Wettbewerbsrecht

Gericht verbietet kostenlose Blutzuckermessgeräte

Berlin - 24.07.2017, 17:00 Uhr

Kostenlose Blutzuckermessgeräte für Kunden? Apotheken machen sich darüber ihre Gedanken. Tatsächlich sollten sie besser vorsichtig mit solchen Angeboten sein. (Foto: Kzenon / Fotolia)

Kostenlose Blutzuckermessgeräte für Kunden? Apotheken machen sich darüber ihre Gedanken. Tatsächlich sollten sie besser vorsichtig mit solchen Angeboten sein. (Foto: Kzenon / Fotolia)


Wer kostenlos Blutzuckermessgeräte abgibt, handelt unlauter – das hat in einem aktuellen Urteil das Landgericht Dresden entschieden. Geklagt hatte die Wettbewerbszentrale gegen einen Händler von medizinischen Produkten. Ein Urteil, das auch Apotheken aufhorchen lassen sollte. 

Die kostenlose Abgabe von Blutzuckermessgeräten wurde zuletzt vor allem unter dem Aspekt der strafrechtlichen Relevanz diskutiert. Nachdem im Juni vergangenen Jahres die Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen eigene Straftatbestände geworden sind, haben die Unternehmen, die die Geräte bislang kostenlos über Ärzte abgegeben haben, ihre Praktiken überdacht. Vielfach gingen sie dazu über, die Geräte an Apotheker abzugeben, damit diese sie kostenlos an ihre Kunden weitergeben können. Ob dieses Verhalten für Arzt oder Apotheker nun strafbar ist, wurde bislang nicht entschieden. Doch es ist ein Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht, urteilte jetzt das Landgericht Dresden.

Was war geschehen? Die Wettbewerbszentrale bekam von sächsischen Apothekern den Hinweis, dass ein Unternehmen, das bundesweit im Internet und auch im stationären Handel medizinische Produkte – darunter Diabetesbedarf – vertreibt, kostenlos Blutzuckermessgeräte an Kunden abgibt. Bis Oktober 2016 warb es an einem Geschäftslokal folgendermaßen: „Kostenlose Abgabe und Einweisung von Blutzuckermessgeräten. Wir beraten Sie gern!“. Zudem bot der Händler in seinem Onlineshop Blutzuckermessgeräte unterschiedlicher Hersteller kostenlos an – nur die Versandkosten mussten die Kunden selbst übernehmen. Auch auf die Zuzahlung für Diabetesprodukte verzichtete der Händler.

Die Wettbewerbszentrale sieht hierin einen Verstoß gegen das heilmittelwerberechtliche Zuwendungsverbot (§ 7 HWG). Zudem sei die Werbung irreführend und unlauter im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG: Die Beklagte weise den Diabetespatienten nämlich nicht darauf hin – und täusche ihn entsprechend –,  dass er die Kosten für das Messgerät letztlich doch mitzahle. Und zwar im Rahmen einer Gesamtkalkulation über den Kauf der erforderlichen Teststreifen vom gleichen Hersteller. Nach ergebnisloser Abmahnung, klagte die Wettbewerbszentrale vor Gericht auf Unterlassung.

Kein Rechtsmissbrauch

Das beklagte Unternehmen wandte einiges gegen die Vorwürfe ein. Unter anderem, dass sie rechtsmissbräuchlich seien. Denn die Wettbewerbszentrale sei aufgrund einer Anzeige des  Apothekerverbandes tätig geworden, welcher seinerseits nicht  gegen seine eigenen Mitglieder vorgehe, die kostenlose Blutzuckermessgeräte anböten. Das müsse sich die Klägerin zurechnen lassen.

