Der Fall Hüffenhardt

Ein Konstrukt mit Sprengkraft für die Arzneimittelsicherheit

Berlin - 04.08.2017, 16:50 Uhr

Die DocMorris-Videoberatung hat nach Auffassung namhafter Juristen keine Zukunft. Ohne Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke geht es nicht – und die bekommt DocMorris N.V. nicht. (Foto: diz)

Die DocMorris-Videoberatung hat nach Auffassung namhafter Juristen keine Zukunft. Ohne Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke geht es nicht – und die bekommt DocMorris N.V. nicht. (Foto: diz)


DocMorris hat in Hüffenhardt einmal wieder ungewöhnliche Wege der Arzneimittelversorgung eingeschlagen. Das Regierungspräsidium und das Landgericht Mosbach haben der niederländischen Versandapotheke vorerst einen Riegel vorgeschoben. Eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung steht noch aus. Jetzt ist ein Buch erschienen, das den Fall Hüffenhardt juristisch abklopft. DAZ.online hat mit Dr. Sabine Wesser gesprochen, die das Gutachten gemeinsam mit Dr. Valentin Saalfrank verfasst hat.

Die DocMorris-Videoberatung mit automatischer Arzneimittelabgabe in Hüffenhardt hatte nur wenige Tage geöffnet. Schon einen Tag nach seiner Eröffnung verfügte das Regierungspräsidium Karlsruhe die Schließung. Dann durften die Niederländer kurz wieder öffnen, solange sie nur OTC, aber keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel abgaben. Doch auch Apotheker und der Landesapothekerverband Baden-Württemberg gingen gegen DocMorris vor und erwirkten vor dem Landgericht Mosbach einstweilige Verfügungen, die dazu führten, das vorläufig jegliche Arzneimittelabgabe in Hüffenhardt gestoppt wurde. Nun muss das Verwaltungsgericht Karlsruhe entscheiden, ob die Verfügung des Regierungspräsidiums zu Recht ergangen ist oder nicht.

Dr. Sabine Wesser und Dr. Valentin Saalfrank, Rechtsanwälte und Autoren zahlreicher Publikationen aus dem Medizin- und Apothekenrecht, haben sich die rechtliche Lage genauer angeschaut und dazu eine Expertise verfasst. Diese ist jetzt in der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft in der Reihe „Arzneimittel und Recht“ erschienen. 

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DAZ.online: Frau Dr. Wesser, Sie haben das Konstrukt Hüffenhardt juristisch abgeklopft. Glauben Sie, dass DocMorris Hüffenhardt in absehbarer Zeit wieder eröffnen kann?

Wesser: Nein. Wir kommen in unserer Untersuchung zu dem Schluss, dass es sich bei der von der DocMorris N.V. in Hüffenhardt anvisierten Arzneimittelabgabe nicht um die (erlaubte) Abgabe von Arzneimitteln im Wege des Versandes handelt, sondern um den (unerlaubten und auch nicht erlaubnisfähigen) Betrieb einer Arzneimittelabgabestelle:

In dem stationären Abgabeterminal werden Arzneimittel für den Endverbrauch abgegeben, und zwar durch das Personal einer Apotheke. Auch wenn sich dieses Apothekenpersonal nicht, wie dies bei einem erlaubten Apothekenbetrieb der Fall wäre, vor Ort befindet, sondern irgendwo im Ausland, ändert dies doch nichts daran, dass es dieses Apothekenpersonal ist, das Arzneimittel an Kunden abgibt und diese über Arzneimittel berät. Die räumliche Distanz zum Kunden wird dadurch überbrückt, dass sich das Apothekenpersonal zur Arzneimittelabgabe eines „digitalen Arms“ bedient und zur Beratung digitaler Übertragungstechnik.

Eine Erlaubnis für den Betrieb einer solchen Arzneimittelabgabestelle liegt nicht vor. Sie könnte auch gar nicht erlangt werden. Schon allein deswegen nicht, weil in Deutschland nur natürliche Personen die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke erlangen können.

Buchtipp

Sabine Wesser/Valentin Saalfrank: Arzneimittel Automat Hüffenhardt

Ist die Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel über ein „stationäres Terminal“ mit Video-Beratung zulässig?

Reihe Arzneimittel & Recht, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart.
ISBN 978-3-8047-3762-4. 78 Seiten. Preis: 19,80 Euro. Erhältlich auch als E-Book.

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Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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