Apothekerkammer Schleswig-Holstein

„Personalmangel wird Sargnagel der Apotheken“

Kiel - 23.06.2017, 11:00 Uhr

Sorgen um den Nachwuchs: Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Gerd Ehemen und seine Kammer hinterfragen, ob es in Zukunft noch genügend junge Apotheker geben wird, die eine Offizin auf dem Land eröffnen. (Foto: tmb)

Sorgen um den Nachwuchs: Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Gerd Ehemen und seine Kammer hinterfragen, ob es in Zukunft noch genügend junge Apotheker geben wird, die eine Offizin auf dem Land eröffnen. (Foto: tmb)


Die Apotheker in Schleswig-Holstein sorgen sich zutiefst um langfristige Nachwuchsprobleme. Währenddessen beschäftigen sich die Medien im Land mit der Ankündigung der neuen Koalition, die Cannabis-Freigabe prüfen zu wollen.

Die neue „Jamaika-Koalition“ für Schleswig-Holstein kündigt in ihrer Koalitionsvereinbarung an, die „Möglichkeit zur kontrollierten Freigabe von Cannabis zu prüfen“. Bei der Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am Mittwoch in Kiel machte Kammerpräsident Gerd Ehmen auf das große Interesse der Medien an diesem Thema aufmerksam. Am selben Tag erschien dazu ein Titelbeitrag in den „Kieler Nachrichten“. Auch SAT1 und der NDR hätten bei der Kammer angefragt. Doch derzeit sei nicht bekannt, was sich die neue Landesregierung vorstelle und ob die Abgabe in Apotheken erfolgen solle. Inhaltlich nahm Ehmen nicht zu der Idee Stellung. Er erinnerte jedoch daran, dass vor etwa zwanzig Jahren ein solcher Plan der damaligen Landesgesundheitsministerin Heide Moser gescheitert sei.

Komplexität der Arzneimittelversorgung

In seinem Bericht erklärte Ehmen, die Sinnhaftigkeit der Verordnung und die richtige Anwendung von Arzneimitteln seien wichtiger als Rabatte und Boni. Daher warnte Ehmen vor systemzerstörenden Entwicklungen, aber systemverändernde Maßnahmen sollten möglich sein. Die Digitalisierung könne sinnvoll sein. Die ABDA habe verstanden, dass die Apotheker sich dort einbringen müssten, um nicht zum Spielball der anderen zu werden. Die heilberufliche Tätigkeit der Apotheker werde von den Patienten geschätzt, aber im Wettbewerb werde ein Arzneimittelmarkt von 40 Milliarden Euro gesehen. Diese Komplexität gelte es den Politikern zu vermitteln. „Es geht dabei nie nur um einen Aspekt“, erklärte Ehmen.

Hauptsorge Personalmangel

 Die weitaus größte Diskussion in der Kammerversammlung betraf den Nachwuchsmangel. Jaschkowski berichtete, die Zahl der neuen PKA-Ausbildungsverträge im Land sei von früher 120 auf jetzt 40 bis 50 pro Jahr zurückgegangen. Bei den PTA-Schülern nehme die Abbrecherquote zu. Aus PTA-Schulen sei zu hören, dass die Zahl der Bewerber zurückgehen werde, wenn die Anforderungen nicht gesenkt würden. Der Delegierte Dr. Kai Christiansen beklagte, dass im Norden des Landes praktisch keine PKA mehr ausgebildet werden können, nachdem in Flensburg keine neue Berufsschulklasse mehr beginne.

Gute Testergebnisse der Apotheker

Nach Einschätzung des Landapothekers Christiansen ist der Personalmangel der „Sargnagel“ für die Apotheken. „Der Personalmangel wird uns umbringen“, fürchtet Christiansen. In fünf Jahren würden Apotheken nicht nur geschlossen, wenn es keinen Nachfolger gibt, sondern auch wenn ein junger Apotheker keine PTA mehr findet. Das sei aus seiner Sicht viel gefährlicher als Rabatte ausländischer Versender. Als Ursache für den Personalmangel machten die Delegierten auch das Jammern der Apotheker über ihre Zukunftsaussichten aus. Ehmen beklagte, die Apothekenberufe seien in der Öffentlichkeit und sogar bei den Arbeitsagenturen zu wenig bekannt. Letztlich bestand Konsens, dass Kammern, Verbände und die einzelnen Apotheken mehr um Nachwuchs werben müssten. Neben Berufsmessen böten sich dazu auch die Internetseiten der Apotheken an.

Ziemlich gute Testergebnisse

Jaschkowski berichtete über 307 Testkäufe der Apothekerkammer Schleswig-Holstein im Jahr 2016. Die Ergebnisse beim Szenario „Pille danach“ seien „ziemlich gut“. Dort hätten in zwei Drittel der Fälle Approbierte beraten. Die Testerinnen hätten zwei Drittel dieser Beratungen als „umfassend und angemessen“ eingestuft. Bei einem Präparatewunsch zur Indikation Heuschnupfen seien nur 30 Prozent der Beratungen so positiv bewertet worden. Insbesondere die Grenzen der Selbstmedikation seien kaum abgefragt worden, was allerdings bei einem bekannten Heuschnupfen nachvollziehbar sei. Außerdem verabschiedete die Kammerversammlung Änderungen der QMS-Satzung, insbesondere um die DIN EN ISO 9001 in der Fassung von 2015 zu berücksichtigen.

Renten und Anwartschaften erhöht

Dr. Stefan Zerres, Justitiar der Kammer und Geschäftsführer der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein, legte einen erfreulichen Jahresabschluss 2016 vor, bei dem das Versorgungswerk insbesondere von steigenden Aktienkursen profitiert habe. Daraufhin folgte die Kammerversammlung der vorgelegten Beschlussvorlage und erhöhte die Renten um 1 Prozent und die Anwartschaften um 1,2 Prozent. Doch Zerres betonte, dass die Senkung des Rechnungszinses auf 2 Prozent ab Anfang 2017 richtig gewesen sei, um niedrigen Zinsen und Ausfallrisiken bei Kapitalanlagen zu begegnen.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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