Nordrhein-Westfalen

Stadtrat und Kammer streiten über Apotheken-Notdienste

Berlin - 17.07.2017, 12:40 Uhr

Streit um Notdienste: In Nordrhein-Westfalen streitet sich der Stadtrat Ahlen mit der Apothekerkammer Westfalen-Lippe darüber, wie weit Bürger zur nächsten Notdienstapotheke fahren müssen. (Foto: dpa)

Streit um Notdienste: In Nordrhein-Westfalen streitet sich der Stadtrat Ahlen mit der Apothekerkammer Westfalen-Lippe darüber, wie weit Bürger zur nächsten Notdienstapotheke fahren müssen. (Foto: dpa)


In der nordrhein-westfälischen Kleinstadt Ahlen hat sich der Stadtrat über die Notdienstregelung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe beschwert. Die Fraktionen von SPD und CDU haben gemeinsam eine Resolution beschlossen, nach der der Kreis Warendorf dafür sorgen soll, dass am Wochenende immer mindestens eine Apotheke im Stadtgebiet einen Notdienst anbietet. Die Kammer hingegen sieht keinen Änderungsbedarf und verweist auf die sinkende Apothekenzahl.

Die Stadt Ahlen liegt zwischen Dortmund und Münster und hat rund 50.000 Einwohner. Der Stadtrat von Ahlen hat sich bei seiner Sitzung in der vergangenen Woche unter anderem mit Apothekennotdiensten beschäftigt. Die SPD-Fraktion hatte zuvor einen Resolutionsantrag eingebracht, der Folgendes beinhaltet: „Der Rat der Stadt Ahlen fordert den Kreis Warendorf dazu auf, im Rahmen der Notfallversorgung der Bevölkerung besonders an den Wochenenden dafür Sorge zu tragen, dass der Apothekennotdienst stets auch mit einer geöffneten Apotheke auf Ahlener Stadtgebiet sichergestellt wird.“ Gemeinsam mit der CDU verabschiedeten die Sozialdemokraten diese Resolution und legten sie anschließend der Kreisverwaltung in Warendorf vor.

Hintergrund des Antrages ist die Neuregelung der Notdienste, die die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) 2012 vorgenommen hatte. Die AKWL hatte die knapp 100 Notdienstbezirke aufgelöst und durch ein neues, flexibleres System ersetzt. Dazu hatte die Kammer eine Kommunikationsagentur mit der Erstellung einer Computer-Software beauftragt. Das neue Notdienst-Programm berechnet die nötigen Bereitschaftsdienste anhand von Geodaten aus den einzelnen Regionen. Die Software benötigt dazu die Orte plus Einwohnerzahl, die Apothekenzahlen der einzelnen Orte, die Ortsmittelpunkte sowie die Adressen jeder einzelnen Apotheke. Anhand dieser Daten erstellt das Programm eigenhändig einen Notdienstplan. Dabei wird auch berücksichtigt, welche Apotheke besonders viele Dienste leistet und welche weniger belastet ist, sodass eine möglichst gerechte Verteilung innerhalb der Apothekerschaft herauskommt.

Stadt Ahlen unzufrieden mit neuer Notdienst-Regelung

Der Stadtrat ist mit diesem System nicht unbedingt zufrieden. In der Begründung der beschlossenen Resolution heißt es: „Im Rahmen der Neuregelung des Apothekennotdienstes war die Verfügbarkeit zumindest einer Notdienstapotheke auf dem Gebiet der Stadt Ahlen zuletzt nicht mehr durchgängig gewährleistet. Besonders für Menschen, die in Ihrer Mobilität über größere Strecken eingeschränkt sind, stellt dies einen nicht tragbaren Zustand dar. Zudem wird die kreisweite kinderärztliche Notfallversorgung in der Kinderklinik Ahlen abgebildet. Darauf sollte der Apothekennotdienst abgestimmt sein, um Bürgerinnen und Bürgern aus dem Kreisgebiet unnötige (ggf. noch) weitere Fahrten zu ersparen.“

