Mitgliederversammlung des bpi

Schmidt fordert Anti-Retax-Kultur mit den Krankenkassen

Hamburg - 21.06.2017, 07:00 Uhr

Neue Zusammenarbeit: ABDA-Präsident Friedemann Schmidt beteiligte sich am gestrigen Dienstag an einer Podiumsdiskussion beim BPI. (Foto: Külker)

Neue Zusammenarbeit: ABDA-Präsident Friedemann Schmidt beteiligte sich am gestrigen Dienstag an einer Podiumsdiskussion beim BPI. (Foto: Külker)


Arztinformationssystem bleibt Zankapfel

Der BPI-Vorsitzende Dr. Martin Zentgraf erinnerte an den Zweck der frühen Nutzenbewertung als Grundlage einer Preisverhandlung. Angesichts der von Wörmann beschriebenen Schwächen des Verfahrens wäre es fatal, aufgrund dieser Bewertungen die Verordnungen zu steuern, warnte Zentgraf. Doch derzeit werde die frühe Nutzenbewertung zu einem Entscheidungskriterium aufgewertet. Dies sei „Schwachsinn“, erklärte Zentgraf mit Blick auf das von Wörmann zuvor erläuterte Beispiel Dabrafenib. Für diesen Proteinkinaseinhibitor gegen Melanome wurde gegenüber dem ähnlich wirkenden Vemurafenib kein Zusatznutzen nachgewiesen. Dagegen hat Vemurafenib gegenüber einer klassischen Chemotherapie einen beträchtlichen Zusatznutzen gezeigt. Doch das sei kein Argument gegen Dabrafenib. Daraus folgerte Zentgraf, dass die frühe Nutzenbewertung den Patienten sogar schaden könne. Zum geplanten Arztinformationssystem erklärte Zentgraf: „Ich hoffe, es wird ein echtes Informationssystem. Ich fürchte, es wird ein Steuerungssystem.“

Minimalkonsens zu Lieferengpässen

Zur Versorgungssicherheit erhob Schmidt den Anspruch, dass jeder Patient stets mit dem optimalen Arzneimittel versorgt werden könne. Dies sei derzeit nicht erfüllt. Um vorläufig die Versorgung managen zu können, müssten Ärzte und Apotheker frühzeitig auch über drohende Engpässe informiert werden. Daher forderte Schmidt ebenso wie Wörmann eine Meldepflicht für Engpässe. Außerdem müssten der Kellertreppeneffekt bei den Preisen durchbrochen und Fehlanreize verhindert werden. Stattdessen sollten Anreize für die Produktion in Europa geschaffen werden. „Wir müssen den europäischen Regulator anregen, mal etwas Vernünftiges zu tun“, forderte Schmidt und verwies auf das Vorbild der Bankenregulierung. Storm entgegnete, dies sei mit dem Vergaberecht nicht zu vereinbaren, räumte aber ein, dass Umwelt- und Arbeitsschutz zu Auswahlkriterien werden könnten. Zentgraf erklärte, dass Warnungen vor drohenden Engpässen das Problem verschärfen könnten. Er plädierte für Anbietervielfalt, denn Oligopole würden die Gefahr für Engpässe erhöhen.

Votum für einheitliche Arzneimittelpreise

Schmidt betonte, dass einheitliche Preise im ganzen Gesundheitswesen zentrale Bedeutung hätten. Mit Blick auf die Gefährdung von Apotheken erklärte Wörmann, dass die Beratung wegen moderner Therapien künftig sogar noch ausgedehnt werden müsse. Storm argumentierte mit einer Forsa-Umfrage gegen das Rx-Versandverbot. Demnach könnten die Versender bei Rx-Arzneimitteln nur zwei bis drei Prozent Marktanteil erwarten. Zentgraf erklärte, der bpi unterstütze einheitliche Abgabepreise. Lokale Preise könnten Lieferengpässe verschärfen. Allerdings halte er ein Versandverbot auf Dauer für ebenso unhaltbar wie das Fernbehandlungs-Verbot. Doch der Versand werde nie die wohnortnahe Apotheke ersetzen, erklärte Zentgraf als Schlusswort der Diskussion. Eine Reflexion mit einem Vertreter der Politik konnte nicht stattfinden, weil der Hamburger Erste Bürgermeister Olaf Scholz sein angekündigtes Grußwort abgesagt hatte.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Schmidts " Retaxkultur "?

von Heiko Barz am 21.06.2017 um 12:08 Uhr

Die aus der Überschrift des obigen Artikels zu erwartenden Argumente zur "Retax-Politik" des ABDA Vorsitzenden fanden nicht statt.
Sicher war dieses Forum auch nicht der Diskussionsplatz für diese " Retaxkultur " vor allem bei der letztlich aufkommenden Anti Haltung der diesbezüglichen rechtsdiskriminierenden Aussagen z.B. der Barmer!
Wir haben ein ganz anders "Problem": Wer bestimmt eigentlich in Zukunft unser Rechtsystem? Sind es noch die unabhängigen Richter Deutscher Gerichte oder die Juristenetagen Europäischer Kapitalkonzerne oder sind es die sogenannten Eurorichter, denen die Deutsche Rechtsprechung unbekannt oder viel schlimmer noch - egal ist!?

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