Apothekerverband Nordrhein

SPD drückt sich vor Apotheker-Diskussion

Düsseldorf - 07.06.2017, 19:30 Uhr

Ohne SPD diskutierten am heutigen Mittwoch in Düsseldorf Thomas Preis, Kathrin Vogler (Linke), Maria Klein-Schmeink (Grüne) und Georg Kippels (CDU) (v.l.n.r.) (Foto: Müller / AVNR)

Ohne SPD diskutierten am heutigen Mittwoch in Düsseldorf Thomas Preis, Kathrin Vogler (Linke), Maria Klein-Schmeink (Grüne) und Georg Kippels (CDU) (v.l.n.r.) (Foto: Müller / AVNR)


Sollten einzelne Gesundheitspolitiker darauf spekuliert haben, dass die Apotheker das Rx-Versandverbot aufgeben, lagen sie falsch. Denn bei der heutigen Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes Nordrhein machten die Pharmazeuten den anwesenden Bundestagsabgeordneten klar, dass der Rx-Versand aus ihrer Sicht noch in diesem Jahr verboten gehört. Der wichtigste Adressat dieser Botschaft, die SPD-Bundestagsfraktion, ließ sich bei der Veranstaltung aber nicht blicken.

Wenn man die heutige Mitgliederversammlung des Apothekerverbandes Nordrhein in Düsseldorf verfolgt hat, müsste man meinen, dass es sich um eine relativ einseitige Veranstaltung handelte. Verbandschef Thomas Preis griff in seiner Rede die SPD-Bundestagsfraktion dafür an, dass sie das Rx-Versandverbot ablehnte. Dann folgte eine Diskussion mit drei Fachexperten (ein Jurist, ein Ökonom, ein Marktforscher), die Preis Recht gaben und für die Blockadehaltung der Sozialdemokraten wenig Verständnis zeigten. Und schließlich schlugen sich auch die Bundestagsabgeordneten Georg Kippels (CDU) und Kathrin Vogler (Linke) auf die Seite der Apotheker. Einzige Widersacherin bei dieser Veranstaltung: Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag.

Doch dafür, dass die politische Diskussion so verlief, konnten die Apotheker gar nichts. Denn bevor diese überhaupt anfing, erklärte Thomas Preis in seiner Rede: „Wir haben zehn SPD-Abgeordnete eingeladen, an unserer Diskussion teilzunehmen und haben nur Absagen erhalten.“ Preis‘ Kommentar: „Wir hätten uns gerne kritisch mit SPD-Vertretern auseinandergesetzt. Doch offensichtlich will man sich kritischen Nachfragen nicht stellen. Das können wir politisch nicht akzeptieren. Wir sind sehr enttäuscht von einer Partei, die von sich selbst erwartet, eine Volkspartei zu sein.“

Preis: Wir haben zehn Absagen von SPD-Politikern kassiert

Außerdem ging Preis in seiner Rede auf die Vorwürfe der Versandhändler und Teilen der Gesundheitspolitik ein, dass die Apotheker mit dem Rx-Versandverbot die Digitalisierung verschlafen würden. Der Verbandsvorsitzende zählte mehrere Projekte auf, in denen die Pharmazeuten bereits digitalisiert arbeiten. Dazu gehören Securpharm, ARMIN in Sachsen und Thüringen, die elektronische Lagerverwaltung sowie die elektronische Abrechnung der Kassenrezepte über die Rechenzentren. Preis weiter: „Alleine die elektronische Bearbeitung der Rabattverträge, die wir für die Krankenkassen umsetzen, umfasst Millionen von Datensätzen pro Tag.“

Verbandschef Preis forderte daher „noch in diesem Jahr“ das Rx-Versandverbot. Denn: „Ein weiteres Zuwarten könnte zu einer „nicht umkehrbaren Zerstörung der Apotheken insbesondere in ländlichen Regionen“ bewirken. Preis warf den SPD-Abgeordneten vor, dass sie ihrer politischen Verantwortung nicht gerecht würden und dass sie die „partiellen Interessen einiger weniger“ hingegen unterstützten.

