Kassenchef Lutz Hager (IKK Südwest)

„Wir sollten bei der Apothekenmarge Spielräume nutzen“

Berlin - 21.07.2017, 16:00 Uhr

Spielraum beim Apothekenhonorar: IKK-Geschäftsführer Lutz Hager will nach dem EuGH-Urteil das Apothekenhonorar umstellen. (Foto: IKK Südwest)

Spielraum beim Apothekenhonorar: IKK-Geschäftsführer Lutz Hager will nach dem EuGH-Urteil das Apothekenhonorar umstellen. (Foto: IKK Südwest)


Die Krankenkassen verschärfen bei ihren Forderungen zum Apothekenmarkt derzeit den Ton. Grund dafür könnte auch das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung sein: Die daraus entstandene Diskussion über das Apothekenhonorar kommt den Kassen vielleicht sogar ganz gelegen. Dass das so sein könnte, zeigt ein Interview des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken mit Lutz Hager, Chef der IKK Südwest. Hager erklärt, man müsse nach dem Urteil „Spielräume“ bei der Marge ausnutzen.

Der Bundesverband Deutscher Versandapotheker (BVDVA) hat im Juni seinen diesjährigen Kongress in Berlin ausgerichtet. Zu der politischen Veranstaltung, die im gesundheitspolitischen Berlin von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewinnt, hatte der Versandapotheken-Verband neben Politiker auch Kassen-Vertreter, Apotheker und andere Experten aus der Arzneimittelbranche eingeladen. Abseits des Rahmenprogrammes führte der Verband offensichtlich Kurzinterviews mit mehreren Besuchern des Kongresses durch. Denn in den vergangenen Tagen stellte der BVDVA einige Videos ins Internet, die sich allesamt mit den Themen Arzneimittelversand, Apothekenhonorar und Versorgungsstruktur beschäftigen.

Eines dieser Interviews führte der BVDVA mit Lutz Hager, Geschäftsführer der IKK Südwest. Eigenen Abgaben zufolge hat die Kasse etwa 660.000 Versicherte und versorgt die Bundesländer Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen. Auf die Frage des Versand-Verbandes, wie die Arzneimitteldistribution vergütet werden sollte, erklärt Hager: „Das Urteil um den Rx-Versandhandel und die Diskussion zeigt mir deutlich, dass wir zu neuen Vergütungsplänen kommen müssen. Es zeigt mir auch deutlich, dass wir eine Marge haben, einen Spielraum haben, der zu Gunsten der Beitragszahler in der GKV genutzt werden sollte. Insofern schließe ich mich den Forderungen an, die sagen: ‚Lasst uns das Vergütungssystem in der nächsten Legislaturperiode neu aufstellen.“

Nutzen die Kassen das BMWi-Gutachten als Chance?

Nicht nur das EuGH-Urteil dürfte den Kassen mit Blick auf ihre Forderungen zum Apothekenhonorar derzeit gerade recht kommen. Gleichzeitig steht nämlich auch noch die Präsentation des Honorar-Gutachtens vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) aus. Dem Vernehmen nach haben sich der AOK Bundesverband und der GKV-Spitzenverband bereits darauf geeinigt, ein gemeinsames Konzept zur neuen Vergütung der Apotheker vorzustellen, sobald das Gutachten das Licht der Welt erblickt.

In welche Richtung diese neue Vergütungsstruktur aus Sicht der Kassen gehen könnte, verrät Hager im Interview mit dem BVDVA: „Ich glaube wir müssen in eine Differenzierung reinkommen zwischen den Arzneimitteln, die tatsächlich ohne großen Aufwand abgegeben werden können, und die deswegen auch keinen großen Aufwand in der Vergütung verursachen dürfen, und andererseits den Arzneimitteln, die insbesondere Rx-Produkte und innovative Medikamente sind, die mehrere 10.000 Euro kosten. Dort brauchen wir intensive Beratung und natürlich muss das organisiert und vergütet werden.“

In den vergangenen Wochen hatten einige Kassen und Kassen-Verbände ihre Forderungen zur Bundestagswahl vorgestellt. Beim GKV-Spitzenverband war das Apothekenhonorar ein Teil der politischen Wünsche für die nächste Legislaturperiode. Der Verband wünscht sich, dass mehr Transparenz in die Vergütung der Apotheker komme und will weitere Veränderungen am Honorar strikt vom BMWi-Gutachten abhängig machen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

Apotheker begeben sich in die Hand der Politik

von Andreas Grünebaum am 23.07.2017 um 10:56 Uhr

Das gefähnliche an der Debatte ist, dass die Apothekerschaft sich immer mehr in die Abhängigkeit der Politik begibt. Alleine die Betrachtung, welche Kosten im Apothekenbetrieb entstehen entlarvt doch die Absicht, in Zukunft das "Unternehmergehalt" eines Apothekers politisch festzuschreiben. Wenn man am Ende glaubt zu wissen, welche Kosten ein Apothekenbetrieb verursacht, ist der nächste logische Schritt, das "gerechte" Apothekerhonorar festzulegen. Wieviel soll es denn sein? Tarif bei vollen Berufsjahren zuzüglich Arbeitgeberanteil zu GKV und Rentenversicherung? Allzuviel sollten wir da nicht erwarten.

