Digitalisierung

Verbraucherschützer warnen vor schädlichen Gesundheits-Apps

Stuttgart - 13.07.2017, 14:00 Uhr

Auch von Apps können erhebliche gesundheitliche Gefahren ausgehen, warnen Verbraucherschützer. (Foto: efired / Fotolia)

Auch von Apps können erhebliche gesundheitliche Gefahren ausgehen, warnen Verbraucherschützer. (Foto: efired / Fotolia)


Die Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen hat Gesundheits-Apps zur Linderung von Rheuma oder Rückenleiden getestet – und warnt, dass viele Apps mehr schaden als nützen können: Oft fehlten notwendige Hinweise, auch eine Wirksamkeit sei bei vielen Apps nicht belegt. Die Verbraucherschützer fordern Gesetzesänderungen.

Bei einem Test von 17 Gesundheits-Apps für Patienten mit Rheuma oder Rückenproblemen haben Experten der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (NRW) erhebliche Mängel identifiziert. So hätten Schmerzpatienten in den unübersichtlichen App-Stores „keine Chance“, geeignete von untauglichen oder gar gesundheitsschädlichen Apps zu unterscheiden, erklärt die Verbraucherzentrale in einer Pressemitteilung. „Zu dürftig sind meist die Hinweise zum Zweck, Nutzen und den Grenzen einer Anwendung und zu dünn die medizinischen Belege für Infos, Ratschläge und Empfehlungen.“

Die getesteten Apps wurden von Pharmaunternehmen, Agenturen für Pharmakommunikation, einem Arzt, einer Selbsthilfeorganisation oder sonstigen Firmen angeboten. Viele der Apps informieren über Bewegungsübungen oder bieten ein Beschwerde- und Behandlungstagebuch an. Die Tester untersuchten drei Fragen: Inwiefern raten Apps, die Patienten ansprechen, vor der Anwendung zu einem Arztbesuch? Können die Anwender erkennen, ob die App für sie gemacht ist? Und gibt es einen nachvollziehbaren Nachweis ihrer medizinischen Qualifikation?

„Bei schon vorhandenen Schmerzen droht das Risiko, dass Übungen oder Messungen mehr schaden als nützen können“, betont die Verbraucherzentrale. Sie kritisiert, dass vier der 17 Apps gar keine Zielgruppenansprache erkennen ließen, und zwei weitere sich allgemein an Personen richten, die Schmerzen vorbeugen wollen. Elf Apps sprechen Schmerzpatienten an: Fünf davon wenden sich konkret an Patienten mit einer spezifischen Diagnose wie Arthrose oder Rheuma, sechs richten ihre Infos generell an Menschen mit Rücken- und Gelenkschmerzen.

„Nach Auffassung der Verbraucherzentrale NRW müssen App-Anbieter zwingend darauf hinweisen, dass bei gesundheitlichen Problemen vorab ein Arzt hinzugezogen werden sollte“, erklären die Verbraucherschützer. Außerdem müssten die fachlichen Quellen genannt werden, auf deren Grundlage die App entwickelt wurde. „Diese Mindestkriterien erfüllen jedoch gerade mal vier der elf Apps“, kritisiert die Verbraucherzentrale. Weitere vier Apps fielen durchs Raster, weil der Hinweis auf den Arzt fehlt. „Von den restlichen sieben Apps patzten drei, weil sie keine Informationsquelle nennen“, heißt es in der Pressemitteilung. 

Verbraucherzentrale fordert schärfere Gesetze

Doch auch wenn Apps die Kriterien formal erfüllen, sei die Umsetzung sehr unterschiedlich. „Meistens wird lediglich eine Institution benannt statt fundierte, wissenschaftliche Nachweise zu liefern“, kritisieren die Tester. So nenne eine App als Referenz ein Physiotherapiecenter, eine andere eine Universität – einmal werde ein Arzt namentlich angegeben, in einem Fall eine Trainerin.

„Ganz gleich, ob beim Arztbesuch oder der Anwendung einer einschlägigen Gesundheits-App: Patienten sind auf verlässliche Informationen und Hilfe zur Klärung von Symptomen und Behandlung von Krankheiten angewiesen“, erklärt Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW. Er fordert Gesetzesänderungen: Auskunftspflichten der Anbieter müssten für die Produktbeschreibung im jeweiligen App-Store sowie in der App vorgeschrieben werden. Auch sollten Patienten vor dem Gebrauch alle relevanten Informationen zugänglich gemacht werden.

Das sei bislang noch keine gängige Praxis, kritisiert die Verbraucherzentrale – nur eine Handvoll Apps habe hinsichtlich ihres medizinischen Gehalts und Nutzens ein offizielles Zertifikat. Doch sei eine qualitative Kennzeichnung von medizinischen Gesundheits-Apps eine notwendige Voraussetzung für Anwender, um nützliche Apps zu identifizieren, erklärt die Verbraucherzentrale. „Eine fundierte und unabhängige Zertifizierung ist außerdem wichtig, damit anerkannte Apps in die Regelversorgung übernommen, vom Arzt verordnet und von der Krankenkasse bezahlt werden können.“ Eine behördliche Genehmigung von Gesundheits-Apps hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hingegen im Juni verworfen: Er setzt hingegen auf Selbstverpflichtungen der Hersteller.

Schuldzinski rät Patienten, immer zu prüfen, welchen Zweck die dargebotene App verfolgt und wer sie herausgibt – und dabei nicht zu vergessen, dass eine App nicht den Arztbesuch ersetzt. „Gesundheits-Apps, die keinen verlässlichen und medizinisch fundierten Standard auf- und nachweisen, können bei der Anwendung mehr schaden als nützen“, warnt er.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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