Pseudo-Customer in Baden-Württemberg

 „Jeder Patient hat Anspruch auf eine gute Beratung“

Stuttgart - 01.09.2017, 15:00 Uhr

Beratung muss sein. Kommt eine Apotheke ihrer Beratungspflicht nicht nach, verstößt sie gegen die Apothekenbetriebsordnung. (Foto: Schelbert / DAZ)

Beratung muss sein. Kommt eine Apotheke ihrer Beratungspflicht nicht nach, verstößt sie gegen die Apothekenbetriebsordnung. (Foto: Schelbert / DAZ)


In Baden-Württemberg finden Pseudo-Customer-Besuche auf Initiative der Landesapothekerkammer statt. Nach dem Zufalls-Prinzip werden Apotheken ausgewählt. Insgesamt werden 400 Apotheken im Jahr besucht. Allerdings wird nur noch der Wunsch nach einem konkreten Präparat geprüft. Warum das so ist? Unter anderem darüber haben wir mit Silke Laubscher, der Vizepräsidentin der Kammer, gesprochen. 

„Die große Mehrheit der Mitglieder findet es richtig und wichtig, dass die Kammer die Pseudo-Customer-Besuche durchführt. Das wissen wir aus Mitgliederbefragungen.“ erklärt Silke Laubscher, die seit knapp einem Jahr Vizepräsidentin der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg ist. „Zudem bitten wir die Apotheken nach jedem Pseudo-Customer-Besuch, einen Feedbackbogen auszufüllen. Im letzten Jahr waren 95 Prozent der Apotheken mit dem Besuch des Pseudo-Customers zufrieden. Beschwerden bekommen wir kaum.“

In Baden-Württemberg werden die Apotheken, in die ein Pseudo-Customer kommt, per Zufallsprinzip ausgewählt. Keine Apotheke der etwa 2500 Apotheken im Ländle ist also sicher. Aufgrund dieses Systems kann es auch eine Apotheke mehrmals hintereinander treffen. Das Zufallsprinzip wird nur aufgehoben, wenn auch auf Nachfrage keine Beratung erfolgt. Dann gibt es einen Wiederholungsbesuch.

Kammer-Vizepräsidentin Silke Laubscher (rechts) im Gespräch DAZ.online-Chefredakteurin Julia Borsch. 

Bei Verstößen gegen die Beratungspflicht wird die Kammer informiert

Die Kammer weiß also weder, welche Apotheken besucht wurden, noch kennt sie das Ergebnis der einzelnen Apotheke. Sie erhält lediglich die gesammelten Ergebnisse für den ganzen Bezirk. Vorgenommen wird die Auswertung vom Fachbereich Pharmazie der ABDA. Kommt aber eine Apotheke ihrer Beratungspflicht nicht nach und verstößt damit gegen die Apothekenbetriebsordnung, wird die Kammer informiert. Der zweite Grund, aus dem die Kammer von dem Besuch erfährt, ist, wenn PKA im Handverkauf eingesetzt werden – ebenfalls ein Verstoß gegen die Apothekenbetriebsordnung. „Das hat deutlich nachgelassen und kommt so gut wie nicht mehr vor.“ berichtet Silke Laubscher. Hier hat das Pseudo-Customer-Programm also schon Wirkung gezeigt. 


„Beim konkreten Präparatewunsch sehen wir den größeren Verbesserungsbedarf.“ 

Silke Laubscher, Vizepräsidentin der LAK Baden-Württemberg


Und wie ist es mit der Beratungsqualität? Grundsätzlich gibt es im Pseudo-Customer-Programm zwei Varianten. Bei der einen wird ein Symptom geschildert, bei der anderen hat der „Kunde“ einen konkreten Präparatewunsch. In Baden-Württemberg kommt allerdings nur noch Zweiteres zum Einsatz. Warum das so ist, erklärt Silke Laubscher folgendermaßen: „Hier sehen wir den größeren Verbesserungsbedarf.“ Die Ergebnisse, wenn ein Symptom geschildert wird, waren nämlich deutlich besser – das entspricht auch dem bundesweiten Trend. „Deswegen haben wir uns entschlossen, nur den Präparatewunsch zu machen“, so Laubscher. „Da stehen wir allerdings noch am Anfang.“

Was sind die Anforderungen?

Und dabei ist es nicht so, dass die Anforderungen besonders hoch wären. Erst einmal geht es darum, Beratungsbereitschaft zu signalisieren. „Wir erwarten mindestens eine Frage.“ so sie Apothekerin. Wird diese Frage gestellt, gibt der Pseudo-Customer mehr von sich preis. Falls nicht, hakt er nach. Wird dann immer noch keine Beratung angeboten, gilt die Beratung als verweigert. Dass auch auf Nachfrage nicht beraten wird, sei aber selten, sagt Laubscher. Passiert das beim Wiederholungsbesuch wieder, drohen berufsrechtliche Konsequenzen. Das sei aber in den letzten Jahren nicht vorgekommen. 

Welche Szenarien gibt es?

Die unterschiedlichen Szenarien erfordern jeweils eine andere Lösung. Die Musterlösung wird dann im anschließenden Feedback-Gespräch, das eine Art Coaching darstellt, präsentiert. Einmal geht es darum, eine Interaktion zu erkennen. Der Patient nimmt bereits Arzneimittel ein, die sich mit dem Präparatewunsch in der Selbstmedikation nicht vertragen. Beim zweiten Szenario muss erkannt werden, dass die Grenzen der Selbstmedikation überschritten sind. Die Lösung wäre, dem Patienten vom gewünschten Arzneimittel abzuraten und ihn an einen Arzt zu verweisen, also explizit nichts zu verkaufen. Bei Variante Nummer drei ist das gewünschte Arzneimittel für den jeweiligen Patienten und sein Problem nicht das Richtige.


„Es ist wichtig, selbst valide Daten zur Beratungsqualität zu haben und dieses Feld nicht Stiftung Warentest oder Fernsehmagazinen zu überlassen.“ 

Silke Laubscher, Vizepräsidentin der LAK Baden-Württemberg


Keine hochakademischen Fragestellungen, sondern Probleme aus dem Apothekenalltag, wie Laubscher findet. Ihr ist vor allem wichtig, dass die Kammer die Kollegen mit den Pseudo-Customer-Besuchen nicht gängeln will. Laubscher fasst zusammen, dass es bei den Beratungschecks darum gehe, ein Bewusstsein für die Bedeutung der Beratung zu schaffen. „Jeder Patient hat Anspruch auf eine gute Beratung. Denn das besondere Gut Arzneimittel ist erklärungsbedürftig. Darum gibt es die Apothekenpflicht.“ Darüber hinaus sei es wichtig, selbst valide Daten zur Beratungsqualität zu haben und dieses Feld nicht Stiftung Warentest oder Fernsehmagazinen zu überlassen. 

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Fragen und Antworten zum Konzept

Wie wird man eigentlich Pseudo-Customer?



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