Verträge mit Pharmaunternehmen

Kassen bereiten sich auf neue Rabattverträge für Zytostatika vor

Berlin - 24.05.2017, 15:00 Uhr

Auf Zyto-Apotheken kommt bald die neue Rabattvertrags-Generation zu. (Foto: benicoma /Fotolia)

Auf Zyto-Apotheken kommt bald die neue Rabattvertrags-Generation zu. (Foto: benicoma /Fotolia)


Zum 31. August 2017 werden alle noch bestehenden Zyto-Verträge zwischen Krankenkassen und Apotheken unwirksam. Ab September soll es dann ganz neue Verträge geben: Die Kassen laufen sich warm für eine gemeinsame bundesweite Ausschreibung mit regionaler Komponente.

Mit dem Arzneimittelversorgungs-Stärkungsgesetz (AMVSG) hat der Gesetzgeber die vor gut zehn Jahren geschaffene Rechtsgrundlage für die Zyto-Verträge zwischen Krankenkasse und Apotheken gestrichen. Zuletzt hatten immer mehr Kassen die Versorgung mit individuell hergestellten parenteralen Zubereitungen aus onkologischen Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten ausgeschrieben. Dabei waren sie bestärkt durch ein Urteil des Bundessozialgerichts, demzufolge diese Verträge andere Apotheken ohne Vertrag von der Versorgung ausschließen – damit konnten sie sicher sein, mit ihren exklusiven Vertrags-Apotheken zu sparen.

Die neue Rechtslage

Nicht nur Apotheker und Ärzte kritisierten die Exklusivverträge mit Apotheken und forderten das freie Apothekenwahlrecht zurück. Die Politik hatte schließlich ein Einsehen. Da in diesem Bereich dennoch gespart werden muss, wurde eine neue Rechtsgrundlage geschaffen: Künftig sollen Kassen direkt mit den Herstellern der Zytostatika Rabatte vereinbaren (§ 130a Abs. 8a SGB V). Und zwar sollen dies die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen einheitlich und gemeinsam tun. Ansonsten gelten die gesetzlichen Vorgaben wie für die bekannten Arzneimittelrabattverträge (§ 130a Abs. 8 SGB V). In den Zyto-Verträgen ist überdies die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten zu berücksichtigen. Im Einzelfall können auch Verträge mit mehreren pharmazeutischen Unternehmern geschlossen werden. Außerdem ist die Hilfstaxe neu anzupassen. Mit diesen beiden Neuerungen – so schätzt der Gesetzgeber – seien 200 bis 250 Millionen Euro gegenüber der bisherigen Anwendung der Hilfstaxe einzusparen.

Doch noch laufen die Alt-Verträge der Kassen mit Apotheken. Und zwar bis zum 31. August 2017. Dabei gibt es derzeit unterschiedliche Auffassungen, ob die Verträge wirklich exklusiv sind. Angesichts der Preise der fraglichen Arzneimittel sollten Apotheker ohne Vertrag vor der Versorgung eines Patienten mit Zyto-Zubereitungen bei dessen Krankenkasse nachfragen, ob sie die Vergütung übernimmt. Ohne eine solche Bestätigung sollte sie auf die Versorgung verzichten, will sie Retaxationen vermeiden. Während einzelne AOKen bei den Apotheken-Verträgen einmal mehr Vorreiter waren, entschieden sich die Ersatzkassen – mit Ausnahme der DAK-Gesundheit – erst sehr spät auf diesen Zug aufzuspringen. Tatsächlich starteten Barmer, TK und KKH ihre Ausschreibung erst als schon absehbar war, dass es diese nicht mehr lange geben wird.

Open-House-Verträge für die Zwischenphase

Doch nun laufen sich alle sechs Ersatzkassen für die neue Generation der Zyto-Verträge warm. Bis die Hersteller-Verträge auf Grundlage des neuen § 130a Abs. 8a SGB V in Kraft treten können, setzen sie auf Open-House-Verträge mit Herstellern. Ende März und Anfang April haben sie eine entsprechende Ausschreibung gestartet. In den beiden Tranchen sind insgesamt zehn generische onkologische Wirkstoffe ausgeschrieben. Wie zu hören ist, sind die ersten Verträge bereits abgeschlossen. Allerdings: Von Bedeutung sind diese nicht, so lange die exklusiven Apotheken-Verträge existieren. Ausdrücklich heißt es in der Ausschreibung – die in ihrer Open-House-Variante nicht die vergaberechtlichen Förmlichkeiten einhalten muss – dass diese nicht-exklusiven Rabattverträge der Überbrückung dienen sollen. Und zwar zwischen dem Auslaufen der exklusiven Apotheken-Verträge Ende August 2017 und dem Wirksamwerden der neuen exklusiven Hersteller-Verträge.

Bundesweite Ausschreibung in Vorbereitung

Doch es tut sich noch mehr bei den Kassen. Nach Informationen von DAZ.online sind auch schon Vorbereitungen angelaufen für eine Ausschreibung möglichst aller Krankenkassen. Die Ersatzkassen sollen sich über diese bereits verständigt haben. Nun stimmen sie sich mit anderen bundesunmittelbaren Kassen sowie den regional aktiven AOKs ab. Ziel ist ein einheitliches bundesweites Ausschreibungsverfahren mit regionaler Komponente: Für jedes Bundesland soll es letztlich über Regionallose einen Vertrag geben. Erst einmal wollen die Kassen auch hier über das Open-House-Modell gehen, denn das geht einfach schneller. Erfahrungsgemäß dauert es ab der Veröffentlichung der offiziellen exklusiven Ausschreibung acht bis zehn Monate, bis exklusive Rabattverträge in Kraft treten können

Parallel soll ausgelotet werden, ob auch solche exklusiven Verträge mit Herstellern gemeinsam geschlossen werden können. Denn erst mit Letzteren kann wirklich deutlich gespart werden. Ein Hersteller, der in einem Bundesland exklusiv alle Krebspatienten mit seinem Wirkstoff versorgen darf, kann natürlich einen größeren Rabatt geben als mehrere Hersteller, die sich nicht sicher sein können, ob ihr Produkt einem anderen vorgezogen wird. Die Vorstellung der Kassen ist: Bei einem Herstellerrabatt von 70 bis 90 Prozent  ist Apotheken jede Möglichkeit genommen selbst Vorteile zu generieren – mit fragwürdigen Mauscheleien zwischen Ärzten und Apothekern im Zyto-Bereich wäre dann wirklich Schluss.

Kassen gehen von Abgabepflicht für Apotheken aus

Diese gemeinsame Open-House-Ausschreibung könnte theoretisch sofort starten, sodass ab August die ersten Verträge stehen könnten. Aus Kassensicht bestünde bei den Open-House-Verträgen, die nach der neuen Rechtsgrundlage geschlossen werden, auch eine Austauschverpflichtung für die Apotheken. Das heißt: Beachtet die Apotheke die Verträge nicht, wird retaxiert. Die Apotheken-Software wäre voraussichtlich nicht so schnell vorbereitet. Damit die Apotheken dennoch über die rabattierten Fertigarzneimittel für ihre Zyto-Zubereitungen informiert sind, würden die Kassen ihnen Einkaufslisten mit diesen Produkten zur Verfügung stellen. Sie gehen davon aus, dass diese Listen überschaubar sind.  



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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