US-Forschung

Gibt es bald einen Impfstoff gegen Heroin?

Remagen - 15.06.2017, 09:00 Uhr

Impfen gegen die Heroin-Sucht? US-Wissenschaftler haben einen Impfstoff entwickelt, der eine Heroin-Sucht verhindern könnte. (Foto miss mafalda/fotolia)

Impfen gegen die Heroin-Sucht? US-Wissenschaftler haben einen Impfstoff entwickelt, der eine Heroin-Sucht verhindern könnte. (Foto miss mafalda/fotolia)


Kalifornische Wissenschaftler haben einen Impfstoff entwickelt, mit dem Heroin-Süchtige therapiert werden könnten. Er verhindert die euphorisierende Wirkung der Rauschdroge. An Affen konnten sie zeigen, dass das Prinzip der Vakzine funktioniert, und das noch nach Monaten.

Ein Team um die Wissenschaftler Paul Bremer und Kim Janda vom Scripps Research Institute in Kalifornien hat einen Impfstoff gegen die Rauschdroge Heroin entwickelt und an Rhesusaffen getestet. Es ist der erste Impfstoff gegen ein Opioid, das dieses Stadium der präklinischen Testung erfolgreich durchlaufen hat. Die Ergebnisse wurden im Journal of the American Chemical Society publiziert.

Heroin wird einfach neutralisiert

Die Vakzine besteht aus veränderten Heroinmolekülen, die an einen Tetanustoxoid (TT) als Träger gebunden sind. Sie funktioniert wie eine normale Schutzimpfung und regt das Immunsystem dazu an, Antikörper gegen Heroin zu bilden. Sobald die Rauschdroge erneut ins Blut kommt, lagern sie sich an das Heroin und an dessen Abbauprodukte an und machen die Droge damit unschädlich. Sie kann nicht mehr durch die Blut-Hirn-Schranke passieren, um im Gehirn das gewünschte „High“ auszulösen. Die Folge: Der Konsument nimmt die Droge und merkt nichts. Die Forscher glauben, dass die Blockierung des Heroin-Highs Süchtigen nach dem Entzug dabei helfen könnte, nicht rückfällig zu werden.

Wirkung auch noch nach Monaten

Seit über acht Jahren arbeitet das Janda-Laboratorium am TSRI an dem Heroin-Impfstoff. Nachdem die Wissenschaftler zuvor einige Impfstoffkandidaten erfolgreich unter Laborbedingungen und bei Nagetieren getestet hatten, gingen sie nun in der nächsten Stufe zur Erprobung an den Rhesusaffen über. Hierzu wurde ihr Impfstoff-Modell noch weiter optimiert. Vier Primaten bekamen die Vakzine in drei verschiedenen Dosen. Alle lösten eine signifikante und anhaltende Immunreaktion aus. Der Impfstoff reduzierte die Wirkung des Heroins bei allen Affen um das mehr als 15-fache, wie die Forscher berichten. Damit blieb der euphorisierende Effekt weitgehend aus. Die immunologische Schutzwirkung war im ersten Monat nach der Behandlung besonders ausgeprägt und hielt über mindestens acht Monate hinweg an. Auch bei wiederholter Gabe verhinderte sie bei den Rhesusaffen den Rauschzustand.

Langfristige Immunität möglich

„Dass der Impfstoff so nachhaltige Effekte in nicht-menschlichen Primatenmodellen produziert, hat uns wirklich ermutigt.“ sagt der Leitautor der Studie Paul Bremer. Und das Team fand noch etwas interessantes: Zwei der untersuchten Affen, die in einer Pilotstudie sieben Monate zuvor schon einmal mit demselben Impfstoffkandidaten geimpft worden, sprachen in der zweiten Runde der Experimente erheblich besser auf die Impfung an. Die Wissenschaftler vermuten, dass ihre Antikörper produzierenden Zellen ein immunologisches "Gedächtnis" für den Impfstoff aufgebaut hatten. Wenn der Effekt auch bei den Menschen eintritt, könnte dies bei einem Süchtigen zu einer langfristigen Immunität gegen Heroin führen, so glauben sie.

Bald Testungen am Menschen?

Die Autoren betonen, dass die Impfung nur gegen Heroin und nicht gegen andere Opioide, wie etwa Opioid-Schmerzmittel oder Wirkstoffe gegen Opioid-Abhängigkeit oder -Überdosierungen wirkt, so dass diese für therapeutische Anwendungen und als Notfallmedikamente unbehelligt bleiben. Im nächsten Schritt soll die Vakzine nun in klinischen Studien getestet werden. „Wir glauben, dass sich der Impfstoff auch in Tests an Menschen als sicher erweisen wird,“ meint Studienautor Janda. Die Komponenten des Impfstoffs seien entweder bereits von der FDA genehmigt oder hätten Sicherheitsversuche in früheren klinischen Studien bestanden.

Europäischen Drogenbericht: Heroin nach wie vor an erster Stelle

Nach dem Europäischen Drogenbericht 2017, den die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) gerade vorgestellt hat, ist Heroin mit einem geschätzten Handelswert von 6,8 Milliarden Euro auf Konsumentenebene das am weitesten verbreitete Opioid auf dem europäischen Drogenmarkt. Es kann geraucht, geschnupft oder injiziert werden. In Europa wird importiertes Heroin in zwei Formen angeboten, und zwar als braunes Heroin (Heroinbase), das stärker verbreitet ist und vor allem aus Afghanistan stammt, und als weißes Heroin (in Salzform), das weit weniger verbreitet ist und in der Vergangenheit aus Südostasien eingeschmuggelt wurde, mittlerweile aber auch in Afghanistan oder benachbarten Ländern produziert werden könnte. Bei den meisten der in Europa gemeldeten tödlichen Überdosierungen werden Heroin oder seine Metaboliten nachgewiesen, oftmals in Verbindung mit anderen Substanzen, ist im dem aktuellen Drogenbericht weiter zu lesen.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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