Berufsanerkennung

Der Flickenteppich der Fachsprachenprüfungen

Stuttgart - 05.07.2017, 15:45 Uhr

Der syrische Pharmazeut Mohammad Alsaied aus Homs beim Praktikum in der Mohren-Apotheke in brandenburgischen Jüterbog. (Fotos: Josefine Sack)

Der syrische Pharmazeut Mohammad Alsaied aus Homs beim Praktikum in der Mohren-Apotheke in brandenburgischen Jüterbog. (Fotos: Josefine Sack)


Auf dem Weg zur deutschen Berufsanerkennung steht für ausländische Apotheker der Erwerb der Sprachkenntnisse. Nach einem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz werden jetzt fast im ganzen Bundesgebiet Fachsprachenprüfungen angeboten – doch sowohl bei den Zuständigkeiten als auch bei den Kosten und Erfolgsquoten gibt es große Unterschiede.

„Mit offenen Armen“ begrüßen deutsche Apotheker Kollegen aus dem Ausland, die statt im Heimatland nun in deutschen Offizinen arbeiten wollen, heißt es in der aktuellen Ausgabe der Apotheken-Umschau: So wie der Syrer Farid Dawd, der sich zur Flucht entschloss, als er eine Terrormiliz mit Arzneimitteln ausstatten sollte – und seit 2014 in Deutschland lebt. Wie ihm der Apotheker Markus Reiz aus dem nordrhein-westfälischen Bornheim eine Chance gab, so engagieren sich derzeit viele Pharmazeuten, Kollegen aus dem Ausland aufzunehmen. Doch leicht ist dies nicht, denn es gilt viele Regularien zu beachten. „Es war ernüchternd, dass mir keiner Auskunft geben konnte“, erklärte Reiz gegenüber der „Umschau“.

Neben der Kenntnisprüfung, mit dem das pharmazeutische Wissen abgefragt wird, sollen nach einem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz von Juni 2014 ausländische Apotheker auch Fachsprachenkenntnisse in einer Prüfung nachweisen – wie es auch Dawd gelang, der vom Apothekerverband Nordrhein mit dem „Nachwuchspreis öffentliche Apotheke“ ausgezeichnet wurde. Apotheker müssen hinsichtlich des allgemeinen Sprachniveaus über die Kenntnisse auf dem Level B2 der deutschen Sprache verfügen. In der Fachsprache ist für eine umfassende Tätigkeit als Apotheker das Level C1 gemäß dem europäischen Referenzrahmen erforderlich: Pharmazeuten müssen sich spontan und fließend ausdrücken können, um Patienten und Kunden sowie Ärzte über Arzneimittel, arzneimittelbezogene Probleme und etwaige Risiken hinreichend informieren und beraten können.

„Sie müssen sich mit den Angehörigen des pharmazeutischen Personals und anderen Teilnehmern des Apothekenbetriebes so verständigen können, dass wechselseitig Missverständnisse ausgeschlossen sind“, erklärten die deutschen Gesundheitsminister. „Verschreibungen müssen von ihnen fehlerfrei verstanden und ausgeführt werden können, bei Unklarheiten muss eine Verständigung mit dem Verschreibenden wechselseitig ohne große Mühe möglich sein.“

Teils ist das Thema Fachsprachenprüfungen für ausländische Pharmazeuten wie auch die deutschen Apotheker, die die Kollegen gerne in ihrer Offizin beschäftigen müssen, nämlich ein sehr ärgerliches Thema. So für Ralf Sommer von der Rats-Apotheke im hessischen Michelstadt: Er wollte mit seiner Ehefrau, die die Apotheke betreibt, eine italienische Apothekerin einstellen, um den gestiegenen Personalaufwand in der Apotheke decken. Doch ein privater Anbieter, der für die Fachsprachenprüfungen zuständig war, bot zunächst offenbar keinen Termin an – Sommer befürchtete, dass er die Pharmazeutin zurückschicken müsste. „Wir werden uns durchbeißen“, erklärte er vor einigen Wochen gegenüber DAZ.online.

Nach Informationen von DAZ.online prüft derzeit die zuständige Behörde mehrere Beschwerden gegen den Anbieter. Sommers hatten zwischenzeitlich Erfolg: Nach einigem Protest fand sich eine Möglichkeit, die Prüfung abzulegen, derweil macht die Pharmazeutin ein Betriebspraktikum.

Teils große Unterschiede zwischen den Bundesländern

Nach Recherchen von DAZ.online gibt es erhebliche Unterschiede. Für Aufklärung sorgen könnte die ABDA, die bei allen Kammern Daten abgefragt habe – doch diese seien „nur für den internen Gebrauch vorgesehen“, wie ein Sprecher erklärt. „Unbenommen davon können Sie natürlich gerne auch einzelne Landesapothekerkammern dazu anfragen“, betonte er – was DAZ.online bei allen 17 Kammern getan hat.

Die Prüfungen sollten überall gleich ablaufen, die Bundesapothekerkammer hat hierzu einen Leitfaden erarbeitet. Nachdem der Prüfling über den Ablauf der dreiteiligen Prüfung aufgeklärt wurde, erhält er eine Fachinformation samt Originalverpackung – und soll sich anschließend sowohl mit einem simulierten Patienten über das Arzneimittel unterhalten. Auch Gespräche mit Ärzten oder Kollegen sind Teil der einstündigen Prüfung. Dabei geht es rein um die sprachlichen Fähigkeiten und die Fragen, ob der Prüfling Begriffe wie Hypothyreose oder Suppositorien kennt und beispielsweise die Abkürzungen für Milliliter und Messlöffel eindeutig auseinanderhält. Unerheblich ist, inwiefern die Beratung pharmazeutisch korrekt ist – hierzu gibt es die Kenntnisprüfung.

