Wissenswertes für Apotheker

Wenn die „deutsche Superwespe“ sticht

Stuttgart - 30.05.2017, 09:45 Uhr

Was tun, wenn eine „Echte Wespe“ gestochen hat? Wespenstiche sind in der Apotheke im Sommer ein Thema. (Foto: murgvi / Adobe Stock)

Was tun, wenn eine „Echte Wespe“ gestochen hat? Wespenstiche sind in der Apotheke im Sommer ein Thema. (Foto: murgvi / Adobe Stock)


„Deutsche Superwespen drohen in britische Gärten und Parks einzufallen.“ Das titelte die Boulevardzeitung „The Sun“ am vergangenen Wochenende. Bislang war die Insel von den Plagegeistern nämlich kaum betroffen, aufgrund der milden Wetterbedingungen befürchtet man nun eine Wespenplage. Hierzulande sind sie ein gleichermaßen bekannter wie ungeliebter Sommergast. Was rät man im Falle eines Stiches in der Apotheke und was ist eigentlich im Wespengift?

Vespula germanica – die deutsche Wespe, die zu den Vespinae, den Echten Wespen, zählt, gehört zu den eher unbeliebten Sommergästen. Sie ist neben der Gemeinen Wespe (Vespula vulgaris), ebenfalls eine Echte Wespe, eine der häufigsten Wespenarten Mitteleuropas. Wespen stürzen auf alle möglichen Lebensmittel und wenn man sie verjagt, werden sie aggressiv und stechen. In Großbritannien waren offensichtlich bislang die Brutvoraussetzungen nicht optimal, dort blieb man von den schwarz-gelben Insekten weitestgehend verschont. Doch nun zittert die Insel der Boulevardzeitung „The Sun“ zufolge vor den „German super wasps“, die mehrfach stechen können. Denn im Gegensatz zu Bienen ziehen Wespen ebenso wie Hummeln und Hornissen ihren Stachel nach dem Stich wieder aus der Wunde. Schuld an der befürchteten Zunahme der Insekten ist das Klima: Der Winter war mild, das Frühjahr warm, die Brutvoraussetzungen waren optimal. Man befürchtet eine Wespenplage auf der Insel, heißt es. 

Enzyme, Peptide und Histamin

Wespenstiche sind schmerzhaft und rufen eine lokale Entzündung hervor. Die Wespe besitzt einen speziellen Giftapparat, der aus einer Giftblase und einem Injektionssystem, dem Stachel, besteht. Wespenstiche sind eigentlich für den Menschen nicht sonderlich toxisch. Für eine tödliche Dosis Wespengift müsste ein Mensch von mehreren tausend Wespen gestochen werden. Trotzdem gibt es immer wieder Todesfälle. Hinter denen stecken aber dann allergische Reaktionen.

Das Wespengift ist ein Vielstoffgemisch. Es zeichnet sich durch seinen hohen Gehalt an Peptiden aus, die Histamin aus Mastzellen freisetzen. Im Gift selbst ist zwar auch Histamin enthalten und wird beim Stich injiziert. Das reicht aber nur für eine lokale Schwellung bzw. Rötung, nicht für eine allgemeine Vergiftung. Diese Peptide bestehen aus 13 bis 17 Aminosäuren ohne Disulfidbrücken, zum Beispiel Mastoparan mit der Aminosäuresequenz Ile-Asn-Leu-Lys-Ala-Leu-Ala-Ala-Leu-Ala-Lys-Lys-Ile-Leu-NH2.

Diese Peptid-Moleküle besitzen amphiphile Eigenschaften. Sie setzen über Interaktion mit G-Proteinen rasch Histamin aus Mastzellen frei, alleine das führt schon zu einem starken Schmerz. Dieser wird jedoch noch verstärkt – durch Kinine. Die sogenannten Wespenkinine sind ebenfalls Peptide, die strukturell dem Bradykinin ähneln, einem vasokativen Peptidhormin mit Histamin-artiger Wirkung. Sie sind jedoch am N- oder C-Terminus um einige Aminosäuren länger. Die Wespenkinine rufen einen starken Schmerz hervor, der sofort einsetzt, außerdem wirken sie gefäßerweiternd und erhöhen die Permeabilität der Gefäße. Es kommt also zu weiterer Ödembildung. Zudem enthält das Wespengift noch Enzyme, wie Phospholipasen und Hyaluronidase. Sie haben hohen Anteil an der allergenen Wirkung.

Erstickungsgefahr kann auch bei Nicht-Allergikern drohen

Die Reaktionen auf eine Wespenstich, also Schmerzen, Rötung und Ödem lassen sich also durch die Histaminwirkung erklären. Problematisch sind dabei vor allem Stiche im Mund und Rachenbereich, bei denen die Schwellung auch bei Nicht-Allergikern Erstickungsgefahr hervorrufen kann. Auch wenn das Insektengift bei einem Stich außerhalb des Mund- und Rachenraums mehr Folgen zeigt als starke Schmerzen und eine örtliche Schwellung, sollte rasch notfallmedizinische Hilfe (Notarzt!) angefordert werden.