Die SPD-Fraktionsvorsitzende aus Ahlen, Gabriele Duhme, ergänzte gegenüber DAZ.online, dass sich insbesondere junge Familien bei den Kommunalpolitikern beschwert hätten: „Viele Menschen kommen nachts aus der Klinik hier in Ahlen und brauchen möglichst schnell ein Medikament. Dabei müssen sie immer häufiger in die nächste Stadt fahren und das kann aus unserer Sicht nicht sein“, sagt Duhme. So komme es am Wochenende inzwischen immer häufiger vor, dass die Ahlener ins etwa 12 Kilometer entfernte Beckum fahren müssten. Duhme erklärt, ihre Fraktion wolle mit der Resolution erreichen, dass die Landesregierung die Kammer beauftragt, ihre Notdienstregelung wieder umzustellen.

Kammer: Notdienste müssen gerecht verteilt werden

DAZ.online hat die Kammer mit den Vorwürfen aus Ahlen konfrontiert. Die AKWL verwies auf die tatsächlich geleisteten Dienste in Ahlen in den Jahren nach der Umstellung der Notdienst-Verteilung. Darus geht zunächst hervor, dass die Apothekenzahl von 16 (2012) auf nunmehr 13 gesunken ist. Im vergangenen Jahr musste die Ahlener Bevölkerung im Durchschnitt 6,2 Kilometer zur nächsten notdiensthabenden Apotheke fahren. Die maximale Entfernung zwischen dem Ahlener Ortsmittelpunkt  und der Notdienst-Apotheke lag 2016 bei etwa 20 Kilometern.

Ein AKWL-Sprecher erklärte, dass es mit Blick auf die sinkende Apothekenzahl ein Ziel sei, die Notdienstbelastung möglichst gleich zu verteilen. Wörtlich erklärte der Sprecher: „Aktuell beträgt für die Bürger in Ahlen die durchschnittliche Entfernung vom Ortsmittelpunkt bis zur nächsten notdiensthabenden Apotheke 6,9 Kilometer. An etwa jedem zweiten Samstag und Sonntag hat auch weiterhin in Ahlen eine Apotheke Notdienst.“ Die AKWL sieht aber auch eine politische Komponente in der Diskussion um die Ahlener Notdienste: „Diese Situation wird sich durch die Blockadehaltung des SPD im Bund gegen das Rx-Versandverbot nicht unbedingt verbessern – im Gegenteil: Weniger Apotheken könnten am Ende weitere Wege im Notdienst bedeuten.“ Eine Änderung an der Verteilungs-Systematik sei nicht vorgesehen. Und weiter: „Ganz wichtig ist für uns, dass wir den Nacht- und Notdienst bedarfsgerecht organisieren, weil nun einmal für jede Nachtschicht auch ein approbierter Apotheker bereitstehen muss. An dieser Stelle ist es interessant zu wissen, dass uns für Ahlen aktuell nicht eine einzige Patientenbeschwerde vorliegt.“

Die SPD-Kommunalpolitikerin Duhme erklärte gegenüber DAZ.online, dass sie schon häufiger mit dem Vorwurf konfrontiert worden sei, dass es gerade die SPD sei, die auf Bundesebene mit dem Widerstand gegen das Rx-Versandverbot derzeit den Apothekenmarkt in Unruhe versetze. Einen Widerspruch sieht die Kommunalpolitikerin aber nicht: „Ich bin in erster Linie Kommunalpolitikerin und muss mich um die Ansinnen der Bevölkerung hier vor Ort kümmern. Und wenn die Bevölkerung vor Ort sich hier nicht ausreichend gut versorgt fühlt, muss ich mich darum kümmern.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

so ist das halt ...

von Alfons Neumann am 17.07.2017 um 21:22 Uhr

jetzt bekommt die online-bestellende Smartshopper-Generation mal die Nebenwirkungen ihres Handelns direkt zu spüren. Billig bei DoMo u. Co. kaufen und gleichzeitig fordern, alles vor Ort haben zu wollen, paßt eben nicht zusammen.
Das dann noch eine SPD-Politikerin die Auswirkungen der Bundes-Blockade-Politik ihrer Partei ausblendet, ist schon dreist.

