Beratungs-Quickie

Ein Herzglykosid bei chronischer Herzinsuffizienz

Stuttgart / München - 04.05.2017, 11:00 Uhr

Digitalis purpurea: Der Rote Fingerhut liefert das bei Herzinsuffizienz eingesetzte Digitoxin. (Foto: dpa)

Digitalis purpurea: Der Rote Fingerhut liefert das bei Herzinsuffizienz eingesetzte Digitoxin. (Foto: dpa)


Beratungs-Basics

Auf Nachfrage berichtet die Kundin, dass sie soweit gut mit ihrer Dauermedikation klarkomme. Allerdings habe sie in letzter Zeit wenig Appetit. Das läge daran, dass ihr öfters übel sei. Das Herzglykosid Digitoxin wird zur Therapie von chronischer Herzinsuffizienz und von Herzrhythmusstörungen, vor allem bei Vorhofflimmern und Vorhofflattern, eingesetzt. Wegen der geringen therapeutischen Breite des Wirkstoffes ist eine sorgfältig überwachte Einstellung auf die individuelle Dosis notwendig. Bei älteren Patienten besteht eine erhöhte Glykosidempfindlichkeit. Digitoxin soll an das Körpergewicht (1 μg pro kg KG) und die Nierenfunktion angepasst werden. Eine tägliche Erhaltungsdosis von 0,05 - 0,1 mg Digitoxin ist in der Regel ausreichend. Die Tablette ist nach einer Mahlzeit unzerkaut mit ausreichend Flüssigkeit einzunehmen.

Die Digitalisbedürftigkeit eines Patienten bei Langzeittherapie sollte prinzipiell durch kontrollierte Auslassversuche überprüft werden. Nebenwirkungen bei Überdosierung können Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall sowie Kopfschmerzen sein. Auch Schwindel und Störungen des Farbensehens
(Gelbstich) sind möglich. Bei einer schweren Intoxikation kommt es zu Herzrhythmusstörungen.

Die Priscus-Liste führt Digoxin und Derivate als ungeeignete Arzneistoffe für Ältere auf. Digitoxin besitzt möglicherweise eine geringere Toxizitätsrate. Als alternative Medikation zur Behandlung von Tachykardie/Vorhofflimmern werden Betablocker und zur Behandlung der Herzinsuffizienz Diuretika und ACE-Hemmer genannt. Die gleichzeitige Einnahme von Digitoxin mit den beiden anderen verordneten Medikamenten ist kritisch zu sehen. Die Kombination von Digitoxin mit dem Betablocker Atenolol erhöht die Gefahr einer Bradykardie und von AV-Überleitungsstörungen. Das Kombinationspräparat enthält das kaliumausscheidende Diuretikum Hydrochlorothiazid. Gerade bei längerer Einnahme kann HCT zu Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten führen. Ein dadurch entstehender Kaliummangel sensibilisiert das Myokard für Digitoxin (obwohl die Digitoxin-Serumkonzentration im therapeutischen Bereich liegen kann).

Atenolol zählt zu den kardioselektiven Betablockern. Der Wirkstoff wirkt antihypertensiv sowie negativ inotrop, chronotrop und dromotrop. Die Dosierung sollte bei älteren Patienten dem Grad einer eventuell vorhandenen Nierenfunktionseinschränkung angepasst werden. Die Tabletten sind morgens unzerkaut mit ausreichend Flüssigkeit eine halbe Stunde vor dem Frühstück einzunehmen. Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schwindel und Kopfschmerzen treten meist nur in der Einstellungsphase auf. Häufig kommt es außerdem zu Bradykardie, Kältegefühl an den Extremitäten sowie Magen-Darm-Beschwerden. Betablocker dürfen nicht abrupt abgesetzt werden, sondern müssen ausschleichend dosiert werden.

Das Kombinationspräparat enthält den Angiotensin-1-Rezeptor-Blocker Candesartan und das Diuretikum Hydrochlorothiazid. Die empfohlene Dosis beträgt einmal täglich eine Tablette. Das Arzneimittel kann mit oder ohne Nahrung eingenommen werden. Häufig kommt es unter der Behandlung zu Kopfschmerzen und Schwindel. Letzteres kann das Reaktionsvermögen beeinflussen. Gelegentlich treten Appetitverlust und Magen-Darm-Beschwerden auf. HCT kann Hyperglykämie, Hyperurikämie und Störungen des Elektrolythaushalts verursachen und zu einem Anstieg von Cholesterol und Triglyzeriden führen.

Die Behandlung der Hypertonie entspricht der in der Leitlinie der Hochdruckliga geforderten Medikation: Die drei verordneten Wirkstoff Betablocker, AT1-Rezeptorantagonist und Diuretikum sind bevorzugte Substanzklassen zur Behandlung der arteriellen Hypertonie bei einer bestehenden Herzinsuffizienz. Da die Appetitlosigkeit und Übelkeit Anzeichen einer Überdosierung mit Digitoxin sein können, muss die Apotheke Rücksprache mit dem behandelnden Arzt halten.



Manuela Kühn, Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Komplexe Beratungsleistung

von Heiko Barz am 04.05.2017 um 13:20 Uhr

Der Umfang dieser Arzneimittelberatung ist schon überzeugend und zeigt die besondere Beachtung der einzelnen Organe untereinander und auch deren komplizierte biomedizinische Zusammenhänge.
Ich frage mich nur, wie ein Versender dessen Apotheker- In diese Komplexität in einem Internetgespräch herausarbeiten kann?
Wenn ihm - ihr das in mehreren Bewertungen gelänge, würde er - sie sicher kurzfristig abgemahnt werden.

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