Nordrhein-Westfalen

Wie beurteilen die Apotheker die NRW-Landtagswahl?

Berlin - 16.05.2017, 07:00 Uhr

Trotzdem mit FDP verhandeln: Obwohl die FDP die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes ins Spiel bringt, wollen die Kammer- und Verbandschefs aus Nordrhein-Westfalen (Thomas Preis, Lutz Engelen, Gabriele Regina Overwiening und Klaus Michels - von oben links nach unten rechts) mit den Liberalen verhandeln. (Grafik: DAZ.online)

Trotzdem mit FDP verhandeln: Obwohl die FDP die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes ins Spiel bringt, wollen die Kammer- und Verbandschefs aus Nordrhein-Westfalen (Thomas Preis, Lutz Engelen, Gabriele Regina Overwiening und Klaus Michels - von oben links nach unten rechts) mit den Liberalen verhandeln. (Grafik: DAZ.online)


Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen steht fest: Das bevölkerungsreichste Bundesland wird eine neue, CDU-geführte Regierung bekommen. Was bedeutet das für die Apotheker? Und wie beurteilen zwei Apothekerverbände und -kammern das starke Abschneiden der FDP? DAZ.online hat bei den vier Chefs der NRW-Verbände und Kammern nachgefragt.

Am Sonntag hat in Nordrhein-Westfalen die SPD eine herbe Wahlniederlage einstecken müssen: Die Sozialdemokraten landeten bei 31,2 Prozent und sackten somit um fast 8 Prozentpunkte ab. Auch die Grünen verloren und landeten bei 6,4 Prozent. CDU und FDP konnten hingegen starke Gewinne erzielen. Die Piraten flogen aus dem Parlament, während die AfD als neue Kraft in den Landtag einzieht. Die Linke hat den Einzug knapp verpasst. Die wahrscheinlichste Koalition ist somit ein schwarz-gelbes Bündnis, das allerdings mit einer sehr knappen Mehrheit regieren muss.

DAZ.online hat bei den Spitzen der Apothekerkammern und -verbänden aus Westfalen-Lippe und Nordrhein nachgefragt, was für die Apotheker in der kommenden Legislatur wichtig sein wird und wie sie mit der starken FDP umgehen wollen.

AKWL-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. (Foto: AKWL)

DAZ.online: Liebe Frau Overwiening, was erwarten Sie von der neuen Landesregierung?

Overwiening: Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe erwartet von einer neuen Landesregierung, dass sie an die bisherige Positionierung der rot-grünen Landesregierung für ein Rx-Versandhandelsverbot anknüpft. Da die neue Landesregierung von Armin Laschet angeführt wird, der sich bisher sehr eindeutig und klar zur Initiative von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe bekannt hat, sind wir sehr zuversichtlich, dass auch die neue Landesregierung diesen Kurs für eine wohnortnahe und flächendeckende Arzneimittelversorgung konsequent weiterverfolgt.

DAZ.online: In welchen Bereichen haben Sie mit Frau Steffens besonders gut kooperiert?

Overwiening: Im Bereich der Arzneimitteltherapiesicherheit und bei E-Health-Projekten hat die AKWL sehr vertrauensvoll mit Landesgesundheitsministerin Steffens und ebenso vertrauensvoll mit ihrem Vorgänger Karl-Josef Laumann zusammengearbeitet. Wir setzen hier auch weiterhin auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.

DAZ.online: Bei der Finanzierung der PTA-Schulen hatte die rot-grüne Landesregierung ja eine andere Meinung als Sie. Könnte dieser Konflikt unter einer CDU-geführten Landesregierung gelöst werden?

Overwiening: Wir haben die berechtigte Hoffnung, dass die Finanzierung der PTA-Schulen endlich auf eine dauerhaft solide und sichere Basis gestellt wird. Hier reicht es unserer Ansicht nicht allein aus, dass die von der rot-grünen Landesregierung eingestellte Förderung der PTA-Schulen wieder reaktiviert wird. Wir brauchen hier eine nachhaltige strukturelle Veränderung, wie die von der CDU ins Spiel gebrachte Verlagerung der Zuständigkeiten in das Schulministerium bei einer gleichzeitigen Gebührenfreiheit der Ausbildung.

Was sagt Kammerpräsident Lutz Engelen zum Wahlergebnis?

