechter werden: ADEXA-Chef Andreas May sieht jetzt schon negative Auswirkungen des EuGH-Urteils auf die Vergütung der Apotheken-Beschäftigten. (Foto: ADEXA)

Apotheker-Bezahlung muss gerechter werden: ADEXA-Chef Andreas May sieht jetzt schon negative Auswirkungen des EuGH-Urteils auf die Vergütung der Apotheken-Beschäftigten. (Foto: ADEXA)


Wenn es im derzeitigen Wahlkampf um Apothekenthemen geht, stehen meistens Systemfragen im Mittelpunkt. Was aber erwarten die etwa 138.000 Apothekenangestellten von der nächsten Bundesregierung? DAZ.online hat bei Andreas May, Chef der Apothekengewerkschaft ADEXA, nachgefragt. May erklärt, warum sich das EuGH-Urteil schon jetzt negativ auf die Beschäftigten auswirkt und warum es keine Apotheke Light geben darf.

DAZ.online: Herr May, auch ADEXA hat Wahlprüfsteine an die Parteien geschickt und engagiert sich politisch während des Wahlkampfes. Welche Unterschiede gibt es zu den Forderungen der ABDA?

May: Natürlich sind auch bei uns das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung und das vom Gesundheitsministerium vorgeschlagene Rx-Versandverbot zentrale Themen. Wir geben unseren Mitgliedern, den Apotheken-Angestellten, keine Wahlempfehlung. Trotzdem stellen wir aber klar, dass wir in der Sache mit der ABDA einer Meinung sind: Auch wir glauben, dass ein Rx-Versandverbot die beste und sicherste Lösung für die rund 138.000 Apothekenmitarbeiter ist.

DAZ.online: Warum ist das Thema Versandhandel denn auch für Mitarbeiter so ein wichtiges Thema?

May: Auch die Angestellten haben Angst um die Zukunft der Apotheke vor Ort und somit sorgen sie sich auch um ihre eigene Zukunft. Denn es ist ganz einfach: Gibt es weniger Apotheken, verlieren Menschen auch ihre wohnortnahen Arbeitsplätze.

Apothekenleiter verweigern Gehaltserhöhung wegen EuGH-Urteil

DAZ.online: Aber die Beschäftigtenzahl in Apotheken ist doch in den vergangenen Jahren stetig angestiegen…

May: Ja, aber es geht ja darum, welche Apotheken zuerst zusammenbrechen würden, weil sie der Konkurrenz aus dem Internet nicht mehr Stand halten können. Das sind die kleinen Apotheken auf dem Land. Und wenn dort eine Apotheke schließt, wird es schwer für die Angestellten. Ihr Job im Ort geht verloren, sie müssten eventuell weit fahren zur nächsten Arbeitsstelle. Das Versandhandelsthema hat aber auch jetzt schon negative Auswirkungen auf unsere Mitglieder.

DAZ.online: Die wären?

May: Wir kriegen derzeit immer häufiger Beschwerden von Mitarbeitern, die uns berichten, dass ihre Apothekenleiter die jüngste Tariferhöhung wegen des EuGH-Urteils nicht umsetzen könnten. Einige Apothekenleiter verweigern die Gehaltserhöhung, weil sie sich in ihrer Existenz bedroht fühlen. Das geht sogar so weit, dass behauptet wird, ADEXA habe sich politisch zu wenig für eine Honorarverbesserung bei der Politik eingesetzt. Erst wenn ADEXA diese Vergütungssteigerung bei der Politik durchsetze, könne mehr bezahlt werden. Einige Mitglieder haben uns daher aufgefordert, einen Arbeitskampf auszurufen.

Apotheke Light, SPD-Wahlkampf und Pharmaziestudium

DAZ.online: Und kommen Sie dieser Forderung nach?

May: Nein, natürlich nicht. Das können wir gar nicht. Denn ich kann niemanden bestrafen, der mit der Ursache des Problems nichts zu tun hat. Das EuGH-Urteil und seine Folgen sind eine politische Angelegenheit und keine Auseinandersetzung von Tarifparteien. Gefragt ist daher die ABDA. Natürlich sprechen auch wir mit den Politikern über den Versandhandels-Konflikt. Wir können unseren Mitgliedern aber nur empfehlen, sich eventuellen Aktionen der ABDA anzuschließen, mehr nicht.

