Serie: Mittelstand im Pharmaland - Pari

Tief durchatmen

Aachen - 22.08.2017, 07:00 Uhr

Ein Ensemble, das jeder Apotheker kennt: der Pari-Boy mit Zubehör. (Foto: Pari)

Ein Ensemble, das jeder Apotheker kennt: der Pari-Boy mit Zubehör. (Foto: Pari)


Ein bayerischer Mittelständler dominiert den wachsenden Markt für Inhaliergeräte und Inhalationslösungen. Außerdem zählen die Tüftler von Pari zu den technischen Wegbereitern kleiner tragbarer Geräte für den Hausgebrauch. Doch der Markt der klassischen Vernebler gerät zunehmend unter Preisdruck. Das Unternehmen muss sich breiter aufstellen.

Für Menschen, die an einer chronischen Atemwegserkrankung leiden und täglich mehrmals inhalieren müssen, steht der Name Pari vor allem für eine Erleichterung ihres oftmals beschwerlichen Alltags. Etwa durch die Entwicklung tragbarer Inhalationsgeräte für den Hausgebrauch und für unterwegs. Inzwischen haben die sogenannten Vernebler zumeist auf Kompressor-Basis Einzug gehalten in den Massenmarkt. Kostengünstige Geräte werden in Aktionen zuweilen sogar über Lebensmittel-Discounter vertrieben.

Der Starnberger Mittelständler Pari ist im Markt für Aerosoltherapie trotzdem eine feste Größe. Neben den klassischen Inhalationsgeräten entwickelt und produziert Pari auch Inhalierhilfen für Dosier-Aerosole, diagnostische Geräte, therapeutische Hilfsmittel und Inhalationslösungen auf Kochsalz-Basis. Das Brot- und Buttergeschäft aber sind die sogenannten Vernebler. Diesen Markt, so heißt es anerkennend aus der Branche, dominiere Pari mit einem Marktanteil von bis zu 80 Prozent. Einschließlich Auslandsgeschäft erreichte die Firmengruppe nach eigenen Angaben im vergangenen Geschäftsjahr 2015/16 einen Gesamtumsatz von leicht über 107 Mio. Euro. Das entspricht einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr von knapp zwei Prozent.  

Niederlassungen in den USA, Russland und in ganz Europa

An drei deutschen Standorten arbeiten mehr als 500 Mitarbeiter, Niederlassungen gibt es unter anderem in den USA, Russland und mehreren europäischen Ländern. Die Vernebler unter dem Markennamen Pari LC Plus und LC Sprint gelten hierzulande als „Gold Standard“. Pari zählt auf diesem Feld zu den wichtigen technischen Wegbereitern. Marktführer sind die Süddeutschen nach eigenen Angaben in Deutschland auch bei Inhalationshilfen und bei NaCl-Inhalationslösungen in Ampullen. Weil Pari, anders als viele Konkurrenten, stark auf den Vertrieb über Apotheken setzt, hat der Name Gewicht im Apotheken- Sortiment. Immerhin zählen Atemwegserkrankungen zu den häufigsten Apotheken-relevanten Indikationen. Allein sechs Millionen Asthmatiker gibt es in Deutschland, Allergien oder COPD sind auf dem Vormarsch. 

Mehr zum Thema

Einen Überblick über verschiedene Inhalatoren finden Sie in dem Beitrag „Einatmen, Ausatmen: Verneblersysteme für Kinder – eine Übersicht", der in DAZ 2015, Nr. 39 erschienen ist. 

Wie alles begann

Als Produzent von Medizinprodukten decke man die gesamte Wertschöpfungskette ab, betont das Unternehmen mit dem Firmensitz im malerischen Starnberg: von der Produktentwicklung, über die Konstruktion und den Werkzeugbau, bis zur Kunststoffspritzerei und der Montage. Relativ neu hinzugekommen ist die Sparte Diagnostik. Aus dem 1997 gegründeten Pari Aerosol Research Institute in Gräfelfing wurde inzwischen die Sparte Pari Pharma mit dem Schwerpunkt auf schweren chronischen Atemwegserkrankungen wie Mukoviszidose oder COPD. Entwickelt werden Inhalationssysteme zur Unterstützung individueller Medikamentenformulierungen.