Doch Unterschiede beginnen nicht erst bei der Frage, wer für die Prüfungen zuständig ist. Während beispielsweise in Bremen die Landesapothekerkammer bereits im Februar 2015 diese Aufgabe erhalten hat und die erste Prüfung im November des Jahres abgenommen wurde, ist dies in Hessen und Bayern erst seit kurzem der Fall. Gleichzeitig gibt es in einigen Bundesländern mehrere Anbieter, die Prüfungen abnehmen können – oder in einem gar keinen: Denn in Thüringen will die Kammer die Prüfungen zwar gerne abnehmen, wovon das zuständige Ministerium offenbar seit zwei Jahren weiß – doch passiert ist seitdem praktisch nichts.

Prüfung durchHäufigkeitKosten in EURErfolgs-quote
Baden-Württemberg Kammer zweimal monatlich 250 73%
Bayern Kammer monatlich 400
Berlin Kammer zweimal monatlich 375 80%
Brandenburg Kammer quartalsweise + auf Anfrage unbekannt geheim
Bremen Kammer alle 1-2 Monate 350 78%
Hamburg Kammer monatlich 250 80%
Hessen Kammer oder Anbieter 125
Mecklenburg-Vorpommern Kammer quartalsweise 300 66%
Niedersachsen Kammer monatlich 200 88%
Nordrhein Kammer alle 14 bis 21 tage 375 90%
Rheinland-Pfalz Kammer März und September + Ausnahmefälle 250 82%
Saarland Kammer & Partner nach Bedarf 238 97%
Sachsen Kammer nach Bedarf unbekannt 81%
Sachsen-Anhalt Kammer halbjährlich + auf Anfrage unbekannt geheim
Schleswig-Holstein Kammer Nach Bedarf 600 88%
Thüringen niemand keine
Westfalen-Lippe Kammer monatlich 375 88%  

Auch bei der Frage, wie häufig die Prüfungen angeboten werden – und was sie kosten – gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Während in Rheinland-Pfalz oder Sachsen-Anhalt Prüfungen im Normalfall nur halbjährlich abgenommen werden, ist es in Baden-Württemberg, Berlin oder dem Kammerbezirk Nordrhein teils sogar zweimal pro Monat der Fall. In Hessen sind dafür nur 125 Euro zu leisten, in Schleswig-Holstein jedoch 600 Euro. In vielen – aber nicht allen – Fällen werden die Kosten von der zuständigen Arbeitsagentur übernommen.

Wie sehen die Erfolgsquoten in den Kammerbezirken aus?

Auch die Erfolgschancen variieren erheblich: Während nach DAZ.online-Berechnungen im Kammerbezirk Nordrhein 90 Prozent der Prüfungen für die Prüflinge glücklich enden, hat im Saarland sogar nur einer der 33 bis Mai 2017 geprüften ausländischen Pharmazeuten nicht bestanden. In Mecklenburg-Vorpommern sind hingegen im Jahr 2016 zwei von sechs Prüflingen durchgefallen. Die Landesapothekerkammer Brandenburg wollte die Erfolgsquote nicht nennen, um „Prüfungstourismus“ vorzubeugen – und die Kammer Sachsen-Anhalt beantwortete auch andere Punkte nur sehr zurückhaltend.

Erhebliche Unterschiede gibt es auch bei der Frage, inwiefern vorbereitende Kurse in den einzelnen Bundesländern angeboten werden – was vielfach nicht der Fall ist. In einigen Ländern wie auch im Kammerbezirk Nordrhein gibt es einzelne private Anbieter, im Kammerbezirk Westfalen-Lippe macht das die Ruhr-Universität Bochum. In Sachsen können Ausländer sich in der „Kulturakademie Dresden“ fortbilden lassen, im Saarland übernimmt auch eine niedergelassene Apothekerin diese Aufgabe. Die Landesapothekerkammer Niedersachsen ist derzeit noch in Gesprächen mit verschiedenen Anbietern und will zusammen mit ihnen ein geeignetes Curriculum entwickeln.

Der eingangs erwähnte Ehepaar Sommer schaltete am Ende sogar die Europäische Kommission ein – denn ihrer Einschätzung nach gibt es teilweise eklatante Benachteiligungen von Ausländern aus EU-Staaten gegenüber Pharmazeuten, die aus anderen Regionen der Welt kommen. Dies betrifft die Frage, ob eine eingeschränkte Berufserlaubnis schon nach Ablegen der allgemeinen Deutschprüfung – und vor Ablegen der Fachsprachenprüfung – erteilt wird. Eine Sprecherin der EU-Kommission bestätigte gegenüber DAZ.online, dass der Fall seit April dieses Jahres geprüft wird.

Und auch bei diesem Thema gibt es wiederum erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern: Während beispielsweise in Bayern oder Niedersachsen nie eine eingeschränkte Berufserlaubnis vor Ablegen der Fachsprachenprüfung erteilt wird, ist dies in Bremen oder Nordrhein-Westfalen regelmäßig der Fall. In Sachsen dürfen ausländische Pharmazeuten nach Auskunft der Landesapothekerkammer hingegen nicht einmal ein Praktikum absolvieren. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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