AKNR-Präsident Lutz Engelen (Foto: Schelbert)

DAZ.online: Lieber Herr Engelen, werden Sie die alte Landesregierung vermissen?

Engelen: Es ist schon schade, dass Frau Steffens nicht mehr Gesundheitsministerin sein wird. Sie war eine ehrliche, offene und innovative Ministerin und hat uns immer unterstützt, bis auf die Frage mit den PTA-Schulen. Der Widerspruch der Grünen bei der Finanzierung der PTA-Schulen lag hier aber eher bei Frau Löhrmann.

DAZ.online: Welche Koalition wäre denn nun die beste für die Apotheker?

Engelen: Es ist für uns schon gut, dass die CDU die nächste Landesregierung anführen wird. Die NRW CDU hat uns in unserer Forderung nach dem Rx-Versandverbot massiv unterstützt, wohingegen Hannelore Kraft uns ihre direkte Zusage nie gegeben hat. Die Themen ‚Freiberuflichkeit‘ und ‚Flächendeckende Versorgung’ sind bei der CDU derzeit einfach am besten aufgehoben. Was die Koalition betrifft, bin ich persönlich gegen eine Große Koalition, weil ich denke, dass für einen spannenden Politikbetrieb eine große und gut funktionierende Opposition wichtig ist.

DAZ.online: Aber was machen Sie, wenn es dann einen FDP-Gesundheitsminister gibt, der vielleicht sogar die Aufweichung des Mehrbesitzverbotes fordert?

Engelen: Das glaube ich nicht. Das Gesundheitsressort ist so wichtig, dass die CDU es nicht an den kleinen Koalitionspartner übertragen wird. Ich glaube, dass die FDP derzeit von ihrem Stempel der ‚Klientelpartei‘ wegkommen möchte. Wir Apotheker erwarten aber, dass die FDP sich zum Freien Beruf bekennt, sobald sie Regierungsverantwortung übernimmt. Dazu wird es natürlich nötig sein, dass wir auch mit der FDP im Gespräch bleiben.

Was sagt Verbandschef Klaus Michels zum Wahlergebnis?

Verbandsvorsitzender Klaus Michels (Foto: AVWL)

DAZ.online: Lieber Herr Michels, welche Anforderungen und Erwartungen haben die Apotheker an die neue Landesregierung?

Michels: Wir haben zwei Kernforderungen. Erstens erwarten wir, dass die neue Landesregierung mit uns gemeinsam das Rx-Versandverbot auf Bundesebene einfordert. Bundesminister Gröhe kommt ja aus NRW, und auch die CDU NRW hat uns in dieser wichtigen Frage immer unterstützt. Insofern sehe ich einer Zusammenarbeit mit einer CDU-geführten Landesregierung optimistisch entgegen. Zweitens fordern wir, dass die Finanzierung der PTA-Schulen wieder auf eine gesicherte Grundlage gestellt wird.

DAZ.online: Die wahrscheinlichste Konstellation für die künftige Regierungskoalition ist derzeit Schwarz-Gelb. Wie werden Sie mit der FDP umgehen?

Michels: Wir müssen unbedingt mit Hr. Lindner persönlich reden und herausfinden, wie die FDP zu den Freien Berufen steht. Wir Freiberufler übernehmen doch im Auftrag des Staates viele wichtige Gemeinwohlpflichten und entlasten den Staat somit. Das ist doch eine der Grundideen der FDP. Herr Lindner selbst – und nicht seine Vertreter – möchte uns bitte erklären, ob ihm bewusst ist, was er da fordert. Denn ich meine, dass er seiner eigenen liberalen Philosophie widerspricht, wenn er die Freien Berufe schwächen und gleichzeitig Großkonzerne stärken will.

DAZ.online: Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die nun endende Legislaturperiode zurück? War es eine gute Zeit für die NRW-Apotheker?

Michels: Einerseits war es natürlich toll, dass die Landesregierung uns nach dem EuGH-Urteil sofort ihre Unterstützung zugesagt hat und mit uns das Rx-Versandverbot eingefordert hat. Andererseits bleibt auch großer Frust mit Blick auf die PTA-Schulen. Denn Frau Kraft hat erst versprochen, kein Kind zurückzulassen, dann aber genau gegenteilig gehandelt, indem sie die Finanzierung der PTA-Schulen nicht mehr mitgetragen hat.

