DocMorris vs. Apotheker

Arzneimittelautomat vor Container-Gericht - Versand oder Apotheke?

Berlin / Mosbach - 31.05.2017, 14:10 Uhr

Die Gerichtssäle des Mosbacher Landgerichts befinden sich teilweise in Containern. Da kam bei der Verhandlung zu DocMorris in Hüffenhardt gleich ein „Automaten-Feeling" auf. (Foto: DAZ.online)

Die Gerichtssäle des Mosbacher Landgerichts befinden sich teilweise in Containern. Da kam bei der Verhandlung zu DocMorris in Hüffenhardt gleich ein „Automaten-Feeling" auf. (Foto: DAZ.online)


DocMorris kann vorerst weiterhin in seiner Videoberatung Hüffenhardt OTC-Arzneimittel per Automat ausgeben. Das Landgericht Mosbach, das heute über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen DocMorris verhandelt hat, wird sein Urteil erst am 14. Juni verkünden.

Am heutigen Mittwoch fand am Landgericht Mosbach die erste mündliche Verhandlung zum DocMorris-Arzneimittel-Abgabeautomaten in Hüffenhardt statt. Der kleine Saal in einer Außenstelle des Gerichts war voll besetzt, auch mit Pressevertretern. Ein konkretes Ergebnis gab es nach der eineinhalbstündigen Verhandlung allerdings nicht.

Doch worum ging es? Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) begehrt den Erlass einer Einstweiligen Verfügung gegen DocMorris. Er geht davon aus, dass die niederländische Versandapotheke ohne hierfür eine Erlaubnis in Deutschland zu besitzen, in Hüffenhardt einen Apothekenteilbetrieb unterhält, der sich der behördlichen Überwachung entzieht. Dadurch erziele DocMorris Vorteile gegenüber seinen deutschen Wettbewerbern, argumentiert der LAV.

Zwar hat das Regierungspräsidium DocMorris den Betrieb seines Abgabeautomaten in Verbindung mit der Videoberatung untersagt – doch nur hinsichtlich der Abgabe von Rx-Arzneimittel hat es auch den Sofortvollzug angeordnet. Daher kann DocMorris nach der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verfügung derzeit wieder OTC-Arzneimittel in Hüffenhardt abgeben. Das will der LAV nicht akzeptieren.

DocMorris hält den Argumenten der Apotheker entgegen, dass in dem Geschäftsraum in Hüffenhardt ein Arzneimittelversand mit anschließender automatisierter Arzneimittelausgabe angeboten werde. Also: Alles sei von der Versandhandelserlaubnis gedeckt.

Viel Raum für Sachverhaltsaufklärung

Bei der heutigen Verhandlung vor der Handelskammer am Landgericht Mosbach ging es vor allem um tatsächliche Fragen. Die Vorsitzende Richterin und ihre Beisitzer wollten insbesondere wissen, wie die Abläufe genau sind. Persönlich in Augenschein genommen hatten sie die Videoberatung nicht. Relativ viel Raum nahm dabei die Frage ein, wo die Arzneimittel herkommen, die DocMorris über seinen Automaten abgibt. In diesem Zusammenhang wurde unter anderem erläutert, dass das Lager, in dem die Arzneimittel für den Automaten sind, einem deutschen Großhändler gehört. Dieser besitze auch die nötige Großhandelserlaubnis nach § 52a Arzneimittelgesetz.

Die Richterin wollte zudem wissen, ob derzeit auch ärztlich verordnete apotheken- aber nicht rezeptpflichtige Arzneimittel abgegeben werden – etwa an Privatpatienten oder für Kinder. Nachdem der DocMorris-Anwalt Dr. Mirko Heinemann von der Kanzlei Wuertenberger dies zunächst nicht ausschließen wollte, kam es zu Telefonaten. Am Ende hieß es von Jan Schlimgen, General Counsel bei DocMorris: Nein, der Rezeptscanner sei derzeit sicherheitshalber gar nicht in Betrieb, auch nicht für Privat-Rezepte.

LAV-Anwalt sieht Verstoß gegen Apothekenbetriebsordnung

Bei den rechtlichen Ausführungen konzentrierte sich Rechtsanwalt Dr. Timo Kieser, der den LAV vertrat, auf § 12 Apothekenbetriebsordnung. Danach sind Fertigarzneimittel in der Apotheke stichprobenartig zu prüfen – grundsätzlich per Sinnesprüfung. Doch genau das finde in Hüffenhardt nicht statt. Vor Ort gebe es kein Fachpersonal, das die Ware nochmals prüfen könne. Einer der Handelsrichter konstatierte, dass allein der Blick durch die Kamera von Heerlen aus nicht ausreichend sei.

