Sanicare

Streit um Betriebserlaubnis und Fremdsteuerung

Stuttgart - 29.08.2017, 07:05 Uhr

Es gibt viele Altlasten für die Versandapotheke Sanicare, wie ein vom früheren Betreiber gekauftes Flugzeug neben dem Firmensitz. (Foto: dpa)

Es gibt viele Altlasten für die Versandapotheke Sanicare, wie ein vom früheren Betreiber gekauftes Flugzeug neben dem Firmensitz. (Foto: dpa)


Wer steuert Sanicare?

Ein weiterer Vorwurf von der Witwe Scheins ist, dass Sanicare schon lange „fremdgesteuert“ wird. Die Markenrechte an Sanicare waren im Oktober 2013 an eine Firma namens Mercator Services abgetreten worden, deren Geschäftsführer Bertram ist – und hinter der offenbar auch Dusel steht. Die BS-Apotheken OHG, die Sanicare betreibt, führte erhebliche Lizenzgebühren an Mercator ab. Da die Rechte inzwischen an eine weitere Firma Dusels – Top-Brands-Services – übertragen wurde, sieht die Witwe Scheins die Unabhängigkeit der Apotheke in Gefahr.

„Wir sind der Auffassung, dass die Apotheker – früher Herr Schein, jetzt Herr Bertram oder Herr Meyer – nicht mehr entscheiden können, was in ihrer Apotheke passiert, weil die Markenrechte und die Domain der Apotheke verkauft wurden“, erklärte Anwalt Comtesse gegenüber DAZ.online. Da die Nutzungsverträge Ende des Jahres ausliefen, könne Dusel „über Wohl und Wehe“ der Apotheke entscheiden. Wenn er Rechte und Domain abziehe, würde die OHG relativ schnell insolvent gehen, erklärt Comtesse – dann wäre es mit der Apotheke vorbei. „Wer bei Versandapotheken die Domain und die Markenrechte hat, der hat das Sagen“, betont er.

„Allein die Marke macht’s ja nicht“

„Sie können sich darauf verlassen, dass die BS-Apotheken OHG nicht ohne Markenrechte dastehen wird“, erklärte Dusel auf Nachfrage hingegen. „Da macht sich keiner Sorgen – und zwar zu Recht.“ Seiner Ansicht nach sind Markenrechte und Domain allein ohne Kundenstamm wenig wert. „Allein die Marke macht’s ja nicht“, sagt er – es gehöre ein Geschäftsbetrieb und die Kundenbasis dazu. „Deshalb ist die ganze Mär, dass sich jemand in die Hand des anderen begeben hat, vollkommener Quatsch.“

Dusel verwehrt sich außerdem gegen die Unterstellung, die Kammer hätte die Angelegenheit nicht genau geprüft – Comtesse drohte hingegen sogar mit einer Untätigkeitsklage. „Ich finde es sehr infam, der Apothekerkammer da ein Versagen oder eine Tendenz zu unterstellen – genau das Gegenteil ist der Fall“, erklärte Dusel. Bei den größeren Apotheken werde eher etwas genauer hingeguckt als bei kleineren. „Aufgrund des größeren Volumens haben wir eine größere Verantwortung“, erklärte er. „Der Beschluss wurde ein dreiviertel Jahr geprüft, auch unter Beiziehung externen Sachverstands.“ Spannend ist nun die Frage, ob die Kammer die Einschätzung der aktuellen Sanicare-Gesellschafter teilt – oder ob die Kanzlei Comtesse mit dem neuen Widerspruch überzeugende Argumente vorbringen konnte.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Betriebsgröße eK

von Tom am 30.08.2017 um 18:05 Uhr

Es nicht erlaubt das Fremdbesitzverbot zu umgehen. Die Rechtsprechung und das ApoG ist eindeutig bzgl. Strohmannkonstruktionen im dt. Apothekenwesen. Bei der Beantragung der Betriebserlaubnis versichert jeder Apotheker auch in wirtschaftlicher Hinsicht selbstbestimmt zu handeln. Wenn dies nicht der Fall ist, müssen solche Konstruktionen unterbunden und rückgängig gemacht werden. Es ist auch nicht im Sinne des Gesetzgebers, wenn Erträge aus einer Apotheke von weniger besteuerten GmbHs abgezapft werden. Oder wenn die apothekennotwendige Domain, Markenrechte und Kundenstamm losgekoppelt von der Apotheke z.B. in die Niederlande verkauft werden können. Dann stehen Apothekeneigentümer und Mitarbeiter sowie Kammer plötzlich ohne Umsätze da. Das Druckmittel auf den Strohmannapotheker ist damit immens. Hier sollte wohl gerade ein Medienkonzern Zugriff auf apothekeneigene Daten gegen Beteiligung erhalten. Die Gesundheitsdaten an ein Privatunternehmen ohne persönliche Haftung?
Es kann nicht sein, dass bei umsatzabhänigen Mietverträgen bei vor Ortlern zu Recht hart durchgegriffen wird, aber die großen Versender lässt man bei ähnlichem Verstoß gegen das ApoG folgenlos gewähren.
Zum Thema Betriebsgröße: Aus einem anderen Artikel lässt sich schließen, dass Herr Dr. Schein 15 ct. pro Packung bzw. ca. 1 Mio p.a. an die Marken-und Domainfirma gezahlt hat. Das bedingt etwa 6Mio. Packungen/Jahr. Das sind dann bei dem Packungswert einer Versandapotheke etwa 60Mio.€ Umsatz. Es gibt mehrere 4er-Verbünde mit HIV- und Hepatitispatienten in Großstädten, die solche Umsätze problemlos als e.K. völlig eigenverantwortlich erreichen. Es wird niemand gezwungen eine Versandapotheke zu betreiben. Wenn man es aber macht, so ist die Gesetzeslage einzuhalten ansonsten ist man selbst schuld wenn die Bude dicht gemacht wird.

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Betriebsgröße

von Holger am 30.08.2017 um 8:28 Uhr

Ob die Protagonisten jetzt Apotheker sind oder nicht, ist für mich von nachgeordneter Bedeutung. Grundlage dieses Disputs ist für mich die Annahme, dass die meisten Menschen einfach "fies" werden, wenn es um viel Geld geht. Und ich frage mich, ob es nicht irgendwo eine "natürliche maximale Betriebsgröße" gibt, die man als eK führen kann oder nicht. Müssten wir nicht als Berufsstand eigene Regeln definieren, die solche Riesenunternehmen verhindern? Denn dem Leitbild des "Apothekers in SEINER Apotheke" entspricht das gewiss nicht. Ich bin kein Fan dieses Leitbilds, aber wenn wir es haben, müssen wir es auch durchsetzen! Alternative wäre das Zulassen von Kapitalgesellschaften, Fremdbesitz etc. und damit das Ermöglichen von Strukturen, in denen auch solche Giganten mit neunstelligen Umsätzen führbar sind.

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Allein schon Anteile....

von pharmi am 29.08.2017 um 10:20 Uhr

Allein, wenn eine Apotheke in Anteile geteilt wird, zeigt doch schon deutlich, dass hier eben nicht nur ein Apotheker das sagen hat, sondern auch die Gesellschafter/Investoren... Sind diese keine Apotheker haben Außenstehende ein anteiliges Mitspracherecht... Da die wenigsten Versandapotheken auf eigenen Beinen stehen können, haben Geldgeber dann auch ein eventuelles Druckmittel, wenn es nicht so läuft, wie sie es sich vorstellen... Würde jetzt allein eine "gute" Absicht hinter der Investition stehen, bräuchten sie wohl keine Anteile bekommen...

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