Großhändler

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Harvoni-Fälschung

Stuttgart - 06.07.2017, 07:00 Uhr

Die Tabletten aus den gefälschten Harvoni-Packungen sind weiß statt orange, enthalten aber die Wirkstoffe in Originalkonzentration. (Foto: BfArM)

Die Tabletten aus den gefälschten Harvoni-Packungen sind weiß statt orange, enthalten aber die Wirkstoffe in Originalkonzentration. (Foto: BfArM)


Inzwischen wird klarer, wie die gefälschten Harvoni-Packungen in deutsche Apotheken gelangt sind: Ein niederländischer Großhändler hat sie offenbar bei einem Kollegen aus Portugal eingekauft. Da beide Großhändler nach Informationen des Bundesgesundheitsministeriums nicht im Besitz einer Großhandelserlaubnis waren und dennoch ein deutscher Großhändler die Präparate bezog, wurde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Vier Tage, nachdem weiße statt orangene Tabletten des Hepatitis-C-Mittels Harvoni® in einer Apotheke in Dortmund zurückgegeben wurden, erklärte das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium: Die Tabletten kamen aus den Niederlanden. Wie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf Nachfrage gegenüber DAZ.online erklärte, hatte der niederländische Großhändler sie aus Portugal eingekauft – und beide haben offenbar gegen Regeln verstoßen. „Sowohl der Großhändler in Portugal als auch der in den Niederlanden war nicht im Besitz einer hierfür benötigten Erlaubnis“, erklärte eine Sprecherin von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).

Doch damit hat der importierende Großhändler, der in Berlin ansässig sein soll, womöglich gegen die Gesetze verstoßen. „Arzneimittel dürfen nur von zur Abgabe von Arzneimitteln berechtigten Betrieben erworben werden“, erklärt die BMG-Sprecherin. „Soweit die Arzneimittel von einem Großhändler bezogen werden, hat sich der Empfänger von dessen Einhaltung der Guten Vertriebspraxis zu überzeugen.“

Das Haus von Gröhe ist selber nicht direkt in die Ermittlungen involviert, auch müssen mögliche Maßnahmen gegen Verstöße von den Landesbehörden geprüft werden. „Nach hiesigen Informationen ist die Staatsanwaltschaft eingeschaltet“, erklärt die Sprecherin.

Von dem Fälschungsfall seien nach Informationen ihres Hauses 23 Packungen Harvoni® betroffen, die über den Vertriebsweg Portugal-Holland bezogen wurden. „Diese wurden zwischen Anfang und Mitte Mai 2017 an einen Großhändler weiterverkauft“, erklärt die Pressesprecherin. Am 2. Juni 2017 wurde die Charge mit der Bezeichnung 16SFC021D schließlich auf Patientenebene zurückgerufen.

Gefälschte Packungen enthielten Tabletten mit Wirkstoff

Da die deutsche Niederlassung des Harvoni®-Herstellers Gilead in Martinsried bei München ansässig ist, hat die Regierung von Oberbayern die Ermittlungen zu dem Fälschungsfall übernommen. Klar ist, dass er für die Patienten vergleichsweise glimpflich ausging – denn die Tabletten erhielten die Wirkstoffe in richtiger Menge. „Die untersuchte Probe entspricht für beide Wirkstoffe hinsichtlich der Identität und des Gehalts den spezifizierten Vorgaben“, hatte eine Regierungssprecherin in Bezug auf das endgültige Untersuchungsergebnis gegenüber DAZ.online erklärt.

Offenbar handelt es sich um Tabletten, die für den nicht-europäischen Markt hergestellt und von Gilead günstiger verkauft wurden. Bei den Verpackungen handelt es sich hingegen dennoch offenbar um Fälschungen – nicht nur da die Farbe nicht den in Europa vertriebenen Tabletten entspricht. „Hinsichtlich der Verpackung wurden Unterschiede zur Originalverpackung des Herstellers eindeutig festgestellt“, erklärte die Pressesprecherin. Gilead Deutschland hatte zuvor gegenüber DAZ.online erklärt, dass die Packungen minimal in Farbe und Schriftgröße sowie Zeilenabstand von den Originalen abweichen. Wer die Verpackungen entworfen hat und wo sie herkommen, ist aber bislang völlig unklar.

Der US-Konzern Gilead beantwortete jedoch mehrere Fragen trotz Nachfragen bislang nicht. „Ich kann bekräftigen, dass Gilead weiterhin eng mit der Zulassungsbehörde (BfArM), den lokalen Überwachungsbehörden sowie der Europäischen Arzneimittelagentur zusammenarbeitet, um das Ausmaß des Fälschungsfalls zu bestimmen“, hatte eine Sprecherin nur allgemein geschrieben. Und: „Die Ermittlungen dauern an.”



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Arzneimittelfälschungen

von Heiko Barz am 06.07.2017 um 10:41 Uhr

Wir benutzen in Deutschland aus gutem Grund rechtlich festgelegte Vertriebswege für Arzneimittel.
Jedes Mitglied dieser Verteilungskette ist dokumentenpflichtig und kann dadurch auf sein rechtmäßiges Handeln hin überprüft werden. Das hat etwas mit unserer überaus wichtigen und anerkannten Arzneimmittelsicherheit zu tun.
Auch dieses Faktum sollten sich all die verblendeten und versandhandelsorgiastischen Politiker mal vor Augen führen.
Wenn, wie oben beschrieben, der "Faden" erst mal reißt, dann stehen die Einfallstore für Arzneimittelmatsch sperrangelweit offen, ade du wohlbehütete Arznemittelsicherheit.
Wird bei dieser irrationalen Diskussion der krankenkassenzahlende Patient einfach mal ganz vergessen?
Auch das sollte sich der Herr Lietsch von der "Gesundheitskasse" im Namen seiner Schutzbefohlenen einmal überdenken, bevor er profilneurotisch einwandfrei funktionierende deutsche Versorgungssysteme aus niedrigsten merkantilen Gründen und unter peinlicher Missachtung aller überaus gut ausgebildeten Versorger an die Wand fahren will.

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