Nach dem AMVSG

Streit um Exklusivität von Impfstoff-Verträgen

Berlin - 28.06.2017, 17:05 Uhr

Die Bestellungen für Grippeimpfstoffe laufen. Doch was sollen die Ärzte aus den Apotheken ordern? (Foto: Eisenhans / Fotolia)

Die Bestellungen für Grippeimpfstoffe laufen. Doch was sollen die Ärzte aus den Apotheken ordern? (Foto: Eisenhans / Fotolia)


Schon wieder muss das Bundesgesundheitsministerium erklären, wie es um die Exklusivität von Verträgen bestellt ist, deren Rechtsgrundlage mit dem AMVSG gestrichen wurde. Nach den Zyto-Verträgen sind es nun die Impfstoff-Rabattverträge. Denn soweit Arztpraxen diese nicht schon in den Apotheken bestellt haben, steht jetzt die Bevorratung mit Grippe-Impfstoffen für die nächste Saison an. Doch welche Vakzine dürfen sie ordern? 

Mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) hat der Gesetzgeber die Rechtsgrundlage für die Ausschreibung von exklusiven Rabattverträgen über Grippeimpfstoffe abgeschafft (§ 132e Absatz 2 SGB V in der Fassung bis zum 12. Mai 2017). Begründet wurde dies mit dem mittlerweile kleinen Anbieter-Markt und der komplexen Herstellung der Vakzine. Ausschreibungen gingen mit Unwägbarkeiten einher, die zu Unsicherheiten in der Versorgung und Lieferproblemen führen könnten. In der Gesetzesbegründung heißt es zudem, bestehende Rabattverträge könnten nicht verlängert werden.

Doch was bedeutet das für Rabattverträge, die noch regulär laufen? Es gibt Verträge, die erstrecken sich sogar bis in die Saison 2018/2019, beispielsweise die der AOK Plus in Sachsen und Thüringen. Sollen die Ärzte sich nun an diese Verträge halten – oder steht es ganz in ihrem therapeutischen Ermessen, welchen Impfstoff sie nehmen? Sie könnten dann etwa auch Vierfach-Impfstoffe verwenden, für die keine einzige Krankenkasse Rabattverträge geschlossen hat.

Bereits im März hatten die CDU-Bundestagsabgeordnete Maria Michalk und das Bundesgesundheitsministerium klargestellt, dass die Kassen ab Inkrafttreten des AMVS wieder alle verordneten Impfstoffe erstatten müssen. Jedenfalls, soweit die Leistung im Rahmen der Schutzimpfungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses erfolgt. 

KVen raten zum Rabatt-Impfstoff

Doch die aktuellen Informationen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) zur anstehenden Grippesaison klingen ganz anders. In den Regionen, in denen die Kassen Rabattverträge über Grippeimpfstoffe geschlossen haben – das sind alle Bundesländer mit Ausnahme von Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Hessen – empfehlen die KVen den Ärzten, weiterhin Rabatt-Impfstoffe zu bestellen. Meist unter Hinweis auf die Kassen, die Vertragsärzte weiterhin verpflichtet sehen, Rabatt-Impfstoffe zu verwenden, sowie auf das Wirtschaftlichkeitsgebot. Wobei im medizinisch begründeten Einzelfall auch nicht rabattierte Wirkstoffe genutzt werden könnten.

„Wir sehen derzeit keinen Grund, diesen Aussagen der Krankenkassen zu widersprechen“, heißt es etwa in einem Schreiben der KV Bayerns (KVB) an die Ärzte. Das heißt: Es gibt für den nächsten Winter für die meisten GKV-Versicherten wieder Dreifach-Impfstoff, obwohl dieser in der vergangenen Saison nicht optimal war. Allerdings schreibt die KVB weiter, dass es derzeit keine belegbaren Daten gebe, „ob oder inwieweit ein besserer Schutz durch den tetravalenten Impfstoff erreicht worden wäre, welcher als vierte Komponente einen zusätzlichen B-Stamm (…) beinhaltet“. Denn laut Robert Koch Institut wurden „Influenza B-Viren nur vereinzelt nachgewiesen und spielten in 2016/17 keine Rolle“.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

Sie könnten dann etwa auch Vierfachimpfstoffe verwenden?

von Michael Mischer am 29.06.2017 um 8:54 Uhr

Das könnten die Ärzte vielleicht, es wäre ihnen aber nicht zu empfehlen.

Die StiKo schreibt in den FAQ zur aktuell geltenden Influenza-Impfempfehlung zur Frage, ob ein 3-fach oder ein 4-fach Impfstoff verwendet werden sollte:
"Die STIKO empfiehlt keine präferen­tielle Ver­wendung einer bestimmten Impf­stoff­klasse oder eines bestimmten Impf­stoff-Produkts!"
Sie begründet das damit, dass tetravalente Impfstofe zwar dann Vorteile haben könnten, wenn zwei B-Stämme oder ein B-Stamm, der im trivalenten Imfpstoff fehlt, dominieren, dies aber nicht in jeder Saison der Fall sei. Zum Zeitpunkt der Impfung ist das auch noch nicht sicher abzusehen. (http://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Impfen/Influenza/faq_ges.html)

GKV-Versicherte haben Anspruch auf eine angemessene Versorgung - würde die StiKo einen Impfstoff als schlechter einstufen, wäre dieser keine angemessene Versorgung. Da die StiKo jedoch keine Empfehlung ausspricht, sind die tri- und tetravalente Impfstoffe als gleichwertig anzusehen.

Und von zwei gleichwertigen Leistungen hat der Arzt dann die kostengünstigere zu verwenden - das sog. Wirtschaftlichkeitsprinzip. Insofern wäre die generelle Verorodung eines tetravalenten Impfstoff die Aufforderung zum Regress. Das müsste ein Arzt gut begründen können.

Insofern decken sich unsere Ärzte weiter mit dem trivalenten Impfstoff ein - und nach den Erfahrungen mit der BMG-Interpretation zu den Zytostatika-Verträgen und der anders lautenden Gerichtsentscheidung, über die die DAZ berichtete, kann ich meinen Ärzte auch nicht empfehlen, die Verträge zu ingorieren.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Offenlegung der Rabattverträge?

von KVogel am 29.06.2017 um 10:46 Uhr

Solange die Krankenkassen ihre Rabattverträge nicht offen legen, kann eigentlich niemand wissen, ob der rabattierte Impfstoff tatsächlich der günstigste ist. Laut Taxe gibt es deutlich günstigere als das für die AOK BW im Rabattvertrag befindliche Influvac - einschließlich der tetravalenten Variante.

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