Arzneimittel-Automat

So funktioniert das „Konstrukt Hüffenhardt“

Stuttgart - 01.06.2017, 09:40 Uhr

Video-Beratung durch einen Apotheker oder eine PTA und Arzneimittel aus dem Automaten – das ist für DocMorris Versandhandel. (Foto: diz / DAZ.online)

Video-Beratung durch einen Apotheker oder eine PTA und Arzneimittel aus dem Automaten – das ist für DocMorris Versandhandel. (Foto: diz / DAZ.online)


Einmal von Deutschland in die Niederlande und zurück nach Hüffenhardt

Die Arzneimittel werden vom Hersteller oder einem (deutschen) Großhändler an DocMorris im niederländischen Heerlen, direkt an der deutschen Grenze, geliefert. Dabei handelt es sich um in Deutschland zugelassene Arzneimittel, die für den deutschen Markt bestimmt sind, eine deutsche Zulassung haben und denen beispielweise auch deutsche Patienteninformationen beigelegt sind. Kurz: Es handelt sich um deutsche Ware. Branchenexperten gehen davon aus, dass DocMorris den weit überwiegenden Teil seiner Arzneimittel direkt von den Herstellern bezieht.

Bei DocMorris findet die Überprüfung der Packungen nach Maßgabe der Apothekenbetriebsordnung statt. Anschließend werden die Packungen von dem nicht genannten deutschen Pharmagroßhändler abgeholt und nach Hüffenhardt gebracht, wo nicht-pharmazeutisches Personal des Großhändlers sie einlagert. In wessen Eigentum sich die Arzneimittel zum Zeitpunkt der Abgabe an den Kunden befinden, blieb dabei  offen. Apothekenrechtlich maßgeblich ist aber sowieso die konkrete Verfügungsgewalt über das Arzneimittel – auch diese Frage blieb vor Gericht ungeklärt.

Bestellt nun ein Kunde am Terminal ein Arzneimittel, lagert der Automat die entsprechende Packung aus dem „Großhandels-Lager“ aus. Im Zuge dieses Vorgangs wird ein Label aufgedruckt – dabei gehe die Packung in das Eigentum von DocMorris über, hieß es vor Gericht.

Bevor der Kunde die Ware aus dem Ausgabeschacht entnehmen kann, muss dies bei DocMorris in Heerlen von einem Apotheker oder einer PTA freigeben werden.

Nur eine besondere Spielart des Versands?

In den Augen von DocMorris ist diese Art der Arzneimittelabgabe nur eine besondere Spielart des Versands, nämlich mit anschließender automatisierter Abgabe an den Kunden. Sie sei deshalb durch die bestehende Versanderlaubnis abgedeckt. Der LAV Baden-Württemberg geht dagegen von einem Teilbetrieb einer Apotheke aus – und für diesen fehle DocMorris die Betriebserlaubnis. Da sich dieser Apotheken-Teilbetrieb der behördlichen Überwachung entziehe, habe DocMorris einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen deutschen Konkurrenten.

Die zuständige Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Karlsruhe, sieht das ähnlich und hat den Betrieb des Abgabeautomaten untersagt. Allerdings hat sie nur bei der Untersagung der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln den sofortigen Vollzug angeordnet – nicht jedoch für die Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel. Deshalb hat der Widerspruch von DocMorris gegen die Schießungsverfügung für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel aufschiebende Wirkung – diese dürfen also aktuell in Hüffenhardt abgegeben werden. Vor Gericht versicherte ein DocMorris-Anwalt am Mittwoch, dass aktuell der Rezept-Scanner deaktiviert sei. Für die Belieferung von ärztlichen Verordnungen sind die Hüffenhardter also auf die dortige Rezeptsammelstelle angewiesen – oder auf eine der 22 (!) Apotheken, die es laut Apothekerkammer Baden-Württemberg in einem Umkreis von zehn Kilometern Luftlinie um Hüffenhardt gibt.



Dr. Benjamin Wessinger (wes), Apotheker / Herausgeber / Geschäftsführer
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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2 Kommentare

DocMo

von Dr. Radman am 01.06.2017 um 10:06 Uhr

Wichtig wäre, den Grosshändler herauszufinden...

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: DocMo

von Peter Lahr am 01.06.2017 um 16:11 Uhr

Sollte der Name an die Öffentlichkeit gelangen könnte dieser GH wohl sein Geschäft mit echten Apotheken einstellen. Wäre ich der betreffende GH wäre mir wahrscheinlich ab jetzt etwas flau im Magen. Denn entweder würde keiner mehr bei mir bestellen oder aber ich müsste den belieferten Apotheken ihr jetziges Warenlager zurückkaufen und ihnen auf Kommissionsbasis wieder bestücken. Dass es möglich ist zeigt dieser Fall und es wäre doch schick die Ware erst dann zu bezahlen wenn man sie verkauft hat. Nix Bevorratung, nix totes Kapital, nix abgelaufener Übervorrat auf unsere Kosten, nix Vorfinanzierung dafür aber den Gegenwert des Warenlagers auf dem Konto. Wir könnten sogar bei der Abgabe überprüfen wodurch der GH uns bessere Rabatte geben könnte, denn jetzt schickt er die Ware zunächst nach Holland zur Prüfung, fährt sie auf eigene Kosten zurück nach Deutschland und legt sie zurück in sein eigenes Lager. Bei uns müsste er seine Kommissionsware also lediglich einmal liefern. Ich bisn gespannt.

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