Hüffenhardt

Apotheker mahnen DocMorris wegen Abgabe-Automaten ab

Stuttgart - 02.05.2017, 13:25 Uhr

Der Stein des Anstoßes: Der DocMorris-Abgabeautomat samt Videoberatung in Hüffenhardt. (Foto: diz / DAZ.online)

Der Stein des Anstoßes: Der DocMorris-Abgabeautomat samt Videoberatung in Hüffenhardt. (Foto: diz / DAZ.online)


Drei Apotheker aus der Region wollen das „rücksichtslose Vorgehen“ von DocMorris in Bezug auf den Arzneimittel-Automaten in Hüffenhardt nicht akzeptieren. Mit Unterstützung der Noweda leiten sie nun rechtliche Schritte gegen die Versandapotheke ein, für die Hüffenhardt der „Wilde Westen“ zu sein scheint, wie die Apotheker sagen.

Nicht nur für Hüffenhardt bleibt es spannend: Seitdem DocMorris seinen „Abgabeautomaten mit Videoberatung“ in der im Neckar-Odenwald-Kreis gelegenen Gemeinde Hüffenhardt eröffnet hat, überschlugen sich die Ereignisse. Innerhalb von 48 Stunden ließ das Regierungspräsidium den Automaten schließen, unter anderem da eine Abgabe von Arzneimitteln außerhalb von Apotheken verboten sei. Doch direkt nach Zustellung des Behörden-Beschlusses legte DocMorris Klage und Eilantrag hiergegen ein – und darf nun bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens OTC-Präparate weiter abgeben. Gleichzeitig versucht die niederländische Versandapotheke, schnellstmöglich auch rezeptpflichtige Arzneimittel abgeben zu dürfen.

Doch drei Apotheker aus der Region wollen das Vorgehen von DocMorris nicht akzeptieren – und schickten am heutigen Dienstag nach Information von DAZ.online Abmahnungen an die Versandapotheke. Sie begründen die rechtlichen Schritte mit Verstößen gegen die Apothekenbetriebsordnung und das Arzneimittelgesetz und fordern DocMorris auf, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben, wie eine Pressesprecherin der Apothekengenossenschaft Noweda auf Nachfrage sagte: Der Großhändler unterstützt die Apotheker bei ihrem Vorgehen. Wenn nötig wollen die Apotheker klagen, um ihre Forderungen durchzusetzen. 

Apotheker Thomas Grzesiak von der Stadt-Apotheke in Neckarbischofsheim sowie seine Kolleginnen Beate Rock von der Rock-Apotheke zur Ludwigssaline in Bad Rappenau und Dagmar Schäfer von der Schildwach-Apotheke in Epfenbach kritisieren den niederländischen Versender scharf. Sie wolle es „nicht hinnehmen“, dass der Automat einfach so aufgestellt wird, erklärt Rock gegenüber DAZ.online. „Die niedergelassenen Apotheker haben Rechte und Pflichten, die sie nach dem Apothekengesetz haben – die ein Automat in dieser Form nicht hätte“, betont sie.

„DocMorris versucht hier bewusst, unter Verstoß gegen geltendes Recht Fakten zu schaffen und aus reinen Profitinteressen die Umsätze der umliegenden Apotheken auf sich zu ziehen“, zitiert die Noweda-Pressemitteilung Rock und ihre Kollegen. „Das wird auch funktionieren, denn ein Automat benötigt vor Ort kein ausgebildetes Personal und hat daher ganz andere Kostenstrukturen als eine richtige Apotheke, die der Bevölkerung einen umfassenden Gesundheitsservice bietet.“

Apotheker argumentieren mit Gemeinwohl und psychosozialen Komponenten

Gerade Land-Apotheken seien auf ausreichende Umsätze angewiesen, um die wichtigen, aber nicht gewinnbringenden Gemeinwohlpflichten zu ermöglichen, argumentieren sie – und verweisen auf die Nacht- und Notdienste, die Anfertigung individueller Arzneimittel beispielsweise für Säuglinge und Kleinkinder, sowie die Abgabe von Betäubungsmitteln. „Hinzu kommen aber auch die psychosoziale Komponente durch die persönliche Hinwendung zum Patienten sowie die direkte Kommunikation mit behandelnden Ärzten“, heißt es in der Pressemitteilung.

Den Apothekern ist auch wichtig zu betonen, dass die örtlichen Apotheken anders als ausländische Arzneimittelversender für regionale Wertschöpfung stehen. „Sie bieten familien- und frauenfreundliche Arbeitsplätze, zahlen Steuern in ihren Gemeinden, unterstützen Vereine und soziale Einrichtungen, arbeiten mit anderen Unternehmen vor Ort zusammen und tragen so dazu bei, attraktive Klein- und Mittelzentren zu erhalten“, argumentieren sie.