Bei Allergikern kommt es nach einem Stich zu Reaktionen vom Soforttyp bis hin zum anaphylaktischen Schock. Bei Letzterem fällt der Blutdruck rapide ab. Unbehandelt endet das meist tödlich. Allergische Sofortreaktionen sind die häufigste Komplikation nach Wespenstichen. Reaktionen mit verzögertem Wirkungseintritt sind eher selten.

Was kommt ins Notfallkit?

Menschen mit Allergien, vor allem solche, bei denen in der Vergangenheit vermehrt gesteigerte örtliche Reaktionen aufgetreten sind, sind deshalb angehalten, für den Notfall bestimmte Arzneimittel mit sich zu tragen: 

  • ein Antihistaminikum in flüssiger Form (z.B. Fenistil)
  • und ein orales Glucocorticoid (100 mg Prednisolonäquivalent), z.B. Celestamine® N 0,5 liquid, Dosierung: 30 ml, ganze Flasche austrinken. Diese Dosierung gilt für Erwachsene und Kinder ab sechs Jahren.  
  • bei Herz-Kreislaufreaktionen kommt Adrenalin zur Selbstinjektion in den Oberschenkel zum Einsatz (Fastjekt® Injektor, Jext®).

Vor wenigen Jahren wurden noch Adrenalin-Inhalativa empfohlen – 10 bis 15 Hübe bei Bedarf lautete die Empfehlung. Aufgrund der FCKW-Verbotsverordnung sind aber keine inhalierbaren Adrenalinpräparate mehr verfügbar. Der Einsatz dieser Aerosole war ohnehin nicht unproblematisch. Es gab keine Gewissheit, ob und wieviel Adrenalin in den Organismus gelangt. Basierend auf Untersuchungen konnte man davon ausgehen, dass ein Erwachsener für eine ausreichende Serumkonzentration wenigstens 20 Hübe korrekt inhalieren musste. Für Patienten mit Anaphylaxie wurde von der Arbeitsgemeinschaft Anaphylaxie Training und Edukation (AGATE) ein besonderes Schulungsprogramm entwickelt. Bei einem Stich müssen sie stets unverzüglich ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Einzige langfristige Therapieoption ist eine spezifische Immuntherapie (Hyposensibilisierung).

Was tun im Falle eines Stiches?

Bei der Mehrheit der Menschen ist ein Wespenstich vor allem schmerzhaft, aber nicht gefährlich. Grundsätzlich gilt: Sollte der Stachel doch steckenbleiben, muss dieser als erste Maßnahme entfernt werden, danach sollte die Einstichstelle erst einmal gekühlt werden. Kaltes Wasser, Eiswürfel oder Kühlkompressen (z.B. Cold-Hot-Packs) kühlen die Einstichstelle und helfen, die Schwellung klein zu halten. Auch kalte Umschläge mit essigsaurer Tonerde-Lösung (5 bis 10%ig, ca. ein Esslöffel auf ein Glas Wasser) oder ein kühlendes Gel bringen Linderung. Nach akuten, lokalen Stichreaktionen werden die Symptome mit einem topischen Glucocorticoid in Creme oder Gelgrundlage behandelt, gegebenenfalls auch mit einem feuchten Umschlag, der nach etwa 20 Minuten zu erneuern ist. Bei ausgeprägter Reaktion wird oral wird ein H1-Antihistaminikum (z.B. Loratadin, Cetirizin) gegeben sowie unter Umständen ein orales Corticoid (0,5 bis 1 mg Prednisolon-Äquivalent/kg Körpergewicht, rasche Dosisreduktion, Absetzen nach drei bis fünf Tagen). 

So vermeidet man Stiche

Am besten ist es natürlich, Stiche zu vermeiden. Durch Beachtung von ein paar Regeln lässt sich das Risiko, dass die „deutsche Superwespe“ sticht, zumindest senken. So sollte man beispielsweise im Freien kein Fleisch, keine Süßspeisen, Bier und gezuckerte Getränke (z.B. Cola, Limonade, Obstsäfte) verzehren und beim Trinken aus offenen Flaschen oder Getränkedosen immer erst überprüfen, ob ein Insekt hineingeklettert ist, Trinkgläser abdecken. Außerdem wird dringend geraten, nicht nach den Wespen zu schlagen, sondern sich möglichst ruhig zu verhalten. Und da Wespen aggressiv reagieren, wenn man ihrer Behausung zu nahe kommt, gilt: Menschen sollten stets einen Mindestabstand von sechs Metern zu einem Nest einhalten. Unter Umständen muss man Nester, zum Beispiel in Balkonnähe, entfernen lassen – durch einen Fachmann oder im Notfall auch von der Feuerwehr. 

Wie wird der deutsche Wespensommer?

In weiten Teilen Deutschlands, zum Beispiel in Berlin, zeichnet sich für diesen Sommer übrigens noch keine Wespenplage ab. Der Mai habe sehr kühl begonnen. Das fiel möglicherweise in die Phase der Nestgründungen, da könnten einige Königinnen gestorben sein, vermutet eine Sprecherin des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) gegenüber der Berliner Zeitung. Aber für eine genaue Prognose sei es noch etwas zu früh, so die Expertin. 



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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