ARD-Magazin „Plusminus“ 

Methadon: Ärzte warnen vor unkritischem Einsatz 

Remagen - 21.08.2017, 10:00 Uhr

Ein Bericht im ARD-Magazin Plusminus war ein Mitauslöser des „Methadonhypes“,  vergangene Woche hat die Sendung das Thema erneut aufgegriffen.  (Foto: dpa)

Ein Bericht im ARD-Magazin Plusminus war ein Mitauslöser des „Methadonhypes“,  vergangene Woche hat die Sendung das Thema erneut aufgegriffen.  (Foto: dpa)


Warum hat die Industrie kein Interesse?

Friesen berichtete vielmehr, dass sie bei wissenschaftlichen Kongressen auf Ablehnung gestoßen sei. Es handele sich nur um Patientenfälle, sei als Kritik vorgetragen worden, und das sei nicht evidenzbasiert. Bislang hätten weder Ärzte noch Pharmaunternehmen großes Interesse an einer Studie gezeigt. Für die Hersteller anderer Krebsmedikamente sei Methadon offenbar nicht attraktiv, weil der Patentschutz längst abgelaufen sei und Methadon keinen Profit mehr verspreche, vermuten die kritischen Journalisten von „Plusminus“, eine Auffassung, die auch die „Entdeckerin“ Claudia Friesen teilt. Außerdem werden einigen Methadon-kritischen Onkologen eventuelle Interessenskonflikte wegen Verflechtungen mit Pharmafirmen unterstellt, die teure Krebsmittel in den Verkehr bringen.

„Strohhalm ohne Evidenz“?

In der aktuellen Ausgabe des Deutschen Ärzteblatts setzen sich fünf Krebs-und Palliativmediziner sowie der Direktor der Apotheke des Universitätsklinikums Jena Michael Hartmann in einem Beitrag mit dem Titel „Methadon in der Onkologie: ‚Strohhalmfunktion‘ ohne Evidenz“ kritisch mit dem neuen Hype um Methadon als Wirkverstärker einer onkologischen Behandlung auseinander. Sowohl Methadon als auch L-Polamidon (Levomethadon) bergen bei Tumorpatienten erhebliche Risiken, heißt es im Beitrag der Autoren um Jutta Hübner von der Klinik für Innere Medizin in Jena. Sie begründen dies unter anderem mit der problematischen Pharmakokinetik des Wirkstoffs. Wegen der sehr langen Halbwertszeit dürfe die Dosis nur sehr langsam gesteigert werden. Außerdem werde Methadon über CYP3A4 metabolisiert und könne deshalb zahlreiche Wechselwirkungen haben. In der Onkologie werde das Opioid in der Regel von schmerztherapeutisch erfahrenen Ärzten bei Palliativ-Patienten eingesetzt, die oft keine antitumorale Therapie mehr erhalten. Die Einstellung auf das Medikament bedürfe einer engen, mehrfach täglichen Überwachung, die in den meisten Fällen nur unter stationären Bedingungen zu leisten sei. Beim Einsatz während aktiver antitumoraler Therapien sei das Risiko von Wechselwirkungen und dadurch bedingten gravierenden Nebenwirkungen möglicherweise deutlich höher.  



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

ein Schelm ..

von HF am 27.12.2017 um 14:47 Uhr

..genau dieses dachte ich auch beim Lesen des Artikels
Austherapiert mit einer anderen letalen Erkrankung würde ich sonstwas für eine weitere Möglichkeit geben
Man sollte mir doch die Entscheidung überlassen, was und wieviel ich mir für eine (vielleicht berechtigte) Hoffnung antun will
Da bewahrheitet sich wieder der Satz : nicht ich bin behindert, ich werde behindert
und nicht nur ich passe nicht in die Standardschublade mancher weißgekleideten geschlossenen Gesellschaft ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Warnung vor Nebenwirkungen

von IL am 22.12.2017 um 10:19 Uhr

Ein Patient mit der Diagnose Krebs und einer Lebenserwartung von wenigen Monaten oder vielleicht 1 Jahr, der sich mit einer Chemotherapie in die Hölle begibt, soll sich Sorgen um die Nebenwirkungen von Methadon machen? Verstehe, ich könnte mir beim Ziehen der Reißleine ja den Nagellack ruinieren

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