Begonnen hat alles vor 111 Jahren in Wuppertal mit der Gründung eines kleinen Sanitärbetriebes, der sich der Entwicklung von Inhalatoren zuwandte. Das gezielte Inhalieren heilender Substanzen verordnen Ärzte schon seit der Jahrhundertwende. Durch die Zerstäubung in sehr feine Partikel können die Wirkstoffe mit der Atemluft direkt in die Regionen der Bronchien transportiert werden, in denen sie wirken sollen. Dosierung und somit auch mögliche Nebenwirkungen fallen geringer aus. Außerdem werden die Atemwege zusätzlich befeuchtet. Vor 100 Jahren mussten die Mediziner ihre Patienten dafür aber noch an die See schicken. Heute gehört ein kompaktes Inhaliergerät in vielen Haushalten zur Hausapotheke. Die systematische Erforschung der Wirkungsweise begann in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Man erkannte den Zusammenhang zwischen der Tröpfchengröße fein zerstäubter Inhalierflüssigkeit und dem Ort ihrer Wirkung in den Atmungsorganen. Je kleiner die Partikel, um so tiefere Regionen der Bronchien können erreicht werden. Kleinere Partikel lagern sich nicht im Mund- und Rachenraum ab, sondern gelangen in die Lunge. Je feiner das Aerosol ist, desto tiefer kann es bis in die stark verästelte Peripherie der Atemwege vordringen

1953 Patent für die Verneblerdüse

1933 kam der erste Vernebler aus Kunststoff auf den Markt. Und 1953 schließlich patentierte Pari jene Düse, die noch heute als Herzstück seiner Vernebelungsgeräte dient. In 0,5 bis 5 Mikrometer kleine Teilchen zerstäubt sie die heilenden Lösungen. In den frühen 1970er Jahren schließlich gelang in Europa vor allem Pari die Entwicklung kompakter Geräte für den Einsatz zu Hause. Das wohl bekannteste Produkt ist der Pariboy, ein Kompressor-betriebenes Inhalationsgerät für zu Hause. Seit 50 Jahren ist der Geräte-Klassiker bereits auf dem Markt.

Das Kerngeschäft gerät unter Druck

Inzwischen hat mit den sogenannten Ultraschall-Verneblern eine neue Technik Einzug am Markt gehalten. Die Nebelerzeugung erfolgt dabei mittels mechanischer Schwingungen, die auf einen Flüssigkeitsfilm übertragen werden. Diese Geräte sind leiser, schneller und in der Lage, die Inhalierflüssigkeit in noch feinere Partikel zu zerstäuben. Bei Pari kommt diese Technik allerdings nicht zum Einsatz. Sie eigne sich nicht für alle Wirkstoffformulierungen, sagt eine Firmensprecherin. Vielmehr setzt Pari auf die sogenannte Schwingmembran-Technologie. Dabei werde die Inhalationslösung durch eine hochfrequent schwingende Membran gedrückt, in der sich eine hohe Anzahl sehr feiner Poren befindet. Auch für dieses Verfahren gilt laut Pari: kleine, leichte und leise Geräte, kürzere Anwendungszeiten durch schnellere Vernebelung.

Das ist wichtig, denn im Massengeschäft der Kompressor-Inhaliergeräte geraten die Margen unter Druck. Zur Grippezeit gibt es bei Aldi oder Lidl schon mal preisgünstige Inhaliergeräte für unter 40 Euro. Krankenkassen erstatten preisbewusster, Verträge machen Vorgaben. Selbst bei Mengenwachstum seien Steigerungen auf der Ertragsseite im Kerngeschäft mühsam geworden. Dadurch wächst die Bedeutung der neueren Sparten wie Diagnostik oder Pharma. 

Fragen zu Strategie, Wettbewerbsumfeld und der künftigen Ausrichtung beantwortet das Unternehmen, dessen Gründung sich zum  111. Mal jährt, jedoch nur spröde. Pari werde sich wegen des Preisdrucks bei den klassischen Kompressor-Verneblern künftig inhaltlich breiter aufstellen müssen, glauben Kenner des Marktes. Das Auslandsgeschäft könnte an Bedeutung gewinnen. 

Gekürt zur Jahrhundertmarke

Im vergangenen Jahr wurde Pari zur Jahrhundertmarke gekürt. Der Verlag Deutsche Standards mit Herausgeber Florian Langenscheidt vergab den Titel. Ausgezeichnet werden Marken und ihre Hersteller, die als „Ikonen der Wirtschaft im öffentlichen Bewusstsein verankert sind,“ so der Verleger. Darunter Klassiker wie WMF, Aspirin-Hersteller Bayer oder Adidas.

Beinahe ebenso bedeutend wie der gute Name selbst ist dem bayerischen Mittelständler, der seit 1906 in privater Hand ist, der Vertrieb und das gute Verhältnis zu den traditionellen Abnehmern: dem Fachhandel, Apotheken und Ärzten. Ihnen widmet Pari viel Aufmerksamkeit. Im eigenen Service-Center stehen Berater bereit, die täglich tausende von Fragen zu Produkten, Anwendungsgebieten und Therapien beantworten. 



Sabine Rössing, Autorin DAZ.online
redaktion@daz.online


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