Kein Steuerbetrug

Freispruch statt Haftstrafe für niederländischen Apotheker

Chemnitz - 04.05.2017, 15:35 Uhr

Die Richter des Landgerichts Chemnitz urteilten auf Freispruch des Versandapothekers, die Staatsanwaltschaft fordert aufgrund möglicher Steuerhinterziehung weiter eine Haftstrafe. (Foto: v.poth / Fotolia)

Die Richter des Landgerichts Chemnitz urteilten auf Freispruch des Versandapothekers, die Staatsanwaltschaft fordert aufgrund möglicher Steuerhinterziehung weiter eine Haftstrafe. (Foto: v.poth / Fotolia)


Anders als DocMorris wollte Eugene E. über die VSA abrechnen

„Anders als der Betreiber der Versandapotheke ‚Doc Morris‘ wollte der Angeklagte nicht mit jeder in Deutschland bestehenden Krankenkasse Vereinbarungen über die Abrechnungsmöglichkeit von rezeptpflichtigen Arzneimitteln schließen“, schreiben die Richter aus Chemnitz. Er wollte hierfür die VSA „als Abrechnungsstelle der deutschen Apotheken“ nutzen. Aus diesem Grund beantragte er in Deutschland ein Institutionskennzeichen – und benötigte einen Sitz der abrechnenden Apotheke, den er in den Räumlichkeiten über seiner Apotheke Am Flugplatz in Chemnitz wählte.

Auch verlangte die VSA einen Mindestwarenumsatz im Umfang von etwa einer Million Euro pro Jahr, was Eugene E. „trotz Bewerbung der Versandapotheke mit Flyern“ nicht erzielte. Deshalb griff er zu – in eigenen Worten – „Schieberezepten“: Insbesondere teure onkologische Arzneimittel, die sonst durch die Chemnitzer Apotheke bearbeitet worden wären, rechnete er der Versandapotheke zu. Hierzu sah sich der Angeklagte laut Urteil berechtigt, weil er Alleineigner sämtlicher beteiligter Unternehmen war, die Versandapotheke zunächst als eine Art Filiale der deutschen Apotheke verstand und dachte, dass ein wirtschaftlicher Ausgleich durch entsprechende Buchführung erfolgen werde. „Die spezifischen steuerrechtlichen Fragen der damit einhergehenden Auslandberührung stellten sich dem fachkundig beratenen Angeklagten überhaupt nicht“, stellen die Richter fest.

Regierungspräsidium griff ein

Organisatorisch waren beide Apotheken zwar teils getrennt, allerdings kümmerten sich dieselben Mitarbeiter um die Durchführung des Geschäftsbetriebes. Nachdem jedoch das Regierungspräsidium nach einer Inspektion im Jahr 2007 die Versandapotheke aus den Räumlichkeiten verbannte, ließ Eugene E. die Arzneimittel aus den Niederlanden verschicken – und auch die Buchhaltung von dort erledigen.

Um die Besteuerung der Umsätze aus der Versandapotheke wollte sich laut Urteil die Treuhand kümmern, doch Eugene E. überließ diesen Aufgabenbereich einem Steuerberater aus den Niederlanden. Hierdurch wollte er jedoch keine Steuer hinterziehen, sondern verhindern, „dass die einzelnen Beratungsgesellschaften einander die Verantwortlichkeiten und etwaige Fehler zuschieben konnten“, wie die Richter urteilten. Erst im Herbst 2007 sei erkannt worden, dass die Umsätze nicht in den Niederlanden, sondern in Deutschland zu versteuern wären.

„Der Angeklagte hat Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbe- und Umsatzsteuer in den Veranlagungszeiträumen 2005 bis 2007 durch unvollständige oder nicht rechtzeitige Erklärungen objektiv verkürzt“, stellt das Gericht fest – es geht um insgesamt knapp 2 Millionen Euro. Die beschriebene Verfahrensweise habe der Angeklagte nicht gewählt, um Steuern zu sparen, sondern um die Abrechnung rezeptpflichtiger Medikamente über die VSA zu erreichen, urteilten die Richter.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Apothekerexzesse

von Heiko Barz am 05.05.2017 um 13:06 Uhr

Geldgier vrs. pharmazeutische Gesinnung?
Ein 'armer' Mann!

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