Pilotstudie im Saarland

Schlanker Beipackzettel will sich beweisen

Berlin - 07.09.2017, 07:00 Uhr

Die gegenwärtigen Arzneimittel-Beipackzettel sorgen nicht immer für spontanes Verständnis. (Foto: crimson / stock.adobe.com)

Die gegenwärtigen Arzneimittel-Beipackzettel sorgen nicht immer für spontanes Verständnis. (Foto: crimson / stock.adobe.com)


Vorstudien an der Uni des Saarlandes machen Mut

Professor Dr. Thorsten Lehr vom Lehrstuhl für Klinische Pharmazie an der Uni des Saarlandes hat mit seinen Studenten bereits Vorstudien durchgeführt, deren Ergebnisse zuversichtlich stimmen. Sein Ausgangspunkt war dabei, dass es bislang „erschreckend wenig wissenschaftliche Vorarbeit“ zum Thema Packungsbeilagen gibt. Das wollte er nachholen. Dazu hat sein Team zunächst die Beipackzettel zu den 30 laut Barmer-Arzneimittelreport am häufigsten verordneten Arzneimitteln genauer untersucht. Der Text wurde mithilfe der Verständlichkeitssoftware „TextLab“, die auf dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex beruht, geprüft. Anhand verschiedener Parameter wird hier ein Index zwischen 0 (= geringe Verständlichkeit) und 20 Punkten (= hohe Verständlichkeit) gebildet. Während eine durchschnittliche politikwissenschaftliche Dissertation einen Wert von etwa 0 Punkten erreicht, kommt ein durchschnittlicher Artikel aus dem politischen Teil der Bild-Zeitung auf 18 Punkte. Die Packungsbeilagen schafften laut Lehr einen Schnitt von 9 Punkten. Ausreißer nach unten war hier Ibuprofen mit knapp 5 Punkten, am besten schnitt mit 14 Punkten Cefuroxim ab. Ein Problem: Es werden sehr viele Fachwörter benutzt, und die Texte sind lang.

Mehr Verständlichkeit mit klassischen sprachlichen Kniffen

Doch wie lassen sich die Beilagen nun so verbessern, dass man im gesetzlichen Rahmen bleibt? Zunächst versuchte es Lehr mit ganz klassischen sprachlichen Kniffen, die Texte verständlicher machen: direkte Ansprache, aktive Formulierungen, Verben statt Hauptworte. Sein Team begann, Beipackzettel zu vier häufig verordneten Arzneimitteln gegen chronische Erkrankungen umzuformulieren (Simvastatin, Ramipril, Prednisolon und Salbutamol). Es zeigte sich: Der messbare Verständlichkeitsindex stieg im Schnitt um 2,5 Punkte. Es folgte eine Online-Umfrage mit etwas über 100 Teilnehmern, bei der beide Varianten verglichen wurden. Auch hier zeigte sich bei einer anschließenden Abfrage: Die neue Variante wurde besser verstanden. Der Haken an dieser Umfrage: Die Teilnehmer waren in der Regel Studierende und damit nicht unbedingt die Zielgruppe.

Sodann überlegte Lehr, ob nicht ein ganz neues Format gewählt werden könnte – eben besagte Extra-Beilage.  Solche Kurzanleitungen kennen wir von technischen Geräten: Sie geben einen raschen Überblick  – und wer es genauer wissen will, kann in eine detaillierte Anweisung einsteigen. In diesem Sinne erstellte Lehrs Team zwei Beispiel-Kurzinformationen. Einmal zu Doxicyclin von 1 A Pharma und einmal zu Alendronsäure von Heumann. Was zuvor eng und lang auf der Packungsbeilage stand, war nun komprimiert auf einer DIN A 4-Seite zu lesen. Diesmal fand der Probelauf mit rund 150 vornehmlich älteren Personen statt. Auch hier habe sich eine signifikante Verbesserung gezeigt, berichtet Lehr. Viel schneller konnte der Inhalt aufgenommen und anschließende Fragen besser beantwortet werden. Die Kurzbeilage wurde klar favorisiert.

Doch Lehr räumt ein: Es ist gut, wenn Patienten dieses Zusatzangebot schätzen. Noch besser wäre es allerdings, wenn dies auch einen nachweisbaren Effekt hat: Könnte so eine Kurzinformation die Compliance steigern? Und wie ließe sich das mit harten Endpunkten messen? Genau nach solchen Endpunkten suchen Lehr und sein Team nun. Sie sind überzeugt: Wenn sie nachweisen können, dass ein harter Endpunkt positiv beeinflussbar ist, dann stehen die Chancen gut, dass die zusätzliche Kurzinformation eine Zukunft hat.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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