Beratungs-Quickie

Clindamycin bei Zahnentzündungen

München / Stuttgart - 10.08.2017, 11:07 Uhr

Bei Parodontitis verordnen Zahnärzte häufig das Antibiotikum Clindamycin. (Foto:  underdogstudios / Fotolia)

Bei Parodontitis verordnen Zahnärzte häufig das Antibiotikum Clindamycin. (Foto:  underdogstudios / Fotolia)


Welche Punkte sind bei der Beratung wichtig? Was für Zusatzinformationen können  Apotheker geben? Im „Beratungs-Quickie“ stellen wir jeden Donnerstag einen neuen Fall vor. Diesmal geht es um eine Verordnung über das Antibiotikum Clindamycin für eine Frau, die an einer Zahnentzündung leidet.

Formalien-Check

Verordnet ist eine N2-Packung mit Clindamycin 600 mg Tabletten. Das Rezept ist eindeutig, es ist jedoch kein Gebührenstatusfeld angekreuzt. Da die Kundin keinen Befreiungsausweis vorlegen kann, hat sie die gesetzliche Zuzahlung zu leisten. Der Zahnarzt hat kein Aut-idem-Kreuz gesetzt, vielmehr handelt es sich um eine reine Wirkstoffverordnung. Die Apotheke muss daher geltenden Rabattverträge beachten.

Die vom Zahnarzt angegeben Dosierung von 3 x 1 Tablette pro Tag ist auf die FAM zu übertragen. Ab Ausstellungsdatum ist das Rezept einen Monat gültig

Beratungs-Basics

Das Antibiotikum Clindamycin wirkt durch Hemmung der Proteinbiosynthese bakteriostatisch auf aerobe grampositive Bakterien, atypische Bakterien und Anaerobier. Clindamycin kommt unter anderem bei Infektionen im Zahnbereich wie Pulpitis, Parodontitis und Parodontalabszess zum Einsatz.

Je nach Schweregrad der Infektion beträgt die empfohlene Dosierung für Erwachsene 600 - 1800 mg Clindamycin täglich. Die Tagesdosis wird auf drei bis vier gleiche Einzeleinnahmen verteilt. Im vorliegenden Fall soll die Patientin dreimal täglich, alle acht Stunden, eine Filmtablette einnehmen. Zur Schonung der Speiseröhre (die orale Einnahme von Clindamycin führt sehr häufig zu Speiseröhrenreizungen, Ösophagitis und Stomatitis) empfiehlt sich die Einnahme mit einem vollen Glas Wasser in aufrechter Körperhaltung. Eine Einnahme nach den Mahlzeiten kann die Häufigkeit von Magen-Darm-Störungen verringern. Wie bei allen Antibiotika kann es unter der Behandlung zu Stuhlveränderungen kommen. Im Rahmen einer Antibiose kann Kunden die begleitende Einnahme von Trockenhefe aus Saccharomyces boulardii (zum Beispiel Perenterol® forte) zur Durchfallprophylaxe empfohlen werden.

Die N2-Packung enthält 30 Filmtabletten und reicht hier im vorliegenden Fall für eine zehntägige Behandlungsdauer. Auf Nachfrage berichtet die Kundin, dass der Arzt nichts genaues zur Anwendungsdauer gesagt habe, nur dass sie jetzt eine ganze Weile das Antibiotikum einnehmen müsse. Die prinzipielle Empfehlung an Kunden bei Antibiotika unbedingt die komplette Packung zu Ende zu nehmen, sollte nicht mehr erfolgen. Mittlerweile gilt der Grundsatz, Infektionskrankheiten so lange wie nötig, aber so kurz wie möglich zu behandeln: Bei einer unnötig langen Antibiotikatherapie steigt sowohl das Risiko für Nebenwirkungen als auch für Resistenzen. In der Praxis bedeutet das, Patienten sollten bei Besserung der Beschwerden, Kontakt mit ihrem behandelnden Arzt aufnehmen. Dieser entscheidet dann individuell, ob eine weitere Einnahme erforderlich ist.

Bei Ansprechen des Antibiotikums sollte sich nach drei Tagen das Befinden der Patientin und die Symptome der Infektion verbessern. Ist dies nicht der Fall, sollte sie Rücksprache mit ihrem Zahnarzt halten. Unter der Therapie kann es durch individuell auftretende Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schläfrigkeit oder Schwindel zu einer eingeschränkten Reaktionsfähigkeit kommen. Bei Auftreten einer Überempfindlichkeit, wie allergischen Hautreaktionen, muss die Kundin sofort einen Arzt aufsuchen. Unter der Anwendung von Clindamycin wurde über lebensbedrohliche Hautreaktionen wie Stevens-Johnson-Syndrom, toxische epidermale Nekrolyse, DRESS-Syndrom und akut generalisierendes pustulöses Exanthem berichtet.

Auch noch wichtig

Frauen (Alter der Patientin beachten) sind bei der Beratung auf die mögliche Abschwächung der Wirksamkeit oraler Kontrazeptiva oder von Hormonersatzpräparaten hinzuweisen. Unter der systemischen Behandlung mit Clindamycin empfehlen sich nicht-hormonale Präparate zur Empfängnisverhütung.

Wechselwirkungen mit verordneten Arzneimitteln und mit der Selbstmedikation sind zu beachten. Zur Behandlung der Zahnschmerzen ist der Kundin die Einnahme von Paracetamol 500 mg (ein bis zwei Tabletten bis zu dreimal täglich) zu empfehlen. ASS als Schmerzmittel sollte sie wegen der Gefahr von Blutungen vermeiden, sofern ein operativer Eingriff notwendig werden kann.

Treten während oder nach der Behandlung (zwei bis drei Wochen) schwere und anhaltende Durchfälle auf, muss die Kundin unverzüglich einen Arzt aufzusuchen, da sich dahinter eine pseudomembranöse Enterokolitis verbergen kann. Die Inzidenz von Clostridium difficile-assoziierter Diarrhoe (CDAD) ist zwar sehr selten, es kann sich jedoch eine lebensbedrohliche Colitis entwickeln. Der Arzt muss sofort eine angemessene Behandlung einleiten. Peristaltikhemmende Präparate sind hier kontraindiziert.

Darf`s ein bisschen mehr sein

  • Unter der Therapie kann es durch Selektion zu einer Candida-Besiedlung der Haut oder der Schleimhäute kommen. Zur Stabilisierung der Vaginalflora während der Antibiotikum-Behandlung empfiehlt sich für die Kundin die Anwendung eines vaginalen Milchsäure-Präparates, wie beispielsweise Vagisan® Milchsäure Vaginalzäpfchen.
  • Zum Aufbau der Darmflora bei antibiotika-assoziierten Durchfällen kann die Einnahme spezieller Darmbakterien hilfreich sein, wie sie beispielsweise in Omni-Biotic® 10 AAD enthalten sind, einer bilanzierten Diät zur diätetischen Behandlung von Antibiotika-Assoziierten Diarrhöen.
  • Alkoholkonsum stellt per se eine Belastung für den Körper dar. Während der Einnahme des Antibiotikums sollte die Kundin ganz auf Alkohol verzichten.
  • Allgemein gilt: Keinen Sport treiben, während der Körper gegen eine Infektion kämpft. Auch nach abgeschlossener Behandlung ist es sinnvoll, dass sich die Kundin noch einige Tage schont.


Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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