Informationsasymmetrie spricht für Rx-Versandverbot

Unterstützung für seine Forderungen holte sich Preis bei dem Ökonomen Uwe May, dem Juristen Heinz Uwe Dettling sowie bei dem Marktforscher Markus Preißner vom Institut für Handelsforschung ein. Dettling, der derzeit mit May an einem wettbewerbsökonomischen Gutachten zugunsten des Rx-Versandverbotes arbeitet, bekräftigte, dass das Verbot aus seiner Sicht juristisch unbedenklich sei. Insbesondere mit zwei Argumenten der Verbotsgegner wollte Dettling aufräumen. „Erstens ist es nicht richtig, dass der Versandhandel seit 2004 gut funktioniert. Patienten werden immer wieder nicht beliefert. Versandapotheken machen auch keine Rezepturen, weil ihnen das Arbeit macht. Versandapotheken funktionieren nach dem Rosinenpicker-Modell.“

Und zweitens: „Es ist falsch, dass die Preisbindung nichts mit der flächendeckenden Versorgung zu tun hat. 1500 Solitärapotheken, die weiter als fünf Kilometer von der nächsten Apotheke entfernt liegen, würden wegfallen ohne Preisbindung.“ Wie Dettling zu dieser Zahl kam, erwähnte er allerdings nicht. Der Ökonom Uwe May stützte die These seines Vorredners und gab aus ökonomischer Sicht zu bedenken: „Bei Elektrogeräten, Schuhen oder Kleidung ist ein freier Markt durchaus gewünscht, weil die Auswirkungen eines Wegfalls von einem Anbieter einen nicht so großen Schaden anrichten würden. In der Arzneimittelversorgung hingegen hat die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse daran, dass sich Menschen in Apotheken beraten lassen. In der Ökonomie spricht man an dieser Stelle von ‚Informationsasymmetrie‘: Viele Kunden kennen ihren Beratungsbedarf nicht, weil sie nicht fachkundig genug sind. Deswegen sollte man sie nicht einem freien Markt überlassen.“

May war vor einigen Wochen als Fachexperte zu einer Anhörung in den Bundestag geladen worden. Die Linken hatten einen Antrag zum Rx-Versandverbot gestellt. Aus dem Publikum wurde der Ökonom danach gefragt, wie die Politiker denn auf seine Darstellungen reagiert hätten. May berichtete, dass er vor und nach der Anhörung mit Politikern der SPD darüber gesprochen habe, ob der Versandhandel bei einem derzeitigen Rx-Marktanteil von ca. 1 Prozent überhaupt zur Bedrohung der Apotheken werden könne. Sein Bericht an die Apotheker: „Die glauben das wirklich, dass der Anteil der Versandapotheken prognostisch keine Relevanz hat. Die glauben wirklich, dass da nichts passiert. Dabei ist es absurd, von der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen.“ Er erwähnte auch, dass er derzeit in Kontakt mit SPD-Apothekenexpertin Sabine Dittmar stehe. „Frau Dittmar hat sehr viele Nachfragen zu unserem Gutachten. Da ist zwar kein spontaner Sinneswandel eingetreten. Aber es ist ja schon mal ein gutes Zeichen, dass Frau Dittmar so genau in das Gutachten schaut.“

Vogler zur CDU: Ihr hättet das Verbot mit uns haben können!

In der folgenden politischen Diskussion versprach CDU-Gesundheitspolitiker Georg Kippels, dass die Christdemokraten an ihrer Forderung festhalten und das Verbot in der nächsten Legislaturperiode wieder auf die Tagesordnung bringen würden. Eine direkte Gegensprache handelte sich Kippels von seiner Kollegin Kathrin Vogler, Gesundheitsexpertin der Linksfraktion, ein. Vogler sagte: „Ihr hättet das Rx-Versandverbot mit uns gestern haben können. Die Bundesregierung ist nicht der Gesetzgeber. Unsere beiden Fraktionen hätten das Verbot gemeinsam beschließen können.“ Kippels antwortete, dass man an den Koalitionsvertrag gebunden sei.