Doch das Landgericht Dresden gab nun der Wettbewerbszentrale in erster Instanz Recht. Dass diese Ansprüche auf Unterlassung und Abmahnkosten geltend mache, sei nicht rechtsmissbräuchlich. Selbst wenn der Apothekerverband Mitglied bei der Wettbewerbszentrale sei, so müsse diese sich dessen Verhalten nicht zurechnen lassen. Zudem habe die Klägerin dargelegt, dass der Verband auch seine Mitglieder in einem Schreiben informiert habe, dass er die kostenlose Abgabe von Blutzuckermessgeräten für unzulässig hält.

Keine Image-Werbung

Laut Gericht liegt jedenfalls ein Verstoß gegen  § 7 Abs. 1 HWG vor, der auch für Medizinprodukte wie Blutzuckermessgeräte gilt. Danach ist es unzulässig,  Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Allerdings gibt es Ausnahmen: Das Verbot gilt beispielsweise nicht, wenn die Zuwendungen von geringem Wert sind oder in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag bestehen.  

Das Gericht stellt klar, dass die beanstandete Werbung nicht lediglich Imagewerbung sei, die nicht unter das Heilmittelwerbegesetz fallen würde. Es sei vielmehr eine produktbezogene Werbung. Sie bezwecke, Diabetiker als Kunden für die angebotenen Teststreifen zu gewinnen und zu binden. Dazu führen die Richter aus, dass die Bindung des Diabetikers an ein Produkt bereits dadurch eintrete, dass er mit einem bei dem beklagten Händler erworbenen Messgerät nur die dafür vorgesehenen  Messstreifen verwenden – die derselbe Händler vertreibt.

Ein klares Werbegeschenk von nicht geringem Wert

Die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Verbrauchers – wie sie das Heilmittelwerbegesetz unterbinden will – bestünde ferner dann nicht, wenn der Werbeadressat die Zuwendung nicht als Werbegeschenk ansieht. Doch so liegt es hier nach Auffassung des Gerichts nicht: Die angesprochenen Diabetiker sähen die Abgabe des Blutzuckermessgerätes sehr wohl als  Werbegeschenk an – und zwar ganz gleich, ob sie privat oder gesetzlich versichert sind. Es sei für jeden Patienten offensichtlich, dass die Messgeräte einen erheblichen Wert verkörpern. Der Wert der kostenlosen Abgabe sei dabei hoch anzusetzen, so das Gericht. Denn ein insulinpflichtiger Diabetiker sollte wenigstens zwei Messgeräte besitzen, um bei Verlust oder Defekt sofort den dringend notwendigen Ersatz zu haben. Da die Krankenversicherungen insbesondere Teststreifen restriktiv handhabten, messe der Angesprochene der kostenlosen Abgabe etwa eines zweiten oder dritten Messgeräts besonderen Wert bei. Das zeige zugleich, dass es sich nicht lediglich um eine Werbegabe von geringem Wert handele.  

Die kostenlose Abgabe von Blutzuckermessgeräten sei auch kein bestimmter oder auf bestimmte Art zu berechnender Geldbetrag. Es sei offensichtlich, dass der Wert der angebotenen verschiedenen Geräte differiere, also nicht bestimmt sei. Da der Händler den Wert zudem nicht mitteile, sei er auch nicht bestimmbar.

Weiterhin konstatiert das Gericht, dass dieser angenommene Verstoß auch die Interessen von Mitbewerbern spürbar beeinträchtige. 

Offen lassen die Richter jedoch, ob die Werbung für die kostenlose Abgabe von Blutzuckermessgeräten irreführend nach § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG ist. Dagegen spreche, dass der Endverbraucher sich üblicherweise bewusst sei, dass ihm gewährte Werbegeschenke durch höhere Preise bei anderen von ihm erworbenen Produkten finanziert werden. Gerade Diabetiker wüssten, dass eine Bindung an den Blutzuckermessstreifen des Herstellers des Messgerätes besteht.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das beklagte Unternehmen kann gegen die Entscheidung Berufung einlegen.

Urteil des Landgerichts Dresden vom 29. Juni 2016, Az.: 44 HK O 200/16



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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