Apotheken im Wahlprogramm

So kam die FDP zum Fremdbesitz 

Stuttgart - 05.05.2017, 13:35 Uhr

Brandstifter im Apothekenwesen? Die FDP hat auf dem Bundesparteitag beschlossen, die Abschaffung des Fremdbesitzverbots ins Wahlprogramm zu nehmen. (Foto: dpa)

Brandstifter im Apothekenwesen? Die FDP hat auf dem Bundesparteitag beschlossen, die Abschaffung des Fremdbesitzverbots ins Wahlprogramm zu nehmen. (Foto: dpa)


Völlig überraschend schrieb sich die FDP die Abschaffung des Fremdbesitzverbots in ihr Wahlprogramm. Nach Recherchen von DAZ.online hatte die Antragskommission eine entscheidende Rolle bei der Einführung der Passage. Ob dieses Manöver beabsichtigt war oder nicht, ist völlig unklar. Fest steht: Die FDP ist weiterhin komplett zerstritten, wenn es um den Apothekenmarkt geht. Insbesondere jüngere Liberale wollen die Fremdbesitz-Aussage im Programm behalten.

Auch ein kurzer Satz kann es in sich haben. „Weitere Marktzugangshemmnisse wie das Fremdbesitzverbot müssen abgeschafft werden“, heißt es seit dem Wochenende im FDP-Wahlprogramm für die Bundestagswahl. Wie kam es zu der Kehrtwende der Liberalen in Sachen Apothekenpolitik – nachdem die FDP lange sogar als „Apothekerpartei“ bezeichnet wurde?

Gestellt hatte den Antrag der Landesverband Bayern: Obwohl dessen Vorsitzender Albert Duin im letzten Jahr gegenüber DAZ.online gesagt hatte, der Versandhandel schneide Apothekern das Fleisch von den Rippen und der Generalsekretär Daniel Föst vor einer „Phantomdebatte“ über die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes gewarnt hatte. Doch die Mehrheit im FDP-Vorstand Bayern entschied anders, und die Phantomdebatte nahm reale Züge an. 

Zwar wurde der umstrittene Antrag bereits vorab auf einer internen Webseite, die allen FDP-Delegierten zugänglich ist, sowie im Antragsbuch veröffentlicht. Doch anders als bei einem Antrag aus Baden-Württemberg, der ein vorübergehendes Rx-Versandverbot vorsah und nach kurzer Aussprache von 73 Prozent der Delegierten abgelehnt wurde, kam es zu überhaupt keinen Diskussionen um den Passus. 

Ein Bayer versuchte den Widerstand

Dies war insbesondere der Hektik auf dem Parteitag geschuldet – und dem Wort „Übernommen“ in der letzten Spalte im Antragsbuch. Letzteres bedeutet nämlich, dass die Antragskommission des Parteitags die automatische Übernahme des Antrags empfiehlt, wenn dies von den Delegierten nicht explizit verhindert wird. Die Antragskommission wird von den Delegierten jeweils für den nächsten Parteitag gewählt und ist auf dem Parteitag für die Organisation und Abarbeitung aller Anträge zuständig.

Nach Recherchen von DAZ.online wäre es beinahe dazu gekommen, dass sich ein Delegierter gegen die automatische Übernahme des Fremdbesitz-Passus protestiert hätte. „Ich konnte in dem Punkt nicht rechtzeitig Widerspruch einlegen“, erklärt FDP-Mitglied Andrew Ullmann, Infektiologie-Professor von der Uni Würzburg. Aufgrund des schnellen Ablaufes der mehreren hundert Anträge hatte er zu spät gemerkt, dass die Tagesordnung schon zum nächsten Antrag übergegangen war.

Doch Ullmann wollte noch eine zweite Chance nutzen – er stellte einen Geschäftsordnungsantrag, den Passus aus Bayern im Plenum zu diskutieren. Doch obwohl es zur Abstimmung kam, ging sein Begehren offenbar unter und erhielt nicht die nötige Mehrheit. Mehrere Delegierte berichten gegenüber DAZ.online, dass ihnen nicht klar war, dass der bayerische Antrag am Ende automatisch im Wahlprogramm landete.   

