BAH zu Arzneimittel-Lieferengpässen

„Wir brauchen ein Engpass-Management“

Stuttgart - 06.07.2017, 10:40 Uhr

Glaubt nicht daran, dass die Pharma-Produktion nach Europa zurückgeholt werden kann: BAH-Vize-Chef Hermann Kortland. (Foto: Archivbild des BAH)

Glaubt nicht daran, dass die Pharma-Produktion nach Europa zurückgeholt werden kann: BAH-Vize-Chef Hermann Kortland. (Foto: Archivbild des BAH)


Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH), Dr. Hermann Kortland, glaubt nicht, dass sich die Lieferengpässe bei Arzneimitteln mit den bereits diskutierten Maßnahmen abstellen lassen. Insbesondere eine Rückverlagerung der Produktion nach Europa hält er für unrealistisch. Stattdessen brauche es ein „Engpass-Management“.

„Ja, es gibt Lieferengpässe bei Arzneimitteln, das ist gar keine Frage“, stellte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Dr. Hermann Kortland, gleich zu Beginn seines Vortrags vor der Vertreterversammlung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg in Stuttgart am gestrigen Mittwoch klar. Leider werde die Diskussion über die Gründe und Konsequenzen oft sehr emotional geführt. Beispielsweise werde den pharmazeutischen Unternehmen immer wieder vorgeworfen, Lieferengpässe absichtlich herbeizuführen. Das sei aber Unsinn, grundsätzlich wollten diese natürlich liefern. „Lieferengpässe wären ein völlig unsinniges Geschäftsmodell für die Hersteller“, so Kortland.

Wirkstoffe fast nur noch aus China und Indien

Die Gründe dafür, dass es immer wieder zu Lieferschwierigkeiten von pharmazeutischen Unternehmen kommt, sind laut Kortland vielfältig: eine steigende globale Nachfrage, zunehmende Komplexität der Arzneimittel, Zunahme der regulatorischen Anforderungen, Preis- und Rabattdruck sowie die fehlende Planbarkeit der bedarfsgerechten Produktion. Der Hauptgrund liegt für ihn aber in einer Konzentration der Wirkstoff- und Arzneimittelproduktion in nur zwei Ländern. Kortland geht davon aus, dass heute über 80 Prozent der in Deutschland verwendeten Wirkstoffe entweder aus China oder aus Indien stammen. Schon in den 1980er-Jahren hätten sich diese beiden Nationen das Ziel gesetzt, Weltmarktführer in der Produktion von Wirkstoffen für Humanarzneimittel zu werden. Dank staatlicher Subventionen, niedriger Lohnkosten und weitgehend fehlender Umwelt- und Sicherheitsauflagen sei dies auch gelungen. Dadurch seien zu den genannten Vorteilen noch kontinuierliche Effizienzgewinne und Skaleneffekte gekommen. „Diese beiden Länder haben inzwischen einen unschlagbaren Produktionsvorteil“, so Kortland.

Für Kortland ist es angesichts dieser Ausgangslage „völlig unrealistisch“, dass es gelingen könnte, die Produktion wieder in signifikantem Ausmaß nach Deutschland oder Europa zurückzuholen. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt beispielsweise hat kürzlich auf der Mitgliederversammlung des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (bpi) gefordert, Anreize für eine Arzneimittelproduktion in Europa zu schaffen. Und auch der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich hatte dies empfohlen. Hennrich und Schmidt dachten bei einer Veranstaltung der Gehe laut darüber nach, dass es europäische Überwachungsbehörden und vielleicht sogar europäische Preise geben sollte.



Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

BAH zu Arzneimittel-Lieferengpässen

„Wir brauchen ein Engpass-Management“

Unionsfraktion: Arzneimittel sollen zukünftig zum Teil in der EU produziert werden

Rabattverträge ja, Exklusivität nein

Was tun gegen Lieferengpässe?

BPI: Bevorratung ist nationale Aufgabe

Rabattverträge: Spahn will Vergaberecht ändern

Europäische Lösung

Positionspapier zur Corona-Pandemie

BAH: Arzneimittelhersteller sind systemrelevant

Störungen in Arzneimittellieferketten sind ein Teil des Problems

Wie es zu Engpässen kommen kann

Geplantes Gesetz gegen Lieferengpässe

Pharmaverbände: Kostendruck für alle Generika senken!

1 Kommentar

Engpässe

von Dr,Diefenbach am 07.07.2017 um 10:51 Uhr

Das sind alles erstaunlich neue Erkenntnisse,vom HAV bereits vor Jahren(!) im Ministerium vorgetragen.Nur wollte es keiner wahrhaben.Vor allem nicht,dass die Misere immer schlimmer wird.Und Großkonzerne sind nicht mal imstande eine Versorgung mit Antihistaminika Spritzen zu gewährleisten.Aber dass die Beispielpalette riesig ist,weiß jeder.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.