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Gesetzesvorhaben sorgt für Furore
Neugeordnete Primärversorgung in Österreich ohne Apotheker
In Österreich sorgt ein Gesetzesvorhaben für Furore, mit dem die primäre Gesundheitsversorgung neu strukturiert werden soll. Geplant sind sogenannte Primärversorgungseinheiten, in denen die Patienten eine Rundum-Betreuung erhalten. Die Ärzteschaft befürchtet Nachteile für die eigenständigen Praxen, und auch die Apotheker sind nicht begeistert. Sie sollen nämlich außen vor bleiben.
Im Februar 2017 hat das österreichische Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (BMGF) den Referentenentwurf für ein „Gesundheitsreformumsetzungsgesetz 2017 – GRUG 2017“ vorgelegt. Das Hauptanliegen des Artikelgesetzes ist, ein Bundesgesetz über die Primärversorgung in Primärversorgungseinheiten (Primärversorgungsgesetz 2017 – PVG 2017, auch Primary Health Care-Gesetz, PHC-Gesetz) zu erlassen.
Was hat man sich hierunter vorzustellen? Nach dem Gesetzentwurf soll eine Primärversorgungseinheit entsprechend den örtlichen Verhältnissen entweder an einem Standort oder als Netzwerk an mehreren Standorten eingerichtet werden können. Primärversorgungseinheiten mit einem Standort sollen nur in der Organisationsform einer Gruppenpraxis oder eines selbständigen Ambulatoriums geführt werden können. Wird die Form des Netzwerks gewählt, zum Beispiel in Form eines Vereins, so soll sie nur von freiberuflich tätigen Ärzten, anderen nichtärztlichen Angehörigen von Gesundheits- und Sozialberufen oder deren Trägerorganisationen gebildet werden können. Je nach Bedarf soll das Primärversorgungskernteam aus Ärzten bzw. Fachärzten um weitere relevante Berufsgruppen, wie etwa Ergotherapeuten, Hebammen oder Logopäden bzw. Einrichtungen erweitert werden können. Das Kernteam soll darüber hinaus einen regelmäßigen Kontakt mit verschiedenen „Primärversorgungs-Partnern“ außerhalb der Primärversorgungseinheit pflegen. Hierzu gehören auch die Apotheken.
Allgemeinmedizin aufwerten
Mit den neuen Einheiten wollen die Gesundheitspolitiker nicht nur die ambulante wohnortnahe Versorgung der Patienten verbessern, sondern auch den Ärzten etwas Gutes tun. Das Modell soll die Allgemeinmedizin aufwerten und die Rolle der Hausärzte durch mehr Vernetzung, attraktivere Honorierungsformen und flexiblere Formen der Berufsausübung stärken. Dies soll letzten Endes auch die Primärversorgung im ländlichen Bereich verbessern.
Die Umstellung auf die Primärversorgungseinheiten soll langfristig erfolgen, so dass in bereits bestehende niedergelassene hausärztliche Strukturen oder in bestehende Vertragsverhältnisse nicht eingegriffen wird. Die beteiligten Berufsgruppen sollen die Möglichkeit erhalten, auf das neue System umzusteigen. Bei der Auswahl der Bewerber für neue Primärversorgungseinheiten soll bestehenden Praxen ein Vorrang eingeräumt werden. Der Angst vor dem Einstieg von Großkonzernen wird begegnet, indem „beherrschende Eigentümerstrukturen“ ausgeschlossen werden sollen.
Apothekerverband spricht von „Ho-Ruck Aktion“
Das klingt alles recht vielversprechend. Trotzdem lässt die Begeisterung der Betroffenen zu wünschen übrig. In der vierwöchigen Anhörung zu dem Gesetzentwurf, die am 21. Mai endete, hagelte es jede Menge Kritik. Die österreichische Ärztekammer (ÖÄK) befürchtet, dass die Hausärzte durch die neuen Einrichtungen verdrängt werden könnten. In einer aktuellen Presseaussendung warnt die Kammer davor, die Primärversorgung, wie sie jetzt schon von engagierten Ärzten gelebt werde, durch einen unausgereiften Gesetzesbeschluss zu gefährden.
„Die Fülle der kritischen Stellungnahmen zum vorliegenden Gesetzentwurf sollte der Politik zu denken geben.“ sagt ÖÄK-Präsident Artur Wechselberger. Er hofft, dass die Verantwortlichen die zahlreichen Bedenken ernst nehmen.
Der Apothekerverband
spricht in einer Pressemitteilung von einer „Ho-Ruck Aktion“ im (Vor-) Wahlkampf.
„Die Entscheidung über das PHC-Gesetz sollte nicht in dieser unsicheren
politischen Situation übers Knie gebrochen werden.“ fordert der neue Verbandspräsident
Jürgen Rehak. „Die Beschlussfassung des vorliegenden Gesetzentwurfs sollte ausgesetzt
werden, um weitere Gespräche mit allen Beteiligten des Gesundheitssystems zu
führen.“ Ein zentraler Kritikpunkt des Apothekerverbandes ist, dass das
Primärversorgungsgesetz die Apotheken als wichtige Partner des österreichischen
Gesundheitssystems nicht berücksichtigt. „Wir sind überrascht über die
Außer-Achtlassung der Apotheken, denn es sind gerade die Apotheker in
Österreich, die in mehr als 1400 Apotheken mit mehr als 300.000 Kunden täglich
wichtige Aufgaben in der Primärversorgung in Österreich übernehmen“ betont
Rehak.
Apotheken sind bedarfsgerecht verteilt
Konkret fordert der Apothekerverband eine strukturierte Zusammenarbeit der Primärversorgungszentren mit den örtlichen öffentlichen Apotheken als verpflichtende Anforderung und die Gewährleistung der Arzneimittelversorgung und des Medikationsmanagements in den Primärversorgungseinrichtungen durch eine oder mehrere örtliche öffentliche Apotheken. Überdies sollten die Standorte der öffentlichen Apotheken für die Standortplanung der Primärversorgungszentren als Orientierung herangezogen werden, denn sie seien bereits dort angesiedelt, wo der Bedarf an einer wohnortnahen Versorgung von Bevölkerungsgruppen gegeben ist.
1 Kommentar
Besser nicht dabei
von Dr. Thomas Müller-Bohn am 06.06.2017 um 15:34 Uhr
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