Überraschung und Kritik sogar in der Parteispitze

Sogar die für Gesundheitsfragen zuständige Parteivize Marie-Agnes Strack-Zimmermann zeigte sich gegenüber DAZ.online erstaunt über den radikalen Passus. „Während der teils unübersichtlichen Debatte ist dieser Halbsatz da reingekommen“, betonte sie – „auf Parteitagen geht es schon einmal etwas hektischer zu“. Sie versprach den Apothekern, dass „alle Gesundheitspolitiker der FDP“ keine Apothekenketten wollen, sondern – wie es auch im Wahlprogramm steht – inhabergeführte Apotheken stärken möchten. „Wir können den Apothekern versprechen, dass wir uns in den kommenden Wochen in der Partei zusammensetzen und uns überlegen, wie wir mit diesem Widerspruch umgehen“, erklärte die FDP-Vize. „Ob wir einen vom Parteitag beschlossenen Passus wieder aus dem Wahlprogramm löschen können, weiß ich noch nicht.“

Unverständnis bei den Initiatoren

Bei Armin Sedlmayr, Mitglied des FDP-Präsidiums in Bayern, stoßen diese Aussagen der stellvertretenden Bundesvorsitzenden auf großes Unverständnis – da er zusammen mit seinem Parteikollegen Matthias Fischbach die Fremdbesitz-Freigabe mit initiiert hatte. „Der Bundesvorstand war inhaltlich offenbar der Ansicht, den Antrag zu befürworten“, erklärt er angesichts der Tatsache, dass die Antragskommission die automatische Übernahme des Antrags initiiert hatte. „Insofern überrascht es mich, wenn da jemand überrascht ist.“

Obwohl beispielsweise auch seinem Vorstandskollegen Ullmann aus Würzburg unklar ist, inwiefern alle Delegierten die Konsequenzen des bayerischen Antrags bewusst waren, sieht Sedlmayr die Forderung nach Aufhebung des Fremdbesitzverbots nun als gesetzt an. „Es wurde beim Bundesparteitag beschlossen – insofern kann man auch davon ausgehen, dass das auch die Mehrheitsmeinung widerspiegelt“, erklärt er.  

„Eigentümerverhältnis für den Verbraucher irrelevant"

Er kritisiert auch die Äußerungen der FDP-Vize gegen die Einführung von Apothekenketten. „Das mag vielleicht die Meinung von Frau Doktor Strack-Zimmermann sein – inwiefern das die Meinung des FDP-Bundesvorstands wiederspiegelt, kann ich nicht beurteilen“, erklärt Sedlmayr. „Es steht für mich völlig außer Frage, dass ein Wahlprogramm, das der Bundesparteitag verabschiedet hat, in einer inhaltlichen Frage vom Bundesvorstand geändert wird.“ Er habe auch kein Problem damit gehabt, die Passage nochmal zu diskutieren – „aber es ist bei Weitem nicht so, dass das jemand untergeschoben hat oder mit einem Trick gearbeitet wurde“, betont Sedlmayr.

Auf Nachfrage erklärt der FDP-Politiker, dass er mit einer Freigabe des Fremdbesitzes auch das Mehrbesitzverbot als obsolet ansieht. Für beides gibt es aus seiner Sicht keinen Bedarf. „Als Verbraucher ist es für mich doch für meine Beratung von völlig nachrangiger Bedeutung, ob der Eigentümer ein approbierter Apotheker ist oder eine Kapitalgesellschaft“, sagt Sedlmayr. „Ich finde es richtig, dass die Beratung durch qualifiziertes Personal erfolgt – aber das Eigentümerverhältnis erscheint mir für den Verbraucher als irrelevant.“ 

„Auch das Präsidium ist an Parteitags-Beschlüsse gebunden“

Auch bei Phil Hackemann, Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, stoßen die Äußerungen Strack-Zimmermanns auf Protest. „Sorry, aber das geht gar nicht“, erklärte er unter Bezug auf die Äußerungen gegenüber DAZ.online auf Twitter. „Auch das Präsidium ist an Parteitags-Beschlüsse gebunden“, schrieb Hackemann. Strack-Zimmermann reagierte am Donnerstagabend gleich – und äußerte sich deutlich anders als im Interview von Mittwoch. „Niemand wird Parteibeschlüsse zugunsten von Lobbygruppen ändern“, erklärte sie auf Twitter  

