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Politiker sehen kaum Handlungsbedarf wegen Fälschungen

Berlin - 17.08.2017, 11:10 Uhr

Gefälschte Packungen mit weißen statt gelben Tabletten des Hepatitis-C-Mittels Harvoni sorgten in den letzten Monaten für Aufsehen. (Foto: BfArM)

Gefälschte Packungen mit weißen statt gelben Tabletten des Hepatitis-C-Mittels Harvoni sorgten in den letzten Monaten für Aufsehen. (Foto: BfArM)


Trotz mehrerer aktueller Fälle gefälschter Arzneimittel in der legalen Vertriebskette sehen das Bundesgesundheitsministerium sowie Bundestagsabgeordnete kaum Änderungsbedarf. Das erklärten sie gegenüber DAZ.online. Sie verweisen auf das geplante System Securpharm und zeigen sich teils überzeugt, dass Reimporte zu keinem erhöhten Fälschungsrisiko führten. Die Abschaffung derselben fordert Linken-Politikerin Kathrin Vogler.

Harvoni®, Xeplion®, Sovaldi® oder Velcade®: Apotheker sahen sich in den letzten Wochen und Monaten vielfach mit Fällen gefälschter Arzneimittel in der legalen Vertriebskette konfrontiert. Während noch im Mai der Branchenverband Pro Generika verkündete, im vergangenen Jahr sei kein gefälschtes Arzneimittel in deutschen Apotheken gefunden worden, sah die Lage kurz darauf anders aus: Anfang Juni wurde bekannt, dass einige Tage zuvor ein Patient in seiner Harvoni®-Packung weiße statt gelbe Tabletten gefunden hatte. Zwar stellte sich später heraus, dass die gefälschten Hepatitis-C-Mittel die Wirkstoffe Ledipasvir und Sofosbuvir tatsächlich enthielten – doch veranschaulicht der Fall, dass durchaus gefälschte Produkte durch die gesamte Lieferkette gelangen können.

Doch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sowie Gesundheitspolitiker der im Bundestag vertretenen Parteien sehen – bis auf wenige Ausnahmen – keinen akuten Handlungsbedarf. „Jeder Fall von gefälschten Arzneimitteln ist einer zu viel“, erklärt ein Sprecher von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zwar – deshalb müssen kriminelle Machenschaften von Arzneimittelfälschern „konsequent verfolgt werden“. Hierzu würden die Arzneimittelbehörden von Bund und Ländern eng mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten.

„Arzneimittel dürfen nur von zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigten Betrieben erworben werden“, erklärt das Ministerium weiter und betont, dass über das EU-weit einheitliche „Rapid Alert System“ die Bundesoberbehörden nicht nur mit den europäischen und internationalen Kollegialbehörden zusammenarbeiteten, sondern auch mit den Polizei- und Zolldienststellen.

Ansonsten verweist der BMG-Sprecher nur auf die ab 2019 für die meisten Rx-Mittel einzuführenden Systeme gegen Fälschungen – in Deutschland handelt es sich um das geplante System „Securpharm“. „Diese zusätzlichen Maßnahmen werden dazu beitragen, die Einschleusung von Arzneimittelfälschungen in die legale Vertriebskette zu verhindern“, erklärt er. 

Große Koalition will nicht akut reagieren

Ähnlich sieht es die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU, Maria Michalk. Arzneimittelfälschungen würden „auf unverantwortliche Weise die Patientensicherheit extrem gefährden“, betont sie. Fälscher seien „gewissenlose Gesellen und müssen hart bestraft werden“. „Die Tatsache der Zunahme von Arzneimittelfälschungen beunruhigt uns“, erklärt sie weiter und verweist auf die gesetzlichen Regelungen, die neu getroffen worden seien.

„Die durchgehende Verfolgbarkeit der Arzneimittelherstellung und der folgenden Handelswege sind wichtige Instrumente, um Quellen von Fälschungen zu erkennen und zu ahnden“, betont Michalk. „Wir verbinden mit der neuen Regelung ab 2019 die Hoffnung, Arzneimittelfälschungen ganz zu vermeiden, denn mit den zusätzlichen Sicherheitsmerkmalen auf den Packungen und der verbesserten Echtheitsprüfung durch Securpharm sind zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen.“ 

Unklar sei aus ihrer Sicht, ob Parallelimporte mit einem höheren Fälschungsrisiko verbunden seien, als der Direktbezug vom Hersteller – der Verband der Arzneimittelimporteure Deutschlands (VAD) hatte dies vehement bestritten. „Ob die Importaktivitäten über den Großhandel die Gefahr der Fälschungen erhöhen, kann nicht abschließend beurteilt werden“, erklärt Michalk. „Dies weiter zu verfolgen, bleibt eine politische Aufgabe.“

„Kein Zusammenhang“

Die in der SPD-Fraktion für Arzneimittel zuständige Kollegin Martina Stamm-Fibich sieht diesen Punkt etwas anders. Generell sehe sie „keinen Zusammenhang zwischen Reimporten und Arzneimittelfälschungen“, betont die Gesundheitspolitikerin – die Abgabe von Arzneimitteln sei „ausreichend reguliert“. Sie warnt davor, Reimporte jetzt „generell infrage zu stellen“.