Für Aufregung bei einigen Apothekern sorgte Grünen-Politikerin Maria Klein-Schmeink, die derzeit gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag ist. Die Grünen-Politikerin attackierte die Bundesregierung zunächst dafür, dass sie aus ihrer Sicht während des EuGH-Verfahrens zu den Rx-Boni „zu wenig Engagement“ gezeigt habe. „Es ist der Bundesregierung nicht gelungen, während des Verfahrens einen Nachweis dafür zu liefern, dass die flächendeckende Versorgung an die Preisbindung gekoppelt ist.“ Deswegen habe auch das Rx-Versandverbot in einem eventuellen neuen Verfahren vor dem EuGH „keine Chance“, erklärte Klein-Schmeink. Die negativsten Reaktionen erhielt die Politikerin für die Aussage, dass man das derzeitige Apothekensystem komplett überdenken müsse. „Es müssen gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle sowie Sicherstellungszuschläge für Landapotheken her“, so die Forderung der Grünen.

Gleichzeitig machte sich Klein-Schmeink allerdings für eine Stärkung der heilberuflichen Kompetenzen der Apotheker stark. Es sei ein „großer Fehler“ der Bundesregierung gewesen, die Apotheker nicht stärker in die Erstellung des Medikationsplanes mit einzubeziehen. „Damit haben Sie entschieden, wer künftig den Hut auf hat in der Arzneimittelberatung: die Ärzte“, sagte Klein-Schmeink in Richtung Kippels.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Es ist die Quadratur des Kreises,

von Heiko Barz am 08.06.2017 um 11:15 Uhr

"....es müssen gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle so wie Sicherstellungszuschläge für Landapotheken her."
Wie soll ich mir die Gleichheit des Wettbewerbs in der Arzneimittelversorgung zwischen Holland und Deutschland vorstellen? Wissen denn diese Politiker überhaupt wovon sie "schwätzen"?
Ein kleiner Blick in die Einkaufskonditionen der Hollandversender bei Arzneimitteln müßte auch einer Bündnis90/Grünen Politikerin, die ja der Grundrechenarten mächtig sein sollte, deutlich machen, dass hier Käse mit Margarine verglichen wird.
Wenn das Gleichbehandlungsprinzip dieser bezeichneten Politiker und der Deutsche Apothekerschaft bei der Arzneimittelversorgung entsprechen bewertet würde, dann müßten Einkaufverhältnisse von vor 2004 wieder eingeführt werden.
Wenn uns darauf hin wieder genügend Rabatte zur Verfügung stünden, dann, "liebe Grünen", wären die von den Holländern großzügig angebotenen Boni auch für uns sicher kein Problem!
Erst dann könnte die von den Grünen und auch von der SPD dümmlich propagierte "Wettbewerbsgleichheit" ein Ende der Rosinenpickerei bedeuten.
Denken diese Leute denn irgendwann einmal ihr System zu Ende, oder sind sie eine Masse, die verantwortungslos ihrer in diesem Fall sinnlosen Parteidisziplin folgen müssen?
Was antworten diese Leute auf Fragen : wie, Btm, Rezepturen, Nacht - und Notdienstverpflichtung, andere soziale Verantwortlichkeiten u.s.w.
Welche Perspektiven bieten sie denn nun an für die besonders schätzenswerten Landapotheken ?
Also insgesamt nur inhaltsloses Gewäsch.
Der Griff in eine Qualle hat mehr Widerstand als das rückgratlose Geschwätz dieser uneinsichtigen Volksvertreter.
Unwählbar!!

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