Wie es weitergeht, dürfte auch für ein weiteres langjähriges FDP-Mitglied spannend werden: ABDA-Chef Friedemann Schmidt hatte das Wahlprogramm etwas zurückhaltend als „inkonsistent“ bezeichnet. FDP-Gesundheitspolitiker planen, in den nächsten Wochen über das weitere Vorgehen in Sachen Fremdbesitzverbot zu diskutieren. „Wenn wir in diese Richtung gehen, muss der Apotheker weiter die Verantwortung haben“, erklärt der bayerische Landesvorstand und Fremdbesitz-Gegner Ullmann. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

Frei ... Durch ... Panik

von Christian Timme am 06.05.2017 um 10:42 Uhr

Wenn "Ratten" plötzlich "rechnen" können um das "sinkende Schiff" zu verlassen ... kann es nur um ... % gehen ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Abfackeln

von Dr Schweikert-Wehner am 06.05.2017 um 7:28 Uhr

Schauen wir nicht länger zu, fackeln wir die Apos ab.
Hab ich das richtig verstanden, dass die Vorstandstussi ihre Aussagen, die sie gegenüber der DAZ gemacht hat tags drauf gegenüber ihren Parteifreunden revidiert hat?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Abfackeln ... FDP brennt besser als Apotheke ...

von Christian Timme am 06.05.2017 um 10:51 Uhr

Nicht nur diese "Tussi" fährt mehrgleisig ... und dann geht der Überblick verloren ...

Verkaufen wir die Gesundheit an KGs

von T. La Roche am 05.05.2017 um 16:36 Uhr

" „Als Verbraucher ist es für mich doch für meine Beratung von völlig nachrangiger Bedeutung, ob der Eigentümer ein approbierter Apotheker ist oder eine Kapitalgesellschaft“, sagt Sedlmayr."
Eigentlich brauchen wir auch keine unabhängigen Gerichte, unabhängigen Politiker und unabhängige Ärzte sind auch Blödsinn, das Antikorruptionsgesetz hätte man sich ebenfalls sparen können. Wir beraten in Zukunft im Gesundheitsbereich je nachdem wo mehr Geld fließt und verkaufen dem Herrn Sedlmayr immer den "Scheiß des Monats", wenn´s Geld stimmt, ist das doch egal.
Es wird für die Verbraucher (Patienten!) zwar teurer und schlechter, aber irgendwie freier. Er kann frei zwischen 2-3 Ketten wählen und ist befreit von diesen 16.000 selbstständigen Apothekenbesitzern.
Voll cool, hehehe!

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Chef vom Dienst

von Helge Killinger am 05.05.2017 um 15:03 Uhr

"Bei Armin Sedlmayr, Mitglied des FDP-Präsidiums in Bayern, stoßen diese Aussagen der stellvertretenden Bundesvorsitzenden auf großes Unverständnis – da er zusammen mit seinem Parteikollegen Matthias Fischbach die Fremdbesitz-Freigabe mit initiiert hatte."

-Armin Sedlmayr, ein 28 jähriger Jurist, Berufserfahrung "Chef vom Dienst" (Xing-Profil)!!
-Matthias Fischbach, Mitarbeiter einer internationalen Unternehmensberatung am Kapitalmarkt (CapCo).

Damit hat sich die FDP-Bayern erledigt.

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und die anderen freien Berufe ?

von freier, persönlich haftender Apotheker am 05.05.2017 um 14:29 Uhr

Mal eine Frage an die FDP(-Ärzte).
Ist es der FDP auch prinzipiell als Verbraucher egal welche Kapitalgesellschaft hinter einer Ärztekette steckt ?

Nur mal so drüber nachdenken, liebe Ärzte .... einige die da waren haben das Nachdenken ja schon begonnen ;-).
Wir sind der erste freie Beruf den die FDP über die Klinge springen lässt......welcher ist der nächste :-(.

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