DocMorris, Digitalisierung, Dienstleistungen

Engelen: Generalabrechnung mit der ABDA

Berlin - 21.06.2017, 10:00 Uhr

Lange Liste von Niederlagen: Aus Sicht von Kammerpräsident Lutz Engelen haben die Apotheker in den vergangenen Jahren eine schlechte Lobby-Bilanz vorzuweisen. (Foto: AKNR)

Lange Liste von Niederlagen: Aus Sicht von Kammerpräsident Lutz Engelen haben die Apotheker in den vergangenen Jahren eine schlechte Lobby-Bilanz vorzuweisen. (Foto: AKNR)


Die Kammer Nordrhein bereitet derzeit ein wichtiges Gerichtsverfahren gegen DocMorris vor. Bei der gestrigen Kammerversammlung stellte Präsident Lutz Engelen klar, dass aus seiner Sicht nicht alle Apotheker-Organisationen so beherzt für das Wohl der Apotheker kämpfen. Ganz im Gegenteil: Die ABDA habe derzeit nur eine lange Liste von Niederlagen vorzuweisen.

Die Apothekerkammer Nordrhein und ihr Präsident Lutz Engelen sind schon länger unzufrieden mit der Performance der ABDA: So stand vor zwei Jahren sogar eine Abstimmung über einen Austritt aus der ABDA im Raum. Dass die Kammerversammlung im Juni 2016 beschloss, den ABDA-Haushalt für 2017 abzulehnen, war zwar eher ein Abstimmungs-Missverständnis, doch dass nur eine Handvoll Delegierter dem Haushalt explizit zustimmte, kann durchaus als Ausdruck von Unzufriedenheit gewertet werden. Und schon nach dem Apothekertag 2014 war laut über einen ABDA-Austritt nachgedacht worden. Zu groß waren damals Frustration und Verärgerung über den Umgang der ABDA-Führung mit Anträgen, Delegierten und Gästen auf dem Apothekertag in München. Bei der Delegiertenversammlung im vergangenen November hagelte es dann scharfe Kritik an der ABDA-Strategie während des verlorenen EuGH-Verfahrens. Die Kammer Nordrhein hatte wenig Verständnis dafür, dass ihre im Kampf gegen DocMorris erprobten (und bis dato „ungeschlagenen“) Juristen nicht enger in die Verfahrensführung eingebunden worden waren.

Bei der jüngsten Kammerversammlung am gestrigen Dienstag in Neuss fügte Kammerpräsident Lutz Engelen dieser ABDA-Kritik ein neues Kapitel hinzu und schritt zur Generalabrechnung mit der Interessensvertretung der Apotheker. Er wolle einmal den Advocatus diaboli spielen, kündigte er nach der gesundheitspolitischen Diskussion mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Georg Kippels noch harmlos an, und einmal die Argumente anführen, die die Gegner der Apotheker immer wieder im Munde führten. Was dann folgte, war eine Aufzählung von Fehlschlägen, verpassten Chancen und Misserfolgen der Apothekerschaft in den vergangenen Jahren.

So habe man 2014 auf dem Apothekertag mit großer Verve das Perspektivpapier verabschiedet. Aber was sei von diesem Aufbruch geblieben? Nicht viel außer ARMIN in Sachsen und Thüringen – wenn dieses Pilotprojekt scheitern sollte, stünden die Apotheker mit leeren Händen da. „Wir haben kein anderes Projekt mehr, um das Perspektivpapier umzusetzen“, konstatierte Engelen. Beim Thema Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) stünden die Apotheker rund drei Jahre nach Verabschiedung des Perspektivpapiers generell nicht gut da: „Selbst wenn man die geriatrisch weitergebildeten Kollegen dazuzählt, haben wir in ganz Deutschland gerade mal 1500 in AMTS fortgebildete Apotheker“, rechnete er vor. Damit komme rechnerisch nicht einmal auf jede zehnte Apotheke ein AMTS-Manager. „Und wo sind die validen Daten, um der Politik zu zeigen: Wir können das?“ Dazu komme, dass die Apotheker beim E-Health-Gesetz komplett „vom Schlitten gerutscht“ seien.

