Großbritannien

Apotheker verbessern Therapietreue erheblich

Stuttgart - 29.06.2017, 16:45 Uhr

Eine Vertreterin der Royal Pharmaceutical Society fordert mehr Geld für die Beratung von Patienten. (Foto: DAZ.online)

Eine Vertreterin der Royal Pharmaceutical Society fordert mehr Geld für die Beratung von Patienten. (Foto: DAZ.online)


In Großbritannien hat ein Patienten-Support Programm zu einer deutlichen Verbesserung der Adhärenz in der Diabetes-Therapie geführt. Die Unterstützung durch die Apotheker verbesserte die Therapietreue um bis zu 61 Prozent. Sie können also wichtige Motivatoren für die Patienten sein.

Bestes Preis-Leistungs-Verhältnis

Die Leiterin Politik und Praxis für England bei der Royal Pharmaceutical Society, Heidi Wright, glaubt, dass die Apotheker sich noch erheblich mehr bei der Verbesserung der Therapietreue einbringen könnten. „Wir wissen, dass die Hälfte der Patienten ihre Medikamente nicht wie beabsichtigt einnimmt“, berichtet Wright. „Apotheker könnten eine große Rolle dabei spielen, diese Situation zu verbessern und damit für den National Health Service das beste Preis-Leistungs-Verhältnis aus diesen Arzneimitteln herauszuholen.

Hierfür müssten die Pharmazeuten aber erheblich mehr Zeit in die Patientenkontakte investieren. In der öffentlichen Apotheke sei die Zeit begrenzt, und man müsse bei der Betreuung der Patienten Prioritäten setzen, fügt Wright an. Sie fordert deshalb, dafür zusätzliche Finanzmittel bereit zu stellen.   

MUR und NMS sollen die Therapietreue verbessern

Schon jetzt haben die Apotheker in England im Rahmen ihrer erweiterten Dienstleistungen (Advanced Services) ein paar Instrumente an der Hand, mit denen sie den Patienten zur Erhöhung der Therapietreue mehr Zeit als üblich widmen können, wie etwa den Medicines Use Review (MUR).

Im Rahmen dieses Services machen eigens hierzu akkreditierte Apotheker strukturierte Adhärenz-fokussierte Medikationsanalysen bei Patienten mit multiplen Verordnungen, besonders für chronische Erkrankungen. Um die Patienten zu ermitteln, die den Service bekommen sollen, wurden nationale Zielgruppen vereinbart.

Jedes Jahr 300 Millionen Pfund verschwendet

Ein anderer „Advanced Service“ ist der New Medicine Service (NMS). Dieser konzentriert sich auf Patienten, denen für eine chronische Erkrankung ein neues Arzneimittel verschrieben wird. Seit der Einführung des NMS im Oktober 2011 haben mehr als 90 Prozent der öffentlichen Apotheker diesen Service gegenüber den Patienten erbracht. 

Leyla Hannbeck, Pharmazie-Direktorin bei der National Pharmacy Association, kann sich vorstellen, dass die Apotheker auch in anderen Bereichen des NHS sparen helfen könnten, etwa wenn es darum geht, Krankenhauseinweisungen wegen der Verschlechterung chronischer Krankheiten zu reduzieren. Von der Vermeidung von Arzneimittelabfällen ganz zu schweigen. Nach einem Bericht aus dem Jahr 2010 sollen jedes Jahr zulasten des NHS England verschriebene Medikamente im Wert von 300 Millionen Pfund verschwendet werden

Davon werden Präparate im Wert von schätzungsweise 90 Millionen Pfund ungenutzt bei den Patienten zu Hause aufbewahrt. Mittel im Gegenwert von 110 Millionen Pfund werden über das Jahr in die öffentlichen Apotheken zurückgebracht. Außerdem entsorgen Pflegeeinrichtungen ungenutzte Medikamente, die den NHS weitere 50 Millionen Pfund kosten.

Insgesamt 211 Diabetiker haben in Großbritannien im Rahmen eines Patienten-Support Programms eine sechsmonatige Compliance-Studie absolviert. Die Teilnehmer waren ausgesucht worden, weil sie ihre benötigten Medikamente nicht in der Apotheke abgeholt hatten. Die säumigen Patienten wurden von Apothekern über ein Callcenter betreut, die die Patienten per Telefon oder schriftlich kontaktierten. Die Pharmazeuten waren vorher in Fähigkeiten ausgebildet worden, bei anderen Verhaltensänderungen zu bewirken, einschließlich einer motivierenden Gesprächsführung (Motivational Interviewing).

Die Gruppe, die zu Beginn der Studie am wenigsten adhärent war – häufig wegen falscher Vorstellungen über die negativen Folgen der Einnahme des Medikamentes – besserte sich am meisten, und zwar von rund 33 auf 95 Prozent. Gemessen wurde der Erfolg an dem Verhältnis der Tage, die durch die dispensierten Arzneimittel abgedeckt waren.  

Apotheker in der idealen Position

„Das Ziel war, den Patienten besser zu erklären, wie und wann sie ihre Medikamente nehmen müssen, warum ein Medikament ihnen etwas bringt, Mythen zu zerstreuen und ihre Sorgen besser zu adressieren“, erläutert Laura Southall, Service Design Managerin für Arzneimitteladhärenz und Patienten-Support bei Celesio. Das Unternehmen hat die Studie zusammen mit Merck Sharp & Dohme (MSD) durchgeführt. „Wir wollten eine zielgerichtete Unterstützung, angepasst an die individuellen Bedürfnisse der Patienten.“ Ihrer Meinung nach sind die Apotheker in einer idealen Position, um diese Aufgabe zu erfüllen.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Therapietreue auf Englisch

von Stefan Gal am 02.08.2017 um 19:12 Uhr

Nicht alles ist bad an UK! Wieder ein gutes Beispiel um die Menschen zu schützen. Im deutschen Gesundheitswesen hingegen heisst es ganz offiziel: "Medikamenten-Einnahme liegt in der Eigenverantwortung der Patienten".

Was aber, wenn jemand nicht in der Lage ist seine Tabletten genau nach ärztlicher Verordnung zu nehmen? Weil täglich 5-6 Dosierungen mit mehr als 20 unterschiedlichen Tabletten (Bundesdurchschnitt bei über 65-jährigen!) von niemandem ohne zusätzliche Gedächtnisunterstützung fehlerfrei zu bewältigen ist.

Das Ergebnis der Verantwortungsübergabe seitens deutscher Gesundheitskassen: jährlich über 30.000 Tote wegen Fehlmedikation.

Wie es besser geht, wie man Menschenleben rettet, wie man fatale Auswirkungen schlechter Eigenmedikation drastisch reduziert und wie man dabei auch noch Milliarden im Gesundheitssystem sparen kann, zeigt das Beispiel des National Health Service in England. Seit 2012 wurden tausende Menschenleben gerettet und geschätzt 850 Millionen Pfund gespart.

Wie?

Mit dem Careousel Advance automatischen Tablettenspender. Damit sind Überdosierungen, Verwechslungen oder das Vergessen von Medikamenten nicht möglich. Nur das richtige Medikament wird zum richtigen Zeitpunkt zur Einnahme bereit gestellt.

Mehr Infos: www.therapietreue.info

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