DAZ.online: Zurück zu den Wahlkampfthemen. Einige Politiker bringen ja derzeit wieder das Thema „Apotheke Light“ ins Spiel und könnten sich vorstellen, Filialapotheken beispielsweise von der Rezepturpflicht zu entlasten. Wie sehen Sie das? Ist das nicht eine gute Entlastung für oftmals überlastete Apothekenteams?

May: Natürlich könnte das den Arbeitsdruck in einigen Apotheken etwas verringern. Trotzdem halten wir das für nicht sinnvoll. Apothekenmitarbeiter haben lange studiert und Lust auf anspruchsvolle pharmazeutische Aufgaben wie beispielsweise Rezepturen. Gerade mit solchen Leistungen grenzen wir uns ja auch ab vom Versandhandel. Es wäre strategisch unklug, wenn wir diese Debatte jetzt befeuern würden, indem die Vor-Ort-Apotheken Menschen mit einem Rezepturwunsch wieder nach Hause schicken würden.

ADEXA will Ausbildungen erneuern

DAZ.online: Welche politischen Forderungen haben Sie noch an den nächsten Deutschen Bundestag?

May: Auch wir sehen es als zwingend erforderlich an, das Apothekenhonorar zu erhöhen und regelmäßig anzupassen. Nur wenn die Apothekeninhaber von der Politik in die Lage versetzt werden, ein auskömmliches Unternehmen zu leiten, können auch die Mitarbeiter profitieren. Eine weitere Forderung bezieht sich auf die Ausbildung unserer Mitglieder. Wir würden uns freuen, wenn der Staat insbesondere die PTA- und PKA-Ausbildung mehr unterstützt. Pharmaziestudiengänge für angehende Apotheker sind kostenlos, angehende PTA müssen aber teilweise hohe Gebühren und sonstige Kosten bezahlen, das darf eigentlich nicht sein. Grundsätzlich würden wir uns sowohl im Pharmaziestudium und in der PTA-Ausbildung mehr frischen Wind und auch mehr Zeit wünschen, so dass die Mitarbeiter auf neue, pharmazeutische Aufgaben in der Apotheke besser vorbereitet werden.

DAZ.online: Insbesondere die SPD geht ja im Wahlkampf derzeit mit dem Thema Gerechtigkeit hausieren. Wenn Sie sich die Arbeitssituation und die Gehälter Ihrer Mitglieder anschauen – geht es im Apothekenmarkt gerecht zu?

May: Nein, auf keinen Fall. Apotheker sind keine normalen Einzelhändler, sie sind Pharmazeuten. Wenn sie Fehler machen, können im schlimmsten Fall Menschen sterben. Aus dieser Sicht und auch mit Blick auf die komplexe und anspruchsvolle Ausbildung finde ich nicht, dass das Vergütungsniveau von Apothekern gerecht ist. Und das trifft auch auf die anderen Apothekenberufsgruppen zu!

Wann gibt es die nächste Gehaltserhöhung für Apotheker?

DAZ.online: Zum 1. Juni hatten Sie sich ja mit den Arbeitgeber-Vertretern auf einen neuen Tarifvertrag mit leicht erhöhten Gehältern geeinigt. In Online-Foren und den Kommentarspalten beschwerten sich viele, dass die Erhöhungen ohnehin nicht bei ihnen ankommen würden. Was ist da dran?

May: Grundsätzlich gilt natürlich, dass die Erhöhung für Mitarbeiter verbindlich ist, die bei uns Mitglied sind und deren Chef auch Mitglied im Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) ist. Außerdem gilt dieser neue Tarifvertrag nicht in den Kammerbezirken Sachsen und Nordrhein, denn in Nordrhein läuft noch ein separater Vertrag und in Sachsen gab es erstmals nach Jahren Sondierungsgespräche für einen Tarifvertrag, aber noch keine Verhandlungen. Ich habe mir die Kommentare angesehen und festgestellt, dass viele dieser Apotheker ohnehin keinen Anspruch gehabt hätten, weil sie aus Nordrhein oder Sachsen kommen.

