Niedersachsen

Krankenhausgesellschaft will keine Stationsapotheker

Hannover - 18.07.2017, 07:00 Uhr

Nach den Plänen der niedersächsischen Landesregierung  sollen flächendeckend Stationsapotheker eingeführt werden. (Foto: psphotography / Fotolia)

Nach den Plänen der niedersächsischen Landesregierung  sollen flächendeckend Stationsapotheker eingeführt werden. (Foto: psphotography / Fotolia)


In Folge einer Serie von Pflegemorden will die niedersächsische Landesregierung für alle Krankenhäuser Stationsapotheker einführen. Während die Landesapothekerkammer dies begrüßt, hält die Krankenhausgesellschaft Niedersachsen die Pläne für nicht durchführbar – und für womöglich verfassungswidrig.

Schon vor gut einem Jahr hatte ein Sonderausschuss, der sich mit der Aufarbeitung einer Serie von Pflegemorden beschäftigt hatte, die verpflichtende Einführung von Stationsapothekern diskutiert. Ein Pfleger hatte zugegeben, 90 Patienten eine Überdosis des Herzmittels Ajmalin verabreicht zu haben, mehr als 40 könnten verstorben sein. „Durch die Einführung des Stationsapothekers gäbe es die Möglichkeit, den Abfluss der Medikamente nachzuvollziehen“, hatte CDU-Obfrau Anette Schwarz gegenüber DAZ.online erklärt.

Seit März liegt nun ein Gesetzentwurf vor, nach dem Stationsapotheker flächendeckend eingeführt werden sollen: Pro 300 Betten soll es zukünftig mindestens einen Stationsapotheker geben, ansonsten drohen Bußgelder. Zusammen mit einer flächendeckenden Einführung von Arzneimittelkommissionen sollen Apotheker auf den Stationen „in allen Fragen der Arzneimitteltherapie unterstützen und beraten“, hatte die Gesundheitsministerin Cornelia Rundt erklärt. „Dies soll unter anderem das Risiko von Medikationsfehlern senken.“ Stationsapotheker sollen zusammen mit dem ärztlichen und pflegerischen Personal „zu einer sicheren, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Arzneimitteltherapie“ beitragen.

Apotheker sollen nicht nur Logistiker sein

Die Apothekerkammer Niedersachsen hatte die Pläne begrüßt. „Der interprofessionelle Ansatz in der Patientenversorgung hat sich bereits in vielen anderen Ländern bewährt“, betonte Frank Dombeck, pharmazeutischer Geschäftsführer der Kammer. „Die pharmazeutische Kompetenz des Apothekers sollte nicht länger nur eingeschränkt als Arzneimittellogistiker genutzt werden.“

Starke Kritik kam hingegen von der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG). „Die Diskussion zur Steigerung der Behandlungsqualität begrüßen die Krankenhäuser, sie muss sich jedoch der Realität stellen“, hatte sie in einer Pressemitteilung erklärt. Zwar könnten Stationsapotheker „im Einzelfall“ ein Instrument zur Verbesserung der medizinischen Versorgung darstellen, doch gebe es auf dem Arbeitsmarkt „schlicht keine Apotheker“, die in der vom Gesetzgeber vorgesehenen Frist von drei Jahren flächendeckend in allen Krankenhäusern eingestellt werden könnten. Die Pläne seien ein Beispiel „für mehr Bürokratie ohne Nutzen für den Patienten“. 

Gesetzentwurf ist aus Klinik-Sicht nicht legitim

Gegenüber DAZ.online spricht Helge Engelke, Verbandsdirektor der Krankenhausgesellschaft, sogar von einer „objektiven Unmöglichkeit“, qualifiziertes Personal zu finden. „Etwas nicht Umsetzbares zu fordern, ist nach unserer Ansicht nicht legitim“, erklärt er. Ohnehin bezweifelt er, dass Stationsapotheker tatsächlich kriminelle Handlungen verhindern könnten – auch wenn sie aus seiner Sicht teilweise einen Beitrag zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) leisten können.

Doch noch aus einem dritten Grund wehrt sich sein Verband vehement gegen die Pläne: Die Einführung von Stationsapothekern wäre laut Landesregierung mit Mehrkosten von rund 8 Millionen Euro verbunden, nach Verbandsberechnungen würden sich die Ausgaben sogar auf knapp 14 Millionen Euro belaufen, da 185 statt 135 Vollzeitkräfte notwendig seien. Doch würden diese nicht refinanziert, denn Krankenkassen erhalten ihre laufenden Einnahmen über sogenannte Fallpauschalen, die bundeseinheitlich kalkuliert werden – ohne Berücksichtigung der Frage, ob Stationsapotheker eingestellt werden. Das generiere in Niedersachsen einen Wettbewerbsnachteil, kritisiert Engelke.

Er verweist darauf, dass die Landesregierung die Differenzen bestätigt habe – sie habe aber dennoch erklärt, dies ändere „nichts an der grundsätzlichen Einschätzung“. Er fordert, zunächst einige Modelle zu prüfen, wie Stationsapotheker zur AMTS beitragen können. Die aktuellen Pläne könnten sogar verfassungsrechtlich bedenklich sein, sagt Engelke, da nach Einschätzung seines Verbandes die Landesregierung ihre Kompetenzen überschreite.