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Lutz Hager

von Philip Winter am 21.07.2017 um 22:23 Uhr

Sehr geehrter Herr Hager,
Bitte erst richtiges Wissen aneignen und sich dann öffentlich äußern. Auch wenn Wahlkampf ist.
Es ist schon traurig, dass sich wieder ein KK-Vertreter ohne fundiertes Grundwissen über den Apothekenmarkt hinstellt und irgendwelche aktionistischen " Thesen" hinausposaunt.

Wie wird man eigentlich KK-Geschäftsführer???
Vielleicht sollte erstmal bei den Krankenkassen die freie Marktwirtschaft greifen. Was könnten wir vielleicht sparen, wenn wir nur noch wenige kompetente Kassen und Vertreter hätten.

Mich würde es interessieren, wie Herr Hager im Notdienst reagieren würde, wenn dann bei freien Preisen das dringend benötigte Antibiotikum für sein Kind weder zeitnah durch den Versender preiswert geliefert werden kann und es dann in der letzten Notdienst-Apotheke nach 80km Fahrt plötzlich das 30-fache kostet.

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Planlos

von Lars Hartman am 21.07.2017 um 19:25 Uhr

So ein Unsinn, wie oft wollen wir denn das Vergütungssystem noch umstellen .... als ob das der Kostentreiber im System wäre. Die Apotheken kosten nicht mehr als die Jahre zuvor. Die Verwaltungskosten der Krankenkassen kosten uns mehr als die Apotheken ! Ich denke wir sollten einfach so 180 Krankenkassen zusammenfassen und eine Handvoll überlassen, da sparen wir mit Sicherheit mehr ! Und solche Möchtegern wie Herr Hager machen am Besten mal eine Fortbildung.

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Marge neu berechnen...

von Dr. Stephan Hahn am 21.07.2017 um 18:51 Uhr

Die Krankenkassen machen das Bürgerversicherungs-Modell der SPD auf diese Weise immer attraktiver! Dieses am besten steuerfinanziert, und der ganze Spuk hat ein Ende!

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Spielräume

von Anita Peter am 21.07.2017 um 18:49 Uhr

Nutzt erstmal die Spielräume bei den Gehältern der Kassenfunktionäre. Der ist nämlich seeeehr groß! Es gibt Menschen die machen den Job für die Hälfte des Gehaltes.

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Vergütung nach Aufwand

von Christian Springob am 21.07.2017 um 18:29 Uhr

Hääh? Ein innovatives und teures Arzneimittel benötigt pauschal mehr Beratungsaufwand als...ja als was denn? "Medikamente, die tatsächlich ohne großen Beratungsaufwand abgegeben werden können" Und welche sind das? Ok, vielleicht eine Panthenolcreme. Nun dafür braucht man kein Rezept, also die kann es nicht sein. Vielleicht der preiswerte ACE-Hemmer? Also brauchen wir dann unseren Kunden, der einen quälenden Reizhusten seit Wochen hat und der einen ACE-Hemmer einnimmt, nicht auf die mögliche Nebenwirkung hin beraten? Oder ist es das preiswerte Cipro 250, verordnet vom Urologen, das zur bestehenden Medikation (Sotalol) hinzukommt und QT-Zeit-Verlängerungen hervorrufen kann? Dann brauchen wir da nicht mehr beraten, weil die Arzneimittel "billig" sind?
Wo sollen hier die Grenzen gezogen werden? Das geht gar nicht! Der nötige Beratungsaufwand ergibt sich aus dem Gespräch mit dem Kunden und nicht pauschal aus dem verordneten Wirkstoff. So einfach ist das.
Und was auch ganz einfach ist: Rumhacken auf Apothekern - das kommt immer gut. Alte Klischees vom reichen Apotheker werden hier bedient. Margenspielraum - wie lange haben wir den schon nicht mehr!
Die Richtung, die die übermächtigen Kassen einschlagen möchten, ist ganz klar. Nur die Politik kann hier noch gegenhalten.

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Spielraum in der Marge??

von Peter Bauer0 am 21.07.2017 um 17:02 Uhr

Welchen Spielraum in der Marge will der gute Mann nutzen?
Er kann sich ja gerne mal über den zu erwirtschaftenden Betrag einer Durchschnittsapotheke bei einer Rezeptabrechnungseinrichtung informieren.18% o.19%Im Gegensatz zu ausländischen Versandapotheken kann eine deutsche Apotheke fast überhaupt nichts mehr am Einkauf verdienen,da dort die Rabatte ja bereits gesetzlich auf ein Minimum begrenzt sind.Für den Rohertrag, den wir von den Kassen bekommen kann jeder andere Einzelhändler nur mitleidig lächeln.War es nicht erst vor zwei Wochen als ein Gericht einem BKK-Vorsitzenden eine an die 30%Gehaltserhöhung verbot?!?Die Frage ist ob solche Kleinkrankenkassen nicht fusionieren müßten?Nur sehr wenige Vorstände und Verwaltungen anstatt überflüssige Belastungen für die Beitragszahler durch rausgeschmissene
"Verwaltungversorgungsmentalitätskrankenkassenkosten".
Eigentlich sollten die Krankenkassen erstmal bei sich selbst nach Einsparpotentialen suchen,bevor sie über andere richten.Da wäre bestimmt einiges zu holen

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