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6,2Kilometer?

von Peter Bauer am 17.07.2017 um 15:02 Uhr

Ich glaube hier geht es eher um das angekratzte Städterego.Aber ich find es gut ,dass die Apothekenproblematik und ihre Auswirkungen anscheinend schön langsam unten ankommt.Die Möbilitätseingeschränkten sind auch immer ein fadenscheiniges Argument,denn ich glaube nicht dass die Erreichbarkeit einer Notdienstapotheke durch den öffentlichen Verkehr auch in Ahlen besonders prickelnd ist.Bei mir kommen an Wochenendnotdiensten ca 98%der Patienten mit dem Auto,und die meisten haben weitere Arztodysseen hinter sich.Die Entfernungen zu Augen-,Kinder- oder sonstigen Fachärzten am Wochenende hin und zurück zu meiner Apotheke betragen durchaus bis an die 80Kilometer.Den Ahlenern kann ich jetzt schon kurz- und mittelfristig versprechen,dass sie noch von den "goldenen"Zeiten der Notdienstapothekenversorgung von durchschnittlich "nur" 6,2Kilometern träumen werden

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Forderungen

von Anita Peter am 17.07.2017 um 14:46 Uhr

Die Forderung lautet also noch mehr defizitäre Notdienste anzubieten. DoMo pickt sich derweilen die Rosinen raus, mit denen man den Notdienst eigentlich querfinanzieren muss. Dann als SPD Politiker zu behaupten Bundespolitik gehe ihn nichts an, setzt dem ganzen die Krone auf.
Ich bleibe dabei, sollte sich die Politk nach der Wahl nicht bewegen, sollten wir den Notdienst temporär ganz einstellen.

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Herr Duhme...

von Michael Weigand am 17.07.2017 um 14:18 Uhr

...ich muss dem Politiker ganz entschieden widersprechen. Er macht seinen Job als Kommunalpolitiker dann, wenn er Herrn Lauterbach in seinem Elfenbeinturm klar sagt, dass das RX-Versandverbot eindeutig die flächendeckende Versorgung sicherstellt. Dass Herr diese gefährdet sieht, entspricht der Sichtweise der Apotheker. Bloß sollte er dann mit den Apothekern gemeinsam sagen, dass die Politik des Herrn Lauterbachs Arbeitsplätze im Gesundheitswesen (Frauenarbeitsplätze) vernichtet und in logischer Konsequenz eine schlechtere Versorgung zur Folge hat. Herrn Duhme als SPD-Politiker muss man dahingehend sagen...selber Schuld...die SPD trägt für diese schlechtere Versorgung mit der FDP die alleinige Verantwortung...man sollte sich schon fragen, wenn sogar die Linke Unternehmer besser untersttüzt als die SPD, dann stimmt da was nicht (vielleicht dass Herr Lauterbach Konzernpolitik betreibt)

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Wie man es macht...

von Christiane Patzelt am 17.07.2017 um 13:36 Uhr

Jetzt haben die Apothekers eine digitale Lösung, ein Algorhythmus verteil die Notdienste, ist dann aber nicht recht.

Junge Familien erleben hier leider auch die Folgen des eigenen Handelns. Junge Menschen bestellen viel online und wundern sich dann, wenn am WE die Akutversorgung nicht gleich vor der Tür stattfindet. Da kann ich nur sagen: " Wer klüger ist, kauft vor Ort ein". Wer eine funktionierende Infrastruktur haben möchte, der muss diese auch "benutzen". Wer darauf verzichtet, der darf sich im Notfall aber auch nicht beschweren. Geschäfte bleiben eben nur dort geöffnet, wo sie Ertrag bringen und vielleicht auch noch wertgeschätzt werden.

Unsere Offizinen sind eben zu mehr gut als nur zum Preisvergleich mit dem Internet. Wer das zu altmodisch findet, der wartet im Aktufall dann eben auf den Paketboten...

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