Brexit

Bei der EMA beginnen die Umzugsvorbereitungen

Remagen - 05.05.2017, 10:15 Uhr

Die Tage, an denen die EU-Flagge über London weht, sind gezählt. Die EMA macht bereits konkrete Pläne für den Umzug. (Foto: picture alliance / empics)

Die Tage, an denen die EU-Flagge über London weht, sind gezählt. Die EMA macht bereits konkrete Pläne für den Umzug. (Foto: picture alliance / empics)


Die konkreten Verhandlungen über den Brexit haben auf der großen politischen Bühne noch nicht offiziell begonnen. Trotzdem diskutieren die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und die Leiter der nationalen Zulassungsbehörden hinter den Kulissen bereits intensiv über die möglichen Konsequenzen für die Arbeitsweise der Agentur. Welche Rolle spielen die Briten überhaupt in der EMA, und was könnte der Umzug kosten?

Die Europäische Arzneimittel-Agentur und die Leiter der nationalen Zulassungsbehörden der EU/EWR-Mitgliedstaaten wollen frühzeitig damit anfangen, Vorkehrungen für den Brexit zu treffen. Schließlich muss die Arbeit, die die Briten bislang im europäischen Zulassungssystem geleistet haben, nach deren Ausscheiden aus der EU auf den Schultern der anderen Mitgliedstaaten verteilt werden. Derzeit wird davon ausgegangen, dass Großbritannien vom 30. März 2019 an nicht mehr an der Arbeit der EMA und am europäischen regulatorischen System für Arzneimittel teilnehmen wird. Um die Inhaber von zentralen Zulassungen und andere Stakeholder ständig über die fortlaufenden Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten, hat die EMA eigens eine Seite mit dem Titel „United Kingdom’s withdrawal from the European Union“ eingerichtet.

Arbeitsbelastung optimal verteilen

Die EMA erwartet, dass alle nationalen Arzneimittelbehörden entsprechend ihrer Kapazität und Leistungsfähigkeit dazu beitragen, dass die Arbeitsbelastung optimal und robust verteilt werden kann. Nun sollen zunächst die aktuellen und zukünftigen Kapazitäten und Kompetenzen im Netzwerk ermittelt und potenzielle Lücken identifiziert werden. Gegebenenfalls müssten Ressourcen in ausgewählten Bereichen erhöht und personell nachgebessert werden.

„Es beruhigt mich, dass die Mitgliedstaaten sich allesamt dazu verpflichten, ihre Anstrengungen zu intensivieren und Möglichkeiten zu prüfen, wie sie einen größeren Anteil an der Arbeitsbelastung übernehmen können", sagte EMA-Geschäftsführer Guido Rasi zum Abschluss eines Treffens mit Mitgliedern des Vorstandes der EMA und den Leitern der nationalen Behörden der Mitgliedstaaten. 

„Die Kompetenz im Netzwerk ist beeindruckend. Das ist eine Gelegenheit, unsere Arbeitsweise zu straffen, unsere Kapazitäten zu erhöhen und noch effizienter zu arbeiten."  Am 5. Juli 2017 soll es ein weiteres Treffen geben. 


Mietvertrag läuft bis 2039 – ohne Ausstiegsklausel

Eine der spannendsten Fragen ist wohl, wo die Agentur nach dem Brexit hinkommt. Hier gibt es Bewerber aus rund zwanzig Ländern, darunter auch Deutschland. Unlängst haben sich die Österreicher mit einigen hochmodernen oder auch historischen Topimmobilien in Wien selbstbewusst in Stellung gebracht. Die Entscheidung liegt am Ende beim Rat der EU.

Der Umzug kommt für die Agentur zu einem außerordentlich ungünstigen Zeitpunkt. Erst im August 2014 war die EMA in einen Neubau am Churchill Place 30 in der Londoner Canary Wharf umgezogen, nachdem der Mitvertrag am Westferry Circus ausgelaufen war. Der neue Hauptsitz wurde am 26. Januar 2015, dem 20sten Jahrestag des Bestehens der Agentur, feierlich eröffnet. Die Räumlichkeiten belegen eine Gesamtfläche von etwa 23.500 Quadratmetern auf sechs Büro-Etagen und zwei Etagen mit Konferenzräumen. Der Standortwechsel könnte die EMA teuer zu stehen kommen. Nach Presseberichten läuft der Mietvertrag in London noch bis 2039. Bis dahin soll laut einem Prüfbericht des Haushaltskontrollausschusses des Europaparlaments eine Miete von insgesamt 347,6 Millionen Euro fällig sein. Der Vertrag enthalte keine Ausstiegsklausel. Das Jahres-Budget der Agentur für 2017 beläuft sich auf 322 Millionen Euro.  

Pool von mehreren Tausend Experten

Die Europäische Arzneimittelagentur hat in den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens fast 1000 Human- und knapp 200 Tierarzneimittel zugelassen. Heute sind bei der EMA sieben wissenschaftliche Ausschüsse und mehr als 30 Arbeitsgruppen angesiedelt, die sozusagen das wissenschaftliche und regulatorische “Gehirn” der Agentur bilden. Insgesamt kann die EMA auf einen Pool von mehreren Tausend Experten in den EU-Mitgliedstaaten zurückgreifen.

Um den Status der Briten in der Agentur selbst abzuschätzen, lohnt ein Blick auf die Personalstruktur vor Ort in London. Dort arbeiten rund 620 Frauen und knapp 270 Männer (Stand Ende 2015). 85 Prozent davon sind unter 50 Jahre alt und 44 Prozent zwischen 30 und 40. Franzosen und Italiener sind mit jeweils etwa 12,5 Prozent am stärksten vertreten, gefolgt von Spaniern mit gut 10 Prozent. Deutschland stellt 6,4 Prozent der Beschäftigen und liegt damit gleichauf mit Polen und knapp hinter Großbritannien (ca. 6,6 Prozent). Dass die EMA in London angesiedelt ist, scheint demnach für britische Jobsuchende in der hochrangigsten europäischen Arzneimittelagentur bislang kein „Door-opener“ gewesen zu sein.  



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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