„Anscheinend treiben hier einige schwarze Schafe ihr Unwesen, die sich die erheblichen außereuropäischen Preisunterschiede zu Nutze machen und auf Kosten der Patientinnen und Patienten und unseres Gesundheitssystems fette Gewinne einstreichen“, erklärt die SPD-Politikerin. Fälschungen seien zwar „vollkommen verantwortungslos und schwer kriminell“, doch glücklicherweise habe bei den aktuellen Fällen wohl kein gesundheitliches Risiko für Patienten bestanden, da offenbar nur die Verpackungen manipuliert wurden.

Nach Einschätzung von Stamm-Fibich wären die aktuellen Fälle mittels „Securpharm“ spätestens in der Apotheke entdeckt worden. „Aus meiner Sicht sind Packungsfälschungen wie in den bekannt gewordenen Fällen dann also nicht mehr möglich“, betont sie und schlägt vor, bis zur Einführung des Systems unangekündigte Stichproben vorzunehmen. Außerdem bittet sie die Beteiligten, wachsam zu sein – an erster Stelle die Patienten, aber auch Ärzte, Apotheker oder Hersteller. „Weitere Schritte halte ich derzeit nicht für nötig“, erklärt Stamm-Fibich gegenüber DAZ.online.

Grüne zufrieden, Linke fordert schnelles Handeln, ABDA verweist

„In der legalen Vertriebskette greifen die Kontrollmechanismen, wie die aktuellen Hinweise auf Arzneimittelfälschungen zeigen“, erklärt die Grünen-Arzneimittelexpertin Kordula Schulz-Asche auf Nachfrage. Sie seien größtenteils in der Handelskette entdeckt und enthielten „zum Glück“ meist den Wirkstoff in der angegebenen Menge. „Wie wirksam das System funktioniert, zeigt sich daran, dass laut ABDA im gesamten Jahr 2016 bei ca. 1,4 Milliarden in den Apotheken abgegebenen Arzneimittelpackungen keine Fälschung an die Kunden gelangte“, erklärt die Grünen-Politikerin.

Sie denkt, dass SecurPharm Fälschungen schwieriger machen wird – „komplett verhindern wird man sie vermutlich nicht können“, betont Schulz-Asche. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und das Paul-Ehrlich-Institut hätten angekündigt, sich Ende 2017 im Bundesgesundheitsblatt schwerpunktmäßig mit dem Thema Arzneimittel-Fälschungen zu beschäftigen. Diese Analyse sollte abgewartet werden. Bei Importen aus dem Ausland sei durch zusätzliche Handelsschritte „das Risiko erhöht“, weshalb Großhändler und Reimporteure besonders wachsam sein sollten.

Linke will Reimport-Pflicht abschaffen

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, Kathrin Vogler, würde ihr hier wohl zustimmen – mit ihren Forderungen geht sie jedoch weiter. Der Arzneimittelmarkt sei „derartig groß und lukrativ“, sodass immer mehr kriminelle Elemente agieren und zum Leidwesen von Patienten im großen Stil „absahnen“ möchten, erklärt sie. Angesichts der Fälschungsfälle sei „schnelles Handeln gefragt“.

„Zumindest ein Teil der Fälschungen ließe sich vermeiden, wenn wir die unsinnige Verpflichtung zum Reimport abschaffen“, erklärt Vogler. „Wenn in Deutschland überteuerte Arzneimittel zunächst ins Ausland transportiert werden müssen, um dort umgepackt und mit fremdsprachigen Beipackzetteln wieder zurückzukommen, dann macht das für mich keinen Sinn“ – die Reimporte bildeten „eine Eintrittspforte für Fälschungen“.

Auch den Versandhandel „durch große, im Ausland agierende Konzerne wie DocMorris“ sieht sie als mögliche Gefahr dafür, dass gefälschte Medikamente auf den Markt gelangen. „Auch deshalb bin ich für ein Verbot des Versands von zumindest rezeptpflichtigen Arzneimitteln“, betont Vogler. Es bliebe abzuwarten, inwiefern SecurPharm langfristig den Handel mit gefälschten Medikamenten unterbinden könne. Eines aber stünde für sie fest: „Wir dürfen nicht bis 2019 abwarten, sondern müssen jetzt sofort mit ersten Schritten handeln!“, erklärt Vogler. 

Die ABDA wollte sich auf Nachfrage zu den aktuellen Fällen nicht äußern, sondern verwies auf Stellungnahmen vom Deutschen Apothekertag 2014. Dort wurde unter anderem mehr Transparenz in der Lieferkette gefordert, wie auch eine Abschaffung der Importquote. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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