Nach Auftreten in Tiefkühl-Himbeeren

Norovirus-Infektionen – kurz, aber heftig

Stuttgart - 12.05.2017, 16:45 Uhr

Hygiene ist das A und O, um die Verbreitung von Noro- Viren zu unterbinden. (Foto: picture alliance /dpa)

Hygiene ist das A und O, um die Verbreitung von Noro- Viren zu unterbinden. (Foto: picture alliance /dpa)


In Tiefkühlhimbeeren aus Polen wurden Noroviren nachgewiesen. Das europäische Schnellwarnsystem „Rapid Alert System for Food and Feed“ (RASFF) der EU-Kommission warnte daher vor dem Verzehr. Eigentlich macht der Erreger, der Erbrechen und Durchfall verursacht, meist im Winter Schlagzeilen, grundsätzlich können Infektionen aber das ganze Jahr auftreten. Ist das Virus wirklich so „gefährlich“, wie es in den Schlagzeilen zum Teil zu lesen ist?

Noroviren (Caliciviridae) sind weltweit verbreitet. Sie zeichnen für einen Großteil der nicht bakteriell bedingten Gastroenteritiden bei Kindern (ca. 30%) und bei Erwachsenen (bis zu 50%) verantwortlich. Besonders häufig sind Kinder unter fünf und Senioren über 70 Jahren betroffen.  Bei Säuglingen und Kleinkindern sind Noroviren nach den Rotaviren die zweithäufigste Ursache akuter Gastroenteritiden. Die Häufung bei kleinen Kindern und älteren Menschen hat Anteil daran, dass Noroviren die überwiegende Ursache von akuten Gastroenteritis-Ausbrüchen in Gemeinschaftseinrichtungen, Krankenhäusern und Altenheimen sind.

Die Hauptsymptome sind schwallartiges heftiges Erbrechen und starke Durchfälle. Dadurch kommt es zu erheblichem Flüssigkeitsverlust, der vor allem für Ältere, Säuglinge und Kleinkinder sowie geschwächte Personen gefährlich werden kann. Sie müssen unter Umständen sogar kurzzeitig stationär behandelt werden. Für alle anderen ist eine Norovirus-Infektion vor allem unangenehm. Denn zu Erbrechen und Durchfall kommt meist ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl mit abdominalen Schmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Myalgien und Mattigkeit. Hohes Fieber ist eher ungewöhnlich, leicht erhöht kann die Körpertemperatur jedoch sein. Es gibt aber auch einzelne Fälle, in denen die Symptomatik entweder auf Erbrechen oder Diarrhöe beschränkt ist, sowie leichtere oder asymptomatische Verläufe. 

Infektion auch über Aerosole beim Erbrechen

Erkrankte Personen sind hoch ansteckend. Bereits zehn bis 100 Viruspartikel genügen als „Infektionsdosis“. Die Übertragung kann nicht nur fäkal-oral, also über Handkontakt mit kontaminierten Flächen, erfolgen, sondern auch über die orale Aufnahme virushaltiger Tröpfchen, die im Rahmen des schwallartigen Erbrechens entstehen.  Die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist für die meisten Infektionen verantwortlich, aber auch von kontaminierten Speisen, wie eben den besagten Himbeeren, kann sich der Erreger verbreiten.

Die Inkubationszeit liegt bei sechs bis 50 Stunden. Die Krankheit selber verläuft dann kurz und heftig. Die Symptome setzen akut ein und bestehen etwa zwölf bis 48 Stunden. In dieser Phase besteht auch die größte Ansteckungsgefahr. Allerdings wird das Virus noch etwa ein bis zwei Wochen nach einer akuten Erkrankung über den Stuhl ausgeschieden – in Einzelfällen auch länger. Daher darf, selbst wenn das Schlimmste bereits überstanden ist, die Sanitär- und Händehygiene nicht vergessen werden. Bei Desinfektionsmitteln ist darauf zu achten, dass sie ein entsprechendes Wirkspektrum gegen unbehüllte Viren besitzen. „Normales“ Sterilium reicht beispielsweise nicht. Der Mensch ist das einzige bekannte Reservoir des Erregers.New Link

Noroviren verändern sich ständig

Infektionen mit Noroviren können das ganze Jahr über auftreten, wobei ein saisonaler Gipfel in den in den Wintermonaten zu beobachten ist. Eine kausale antivirale Therapie gibt es nicht. Primär muss versucht werden, die Flüssigkeits- und Elektrolytverluste auszugleichen. Bei starkem Erbrechen kann der Einsatz von Antiemetika erwogen werden. Der Prävention kommt daher eine entschiedene  Rolle zu. Eine nachgewiesene Infektion mit dem Norovirus ist meldepflichtig und muss dem Gesundheitsamt mitgeteilt werden.

Aufgrund von genetischen Unterschieden in der Polymerase- und Kapsidregion unterteilt man in fünf Genogruppen (GG I bis V). Drei davon sind human pathogen, nämlich GI, GII und GIV. Wobei die Genogruppen weiterhin in Genotypen differenziert werden. Das Norovirus zeichnet sich durch eine ausgeprägte Genomvariabilität aus. Das bedeutet eine durchgemachte Infektion bietet unter Umständen bei einem erneuten Ausbruch keinen Schutz. So bildet beispielsweise der weltweit dominante Genotyp GII.4 alle drei bis vier Jahre eine neue Driftvariante aus, die die vorherige verdrängt.

Steigt die Zahl der Noroinfektionen stark an, kann das auf das Auftreten von veränderten Viren hindeuten. So auch im vergangenen Winter, in dem 29 von 69 Ausbrüchen in neun Bundesländern auf  das Konto eines neuen Virustyp gingen, der durch eine Rekombination von GII.P16-Viren (ORF1) und GII.2-Viren (ORF2) entstanden ist – GII.P16- GII.2  Das Virus sei jedoch weder gefähr­licher noch verlaufe die Krankheit schwerer als sonst, heißt es von Seiten des RKI, es kann sich nur besser vor dem Immunsystem verbergen, sodass mehr Menschen erkranken.

Variabilität bringt Testverfahren an Grenzen

Diese Variabilität des Virus bringt auch gelegentlich die gängige Testverfahren an ihre Grenzen. Der Nachweis aus Stuhlproben erfolgt in der Regel  mit einem dieser drei Verfahren:

  • entweder durch den Nachweis der viralen RNA mittels RT-PCR (Reverse Transkriptase Polymerase-Kettenreaktion) oder  
  • durch den  Nachweis der viralen Antigene im ELISA (Enzyme Linked Immunosorbent Assay)
  • oder mithilfe von immunohromatographischen   Testmethoden   (Schnelltests).

Insbesondere bei kommerziellen Testsystemen auf Basis von ELISA und den Schnelltests schien die Sensitivität bei einer 2015 erstmalig in Deutschland nachgewiesenen Virus-Variante, GII.17, deutlich vermindert gewesen zu sein. Dies könnte unter anderem an der spezifischen Antikörper-Antigenbindung der kommerziellen Testsysteme liegen, die für diese Virusvariante weniger sensitiv ist, wie das Robert-Koch-Institut vermutet. Dadurch könnte es zu einer erhöhten  Falsch-Negativ-Rate in den GII.17-positiven Patientenproben kommen, befürchtet das RKI. RT-PCR und quantitative real-time-PCR (qPCR) hingegen detektierten den neuen GII.17 Genotyp sicher auch in niedrigen Konzentrationen, heißt es.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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