Digitalisierung verpennt?

Auch bei der Frage, wie mit der Digitalisierung umgegangen werden sollte, stehe der Berufsstand ohne Antworten da. Dabei handle es sich aber um ein gesamtgesellschaftliches Problem: „Schauen Sie sich doch die Innenstädte an“, so Engelen: „Statt Fachgeschäfte gibt es heute nur noch die großen Ketten, Cafés und Frittenbuden“. Defizite sieht Engelen auch bei der Reaktion der Standesvertreteung auf den (inzwischen geschlossenen) Arzneimittel-Automaten in Hüffenhardt. Man solle sich nur vorstellen, der Automat wäre nicht von DocMorris aufgestellt worden, sondern beispielsweise von einer Universität oder einem Forschungsinstitut entwickelt worden, um wirklich die Versorgung auf dem Land zu verbessern. „Was glauben Sie denn, wie dann unser Stand in der Politik wäre?“

Auch dem vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Honorargutachten habe die ABDA zu wenig entgegenzusetzen. „Dieses Gutachten wird belegen, dass wir Apotheker mit 8,35 Euro schon jetzt überbezahlt sind – da wette ich eine Flasche Champagner drauf“, zeigte sich Engelen überzeugt, dass das Ergebnis schon feststehe. Man bereite sich auf das vorhersehbare Ergebnis aber nicht ausreichend vor.

Schwarz sieht Engelen, wenn das Rx-Versandverbot auch in der nächsten Legislaturperiode nicht schnell kommt und die Krankenkassen Selektivverträge mit den Versendern abschließen. Wofür würden sich die in Rabattvertragsverhandlungen erprobten Kassen-Abteilungen wohl entscheiden, fragte Engelen: „Die klar dokumentierten Abläufe einer großen Versandapotheke, die alle ihre Mitarbeiter regelmäßig schult, und bestimmte Qualitätsparameter nachweisen kann? Oder für eine Versorgung durch viele einzelne Apotheken, wo die Qualität weiterhin ins Belieben des Apothekenleiters gestellt ist?“

Alle diese Punkte müssten endlich auf den Tisch kommen und offen diskutiert werden, forderte Engelen. Momentan habe man solchen Argumenten keine Konzepte und Vorschläge entgegenzusetzen – das müsse sich schnell ändern.

Kammer Nordrhein will weiter kämpfen

Gleichzeitig machte der Kammerpräsident deutlich, dass die Apothekerkammer Nordrhein die anhängigen Verfahren gegen DocMorris weiterführen wird. Auch die von DocMorris eingereichte Schadenersatzklage schreckt sie nicht. „Das ist das Risiko, wenn man einstweilige Verfügungen erwirkt“, konstatierte Kammer-Justiziarin Dr. Bettina Mecking lapidar.

„Wir führen diese Verfahren nicht nur für die Kollegen in Nordrhein, sondern um alle Apotheker in Deutschland zu schützen“, betonte Engelen „Nach der Niederlage in Luxemburg ist noch längt nicht das letzte Wort gesprochen“, sprang ihm seine Justiziarin Mecking bei. Jetzt zeige sich, wie gut es sei, dass die Kammer Nordrhein keinem Rechtsstreit mit der holländischen Versandapotheke aus dem Weg gegangen ist: Denn dadurch gebe es jetzt einige Verfahren, die man erneut vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) treiben könne, um dort mit neuen Argumenten hoffentlich zu überzeugen.



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2 Kommentare

Kein Blatt vor den Mund genommen

von Armin Spychalski am 21.06.2017 um 20:19 Uhr

Applaus! Applaus!!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Kammer Nordrhein die bessere ABDA ...

von Christian Timme am 21.06.2017 um 20:05 Uhr

Vielleicht reicht es ja für eine Stellungnahme auf dem DAT'17 in Düsseldorf?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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