Was sagt Verbandschef Thomas Preis zum Wahlergebnis?

Thomas Preis, Verbandschef in Nordrhein (Foto: AVNR)

DAZ.online: Lieber Herr Preis, wann werden die ersten Gespräche mit der neuen Landesregierung beginnen?

Preis: Wir sind ja jetzt schon kontinuierlich im Gespräch mit den Parteien und müssen jetzt erst einmal abwarten, wie die Regierungsbildung abläuft. Wir werden das genau beobachten und dann schnell die ersten offiziellen Gespräche führen.

DAZ.online: Was werden Sie denn für Forderungen stellen?

Preis: Wir wollen die Freiberuflichkeit und somit auch die inhabergeführte Apotheke vor Ort weiterhin gesetzlich und politisch verankert sehen, wir fordern den Erhalt der Arzneimittelpreisverordnung sowie einheitliche und gemeinschaftliche Verträge mit den Krankenkassen. Daneben gibt es noch weitere landesspezifische Forderungen, wie beispielsweise die Finanzierung der PTA-Schulen.

DAZ.online: Mit diesen Forderungen müssten Sie ja bei der CDU gut aufgehoben sein…

Preis: Es ist schön, dass die CDU bei uns im Land die stärkste Partei ist, da sie unsere Kernforderungen versteht und mitträgt. Wir fordern allerdings, dass die CDU zu ihrem Wort steht und diese Aussagen auch in einem Koalitionsvertrag für das Land festhält.

DAZ.online: Was sagen Sie zum starken Abschneiden der FDP? Angst vor einem „gelben“ Gesundheitsminister?

Preis: Die CDU ist die stärkste Kraft im Parlament und bei der Regierungsbildung. Sie muss sich an dieser Stelle gegen die Forderungen der FDP durchsetzen. Da mache ich mir aber keine Sorgen.

DAZ.online: Blicken die Apotheker auf fünf positive oder unschöne rot-grüne Jahre in NRW zurück?

Preis: Dass SPD und Grüne groß angekündigt haben, kein Kind zurücklassen zu wollen und dann den PTA-Nachwuchs ausgeklammert haben, das war schon wirklich defizitär und unerfreulich. Andererseits fühlten wir uns nach dem EuGH-Urteil in der Sache von beiden Parteien gut unterstützt, SPD und Grüne haben die Bundesratsinitiative zum Versandverbot mitgetragen. Allerdings haben sie diese Forderungen dann auch nicht auf Bundesebene in ihren eigenen Parteien durchsetzen können, was wiederum unerfreulich ist.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Arzneimitteloptimismus bei der CDU für uns Apotheker?

von Heiko Barz am 17.05.2017 um 13:38 Uhr

Leider gibt es auch in der CDU ( geschweige denn fdp ) genügend Nerds, die neben der Digitalen Welt jeden Weg der analogen Normalmedizin aus den Augen verloren haben und nur noch dem elektronischen Datenwahnsinn fröhnen.
Gerade haben wir weltweit erkennen und mühsam abwehren müssen, was uns in Zukunft blüht. Auch unsere Aposystemen werden irgendwann lahmgelegt. Wir als Apotheker können noch aber eine Zeitlang analog Arzneimittel ausgeben. Anders sieht es in den Kliniken aus und da geht es jeden Tag um viele MenschenLeben.
Soll sagen, man sollte nie nur eine Richtung verfolgen!
Aber diese Weisheit resultiert aus Jahrzehnte langer Berufserfahrung.
Wie sollen das die jungen, unerfahrenen und der digitalen Welt maßlos verfallenen Berufspolitiker von CDU, FDP, SPD UND B90/Gr. erkennen?!

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Optimismus in Richtung CDU?

von Bernd Jas am 16.05.2017 um 13:55 Uhr

Schön und gut, aaaber alle Versprechungen und Zusagen sind aus der Position der Oppositionsbank getätigt worden.
Da ist aus meiner Sicht äußerste Skepsis angesagt. Von wegen PTA-Schulen.
Und schon vor den Koagulationsverhandlungen wird die Elastizität der Pascal-Skala von kleinen Parteien auf Belastbarkeit geprüft.

Das Schlimme am Wahlausgang ist der Fortfall von geeigneter Opposition mit Fähigkeit zu kluger Kritik.
Arme Demokratie.

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