Hamburger Apotheker trifft Martin Schulz

„Der G20-Gipfel hat mich einen fünfstelligen Betrag gekostet“

Hamburg - 14.07.2017, 10:50 Uhr


Der Hamburger Apotheker Maurice Khalil liebt das Schanzenviertel. Die dort ansässige Apotheke am Neuen Pferdemarkt ist seit 50 Jahren im Besitz seiner Familie. Die G20-Krawalle und die Zerstörung seines Viertels stimmen den Pharmazeuten tief traurig. Seine Enttäuschung konnte er nun dem SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz mitteilen, der das Katastrophengebiet besuchte und an der Apotheke Halt machte.

Die Hamburger Apotheke am Neuen Pferdemarkt ist über 200 Jahre alt und liegt an einer der bekanntesten Kreuzungen der Hansestadt, nämlich genau an der Stelle, wo die Schanzenstraße, das Schulterblatt und der Neue Pferdemarkt aufeinandertreffen. Video-Aufnahmen aus Wärmebildkameras der Polizei von genau dieser Kreuzung laufen gerade auf jedem zweiten Fernsehsender. Denn genau gegenüber von der Apotheke stürmten mehrere Chaoten am vergangenen Wochenende ein Haus, bestiegen das Dach und warfen brennende Gegenstände auf die Polizeiwagen und in die Menschenmenge.

Die Polizei hatte das gesamte Stadtviertel um die Hamburger „Schanze“ schon mehrere Tage vor dem G20-Gipfel abgeriegelt. Nur noch Anwohner konnten ein- und ausgehen. Was dann während des Politiker-Treffens folgte, war für die Ladenbesitzer und die Bewohner jedoch jenseits aller Vorstellungen. Apotheker Khalil erklärt: „Ich liebe dieses Viertel, meine Familie ist seit Jahrzehnten hier ansässig. Wir kennen es auch, dass hier mal die Scheiben klirren während einer Demonstration, aber mit so etwas hätten wir nicht gerechnet.“ Insbesondere die Gewaltbereitschaft habe ihn erschreckt. „Das war schon neu. Die Demonstranten hier aus dem Viertel waren das nicht. Man hörte auch fast kein deutsch, sondern nur russisch oder spanisch.“

Apotheker Khalil und SPD-Politiker Martin Schulz (Foto: privat)

Bierflaschen flogen gegen die Schaufenster

In der Nacht von Freitag zu Samstag wurde Khalils Schaufensterscheibe mit mehreren Gegenständen beworfen. „Zumeist waren es Bierflaschen“, nimmt der Pharmazeut an. Medienberichte, aus denen hervorgeht, dass in seiner Offizin Pflastersteine lagen, weist der Apotheker von sich. „Das ist falsch. Die haben zwar das gesamte Straßenpflaster vor meiner Fassade ausgehoben, aber meine Scheibe wurde nicht komplett zerstört.“ Trotzdem hätten die Schaufenster nun einige Risse und mehrere Kratzer davongetragen.

Die Hamburger Landesregierung und die Bundesregierung hatten angekündigt, den Opfern der G20-Proteste ihren Schaden zu ersetzen. Khalil empfindet das Angebot der Politiker aber als „Mogelpackung“ und erklärt: „Von der Politik bekommen nur die Leute Geld, die keine Versicherung haben. Und ich habe eine Versicherung. Da ist es aber so, dass ich nach der zweiten großen Schadensmeldung gekündigt werde.“ Deswegen verzichte er zunächst darauf, den Schaden bei der Versicherung anzumelden, um sich den Versicherungsfall für schwerere Vorkommnisse „aufzubewahren“.

Martin Schulz und Apotheker reden über Zerstörungen

Viel schlimmer als seine Offizin traf es allerdings das Auto, mit dem Khalil in der Nachbarschaft Botendienste tätigt. Sowohl die Motorhaube als auch das Dach seien „komplett hinüber“, der Apotheker geht von einem Schaden von mehreren tausend Euro aus. Die Botendienste kann er trotzdem weiterhin fahren, das Auto fahre ja noch. Aber auch der Schaden am Auto ist nicht das, was Khalil nach den G20-Ausscheitungen am meisten Sorgen macht. Der Pharmazeut erklärt: „Das ganze Viertel war ja schon ab Mittwoch komplett abgeriegelt. Ich hatte eigentlich eine halbe Woche lang fast gar keine Kunden, mir fehlen fast vier Tage Umsatz, das bewegt sich im deutlich fünfstelligen Bereich.“ Weil er nicht wollte, dass seine Mitarbeiter in die Ausschreitungen geraten und ohnehin keine Kunden vor Ort waren, schickte er sie an den Wochentagen vor dem G20-Gipfel früher nach Hause.

Schulz und seine Bodyguards besuchten das Schanzenviertel

Am gestrigen Donnerstag war dann erneut und ganz plötzlich eine große Aufregung im Schanzenviertel. Denn Martin Schulz, der SPD-Kanzlerkandidat, kam mit seinen Bodyguards ins Viertel und sprach mit Anwohnern und Ladenbesitzern. Apotheker Khalil hatte kurz nach dem G20-Gipfel einen Pflasterstein vor seiner Fassade aufgesammelt, um ihn als Andenken an die Ausschreitungen aufzubewahren. Diesen Stein nahm er mit, als Schulz auf einmal vor seiner Apotheke auftauchte. Zwischen dem Apotheker und dem Spitzenpolitiker entwickelte sich ein kleines Gespräch.

Schulz soll sich schockiert gezeigt haben und den Stein als „Mordinstrument“ bezeichnet haben. Khalil wies den SPD-Politiker auf die Gewaltbereitschaft der Demonstranten hin und erklärte auch ihm, dass er den Eindruck hatte, dass nicht viele der Gewalttätigen wirklich aus Hamburg, geschweige denn aus Deutschland kamen. Khalil sagt: „Ich hatte auch kurz überlegt, ob ich mit ihm über Apothekenthemen spreche. Aber das ging einfach nicht. Unsere Heimat, unser ganzes Viertel ist zerstört, da wäre ein Gespräch über politische Themen, die uns Apotheker derzeit bewegen, nicht möglich und auch unangemessen gewesen.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Verpasste Chance !

von Frank Ebert am 14.07.2017 um 14:31 Uhr

Was für eine Gelegenheit : wenn Schulz zu mir gekommen wäre: Was wollen Sie in meiner Apotheke?, die SPD zerstört gerade Tausende. Ihre Heuchelei können Sie sich sparen. Da muss man natürlich einen Hintern in der Hose haben.

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