Die Gegenseite wandte ein, dass die Arzneimittel, die vom deutschen Großhändler kommen, zunächst nach Heerlen geliefert würden – dort würden sie geprüft und sodann von dem Großhändler nach Hüffenhardt verbracht. Eine etwas abenteuerlich anmutende Konstruktion. Doch General Counsel Schlimgen gab im Rahmen der Verhandlung eine eidesstattliche Versicherung ab, dass der Vertriebsweg genau so laufe.

Bundesverwaltungsgericht als wichtigste Instanz?

Die Beratungen unter der Vorsitzenden Richterin und den Handelsrichtern werden wohl noch heute stattfinden – doch ihr Ergebnis wollen sie erst am 14. Juni um 13 Uhr verkünden. Eine klare Entscheidungstendenz war bei der Verhandlung nicht auszumachen.

In der Pause ließ die Vorsitzende Richterin durchblicken, dass sie die wirklich richtungsweisende Entscheidung erst vor dem Bundesverwaltungsgericht erwartet. Die Verfügung des Regierungspräsidiums, gegen die DocMorris auf dem Verwaltungsrechtsweg vorgeht, habe letztlich mehr Tragweite als die hier vorliegende wettbewerbsrechtliche Streitigkeit.

Dennoch will die Richterin auch die weiteren vier Anträge auf einstweilige Verfügungen, die von einzelnen Apothekern kommen, mündlich verhandeln. Ab dem 7. Juni sind die Verhandlungen terminiert. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


Leonie Rotta


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3 Kommentare

Rückwärts ist vorwärts ... oder gleichzeitig ... oder?

von Christian Timme am 01.06.2017 um 9:20 Uhr

Seltsam, ein "Versandhandel" bei dem der Versand vor der Kaufentscheidung stattfindet ... das ist die Zukunft ... wenn das Arzneimittel kommt bevor ich "erkrankte" ...

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Neue Spielart des Versandhandels

von T. La Roche am 31.05.2017 um 21:20 Uhr

Wenn DocMorris nun eine neue Art des Versandhandels erzwingen möchte, welche Spielregeln gelten denn für diese Art Vorversand?
Der Gesetzgeber hat das nicht vorgesehen.
In den einzelnen Bestimmungen des ApoG §11 ist zu entnehmen, dass eine Apotheke an einen bestimmten Patienten ein gewünschtes Arzneimittel versendet. Dass es einen Zwischen/Großhändler gibt und in fremden Räumlichkeiten gelagert wird bevor der Patientenwunsch geäußert wird, das war nie vorgesehen.
Wenn dieser neuartige Vorversand nun "gewünscht" wird, dann muss es doch irgendwelche gesetzlichen Bestimmungen dafür geben. Die gibt es nicht!
Kann ich die Arzneimittel, dann in einer Kneipe oder einer Kirche vorlagern...oder bei einem Rockkonzert in einem Container? Wer haftet? Befindet man sich mit dieser kreativen Zerstörung in einem völlig rechtsfreien Raum? Beginnen wir nun in so einem sensiblen Bereich wie Arzneimittel, wo der Sachverständigenausschuss des BfArMs die Apothekenpflicht ausführlich diskutiert und bestimmt, ein Hase und Igel Spiel mit ausländischen Kapitalgesellschaften?
Hat der deutsche Gesetzgeber die Hoheit über seine Gestaltung angesichts der Phantasie des Big Business unter dem Deckmantel der "Digitalisierung" verloren?
Man kann nur hoffen, dass die Gerichte die Gesetze und deren Intention verstehen.
Ansonsten verschenke ich eine Woche an alle Kunden Bananen für umme. Spargel ist mir zu teuer.

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Gerichtsverhandlung Mosbach

von Wolfgang Kemp am 31.05.2017 um 20:56 Uhr

Armes, armes Deutschland! Wir halten uns an Recht und Gesetz. Andere setzen sich kaltschnäuzig darüber hinweg. Und das mit dem Segen des Gesetzgebers. Hätten wir das als "vor-Ort-Apotheken" gemacht, wäre der "Strafhammer" umgehend niedergegangen. Frechheit siegt eben. Ist das das neue "Geschäftsmodell"? Und wann kommt denn endlich mal eine "Breitseite" aus Berlin? Oder hören wir wieder mal das hilflose Argument, dass alles nur noch schlimmer hätte kommen können? Denk' ich an all das in der Nacht, bin ich wirklich um den Schlaf gebracht !

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