Landesregierung weist Kritik zurück

Das niedersächsische Gesundheitsministerium weist auf Nachfrage von DAZ.online die Vorwürfe zurück. „Wir haben bei der Entwicklung des Gesetzentwurfs großen Wert auf die Konformität mit den bundesrechtlichen Bestimmungen gelegt und uns auf die landesgesetzlichen Potenziale des Krankenhausrechts konzentriert“, erklärt eine Sprecherin auf Nachfrage. Der Gesetzentwurf enthalte eine angemessene Übergangsfrist, auch könnte die Weiterbildung im Bereich der klinischen Pharmazie im Rahmen der praktischen Tätigkeit erfolgen. Entsprechende Ausschreibungen erfolgten bundesweit und seien bereits in der Fachpresse zu finden.

Die Niedersächsische Apothekerkammer möchte aktuell nicht zum Gesetzentwurf Position beziehen, hatte dies jedoch bereits in einer früheren Stellungnahme gemacht, die DAZ.online vorliegt. Hier betont sie die Vorteile von Stationsapothekern, die auch bei der Jahrestagung der deutschen Krankenhausapotheker vom Präsidenten der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AKDÄ), Wolf-Dieter Ludwig, hervorgehoben worden seien.

Die Kammer argumentiert, die Übergangsfristen seien zu lang – und die Bedenken, es fänden sich nicht genügend Apotheker, könne sie nicht teilen: Die Weiterbildungsquoten im Gebiet der klinischen Pharmazie seien sehr hoch, auch gebe es bei offenen Stellen viele Bewerbungen aus anderen Bundesländern. „Die Apothekerkammer kann auch kurzfristig einer erhöhten Anzahl an Weiterzubildenden im Gebiet Klinische Pharmazie gerecht werden“, heißt es in der Stellungnahme.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Innovations- und Fachevolutionsbremser

von Matthias H. Arlt, MSc am 19.07.2017 um 10:48 Uhr

"Nicht-Anfangen" dürfte selbst in politcorrecten Zeiten das aberwitzigste und unerfindlichste (Pseudo-)Argument sein was wir lange Zeit lesen durften.
Solange die "Echte klinische Pharmazie" auf den Stationen in den Kliniken und das Medikationsmanagement/ AMTS / ARMIN in der Kooperation Ärztepraxis, Offizin, Pflegeeinrichtungen und Sozialstationen ein "nice to have" ist - was nichts kosten darf - wird sich nichts bewegen! Sobald die ersten Haftungsklagen von PatientInnen wegen Fehlmedikation - und sei es bspw. durch zukünftige Nichtbeachtung einer adäquaten, stratifizierten Pharmakotherapie- höchstrichterlich entschieden sind, löst sich die Diskussion im Turbotempo in Wohlgefallen auf. Wir sind überwiegend top ausgebildet, gehören zu den fortbildungsbegeisterten und -aktivsten Berufsgruppen und werden bei geeigneten Rahmenbedingungen diese Herausforderungen ohne Probleme meistern. Hier steht der kranke oder nicht "krankwerdend-wollende" Mensch im Zentrum unser Bemühungen, der sich auf uns verlässt, das wird augenscheinlich zu oft vergessen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Da wird wieder böse blockiert, unglaublich

von Wolfgang Müller am 18.07.2017 um 12:48 Uhr

Das gegnerische Argument "Die Einstellung eines Stationsapothekers pro 300 Krankenhaus-Betten kann nicht gesetzlich vorgeschrieben werden, weil es gar nicht genug Apotheker dafür gibt" spottet in seiner vorgetäuschten, uns schließlich auch sehr fremdartigen "Vernünftigkeit" jeder Beschreibung. Es gibt doch wohl auch in Niedersachsen genug Apotheker/innen, die aus den dortigen Öffentlichen Apotheken in die Krankenhäuser wechseln können! Und auch: WOLLEN, natürlich!!

Damit wäre zumindest für diese Glücklichen ja auch endlich die Absicht des wack´ren Pharmazeutischen Geschäftsführers der Kammer Niedersachsen erfüllt: „Die pharmazeutische Kompetenz des Apothekers sollte nicht länger nur eingeschränkt als Arzneimittellogistiker genutzt werden.“ Welch Letzteres schließlich genau in der Öffentlichen Apotheke praktisch ausschließlich der Fall ist, wie jeder weiß!

Diese von der Apothekerkammer so famos vehement unterstützte Gesetzes-Vorhaben muss aber auch in dem Sinne GANZHEITLICH betrachtet werden, dass es neben der überfälligen Krankenhaus-Stärkung und Berufsaufwertung insgesamt bestens zu der allseits gewünschten Reduzierung der Öffentlichen Apotheken wg. NOCH GRÖSSEREM Personalmangels führen wird. Insbesondere der leidigen Winz-"Filialen" mit weniger als 300 Kunden pro Tag. War hier leider schon der eine oder andere wack´re niedersächsische Kammerversuch gerichtlich gescheitert (siehe z. B. das ekelhaft süffisante, bestätigende Urteil zur Herstellung von Rezepturen nur in einer Filiale, für alle Apotheken des Filialverbundes), so bietet doch dieses neue Gesetzesvorhaben Bereinigungs-Möglichkeiten in einem ganz anderen Maßstab!

Es hat doch auch wirklich keinen Sinn, weiter Apotheken mit weniger als einem Umsatz 50 Prozent oberhalb der gegenwärtigen Durchschnittsapotheke, meist auch nur in ollen angemieteten Räumen, weiter kammerseits gönnerhaft mitzuschleppen. Die ja über kurz oder lang weder das segensreiche Kammer-QM-Zertifizierungsverfahren bestehen könnten, noch zur niedrigst-vergüteten Bewältigung der zwingend als Gemeinwohl anstehenden AMTS-Großaufgaben in der Lage wären. Geschweige denn jemals akzeptable Arbeitgeber für "Die Jungen" sein können!

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