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DAZ.online: Liegen Ihnen denn Zahlen darüber vor, wie viel Prozent Ihrer Mitglieder inzwischen nach dem neuen Gehalt bezahlt werden?

May: Nein, das wissen wir nicht.

DAZ.online: Wann stehen denn die nächsten Verhandlungen an?

May: Wir bereiten uns derzeit schon auf die Verhandlungen mit der TGL für den Tarifbereich Nordrhein vor. Dort läuft der derzeitige Vertrag am 31. Dezember 2017 aus.

Eigene Tarifgruppe für Filialleiter

DAZ.online: Mit welchen Zielen gehen Sie in die Verhandlungen?

May: Einzelne Ziele möchte ich nicht öffentlich kommunizieren. Es muss aber unser Ziel sein, die Attraktivität der Arbeitsplätze zu steigern und für angemessene Gehältern zu sorgen. Neben dem Gehalt gibt es ja aber noch den Rahmentarifvertrag, für den wir uns auch auf Bundesebene noch einiges vorgenommen haben.

DAZ.online: Zum Beispiel?

May: Unsere wichtigsten Forderungen mit Blick auf den Rahmenvertrag sind derzeit eine tarifliche Honorierung für Fort- und Weiterbildung und die separate Einstufung der Filialleiter. Bislang sind Filialapothekenleiter nicht als gesonderte Position bei den Tarifgehältern aufgeführt. Das ist aufgrund ihrer besonderen Position innerhalb der Apotheke aus unserer Sicht aber zwingend erforderlich.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Apothekenleiter wollen nicht zahlen

von Pillendreher am 08.09.2017 um 19:26 Uhr

Herr May - was ist denn besser- die Arbeitsplätze erhalten, auch mit sinkenden Roherträgen - oder mehr Gehalt zahlen und die Apotheke geht krachen? Wissen Sie eigentlich, dass viele Apothekenleiter am Monatsende weniger auf dem Konto haben, als die Mitarbeiter? Ich würde auch nicht mehr zahlen angesichts des EugH Urteils - und es wird nach der Wahl erst richtig losgehen. Die Mehrzahl der Apotheken kann dem Internet nichts mehr entgegensetzen. Arbeitskampf? Für was? Für wen? ADEXA und viele Mitglieder scheinen noch immer nicht begriffen zu haben, dass nur das gezahlt werden kann, was nach Abzug aller exorbitanten Kosten einer Apotheke übrig bleibt. Ich habe es satt, dass Apothekenleiter per se am Pranger stehen. Wie ist es denn mit Ihren Mitgliedern? Schwanger - Arbeitsbefreiung - tschüß und weg. Wen kümmert es da, wer die Arbeit macht, wer das liebe Geld erarbeitet? Fahren Sie mal in die USA - da geht das gaaanz anders!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Apothekenleiter wollen nicht zahlen

von Pistor am 10.09.2017 um 8:56 Uhr

Sie haben aber schon den Artikel gelesen, oder? Die ADEXA will gerade nicht zum Arbeitskampf aufrufen, weil die Apothekenleiter ja nichts für das EuGH-Urteil können.

Gerade wenn die Apotheken wirtschaftlich auf der Kippe stehen, werden die Angestellten sicher Verständnis haben und nicht auf einer Erhöhung bestehen.
Bei wirtschaftlich erfolgreichen dagegen ist auch das EuGH-Urteil keine Ausrede.

Man hört ja immer wieder von den Apotheken, in denen der Leiter 60 oder mehr Stunden pro Woche arbeitet, Nacht- und Notdienste übernimmt und trotzdem mit einer Eigenentnahme heimgeht, die etwa dem Lohn von Approbierten entspricht. Das ist ohne Zweifel hart - und in dieser Situation kann man sicherlich darauf verzichten, auf der Tariferhöhung zu bestehen.
Es gibt aber auch die Apotheken, deren Leiter nur halbtags arbeiten, keine Dienste übernehmen, lange Urlaube machen etc.; da kann man sich dann schon mal Fragen, ob das EuGH-Urteil nicht nur eine Ausrede ist.

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