Dabei sehen sie durch das Vorgehen von DocMorris mittelfristig die Existenz ihrer Apotheken bedroht. In der Pressemitteilung kritisiert auch Noweda, dass die Schließung von Apotheken für DocMorris und ähnlich strukturierte finanzstarke Arzneimittelversender ein großer Vorteil ist. „Sind die heute gut funktionierenden Apothekenstrukturen erst einmal unwiederbringlich zerstört, könnte tatsächlich ein Bedarf nach Apotheken-Automaten entstehen, der heute nicht vorhanden ist“, erklärt Vorstandsvorsitzender Michael P. Kuck. „Im Hinblick auf eine qualitativ hochwertige, menschliche, sichere und schnelle Arzneimittelversorgung ist das ein klarer Rückschritt, der insbesondere ältere und schwerkranke Menschen sowie Familien betrifft; für den niederländischen Arzneimittelversender jedoch ein lukratives Geschäft mit Expansionspotenzial“, betont er. 

„Rücksichtsloses Vorgehen“ wie im „Wilden Westen“

„Für DocMorris scheint das hier der Wilde Westen zu sein“, erklären die drei Apotheker in der Noweda-Pressemitteilung. Erschreckend sei „vor allem die rücksichtslose Vorgehensweise von DocMorris“. „Da werden wirtschaftliche Interessen einfach ohne Rücksicht auf geltendes Recht und bestehende, gut funktionierende Versorgungsstrukturen durchgesetzt“, betonen die Pharmazeuten. „Wir müssen jetzt für die Interessen unserer Patienten einstehen und handeln.“ 

DocMorris hatte schon vor einem Jahr angekündigt, eine pharmazeutische „Versorgungslücke“ in Hüffenhardt zu schließen – die der örtliche Bürgermeister jedoch selbst nicht sieht. Auch Noweda argumentiert, diese gebe es „faktisch“ nicht. Zwar werde in dem 2000-Seelen-Ort keine Apotheke mehr betrieben. Jedoch versorgen umliegende Apotheken die Bürger – „wie es das Gesetz für solche Fälle vorsieht und typisch für eine ländlich geprägte Region wie diese ist“ – mittels Rezeptsammelstelle, erklärt die Apothekengenossenschaft. Darüber hinaus seien alle umliegenden Apotheken selbstverständlich auch telefonisch erreichbar und bringen die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel oder Hilfsmittel auf Nachfrage ebenfalls per Botendienst nach Hause.

Gleichzeitig macht Noweda in seiner Pressemitteilung darauf aufmerksam, dass DocMorris zum Schweizer Versandhandelskonzern Zur Rose gehört, der das Unternehmen 2012 für 25 Millionen Euro erworben hat. „Hinter Zur Rose steht unter anderem die saudische Investorengruppe Al Faisaliah“, schreibt die Genossenschaft. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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7 Kommentare

Hüffenhardt

von Wolfgang Steffan am 03.05.2017 um 8:38 Uhr

Wäre das nicht Sache des Rp Karlsruhe oder des LAV B.-W.
oder unserer teueren ABDA ,
nämlich das konsequente jurist. Vorgehen gegen den fort-
währenden Gesetzesbrecher DocMorris ?
Der Abgabeautomat in Frankfurt wurde doch auch sofort still-
gelegt. Steht man als ausl. Gesetzesbrecher über den
deutschen Gesetzen ? Das müßte doch von unseren Behörden und Berufsorganen dem EuGH in Lux vorgelegt werden !

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Hüffenhardt

von Christian Becker am 03.05.2017 um 12:52 Uhr

Und wenn die ABDA nix macht und das RP zu dämlich war, für alle apothekenpflichtigen Medikamente (ich wette, da hat wer Rx = apothekenpflichtig gedacht und freiverkäuflich = nicht apothekenpflichtig) den Sofortvollzug anzuordnen, sollen die Apotheker einfach zugucken?
Ich finde es gut, dass da jemand die Initiative ergreift. Und wer könnte das mit größerer Rechtfertigung tun als die direkt betroffenen Apothekeninhabenden.

AW: Hüffenhardt und die Deutsche Gesetzgebung ein Nogo!

von Heiko Barz am 03.05.2017 um 12:54 Uhr

Unsere Gerichtsbarkeit ist ist doch eine Lachnummer geworden.
In der EU gibt es nur noch Partikularinteressen.
Auch die fdp schwätzelt in dieser Ebene von der Chancengleichheit zwischen Präsenz -und Auslandsversandapotheken. Schon allein die Arzneimittelbeschaffungskriterien sind diametral gesetzt.
Wenn wir nur 7% MWSt. zahlen müßten und wie früher ( vor 2004 ) unsere Einkaufsrabatte durch geschicktes Bestellen hochhalten konnten, da gab das Wort Apotheker eK noch Sinn.
Frage: warum wird das hier nicht mal thematisiert?
Ist es dem Schäuble nicht peinlich, der größte Profiteur des Gesundheitswesens in ganz Eurpoa zu sein?
Nein, das Wort peinlich gibt es in seinemVokabular nicht, ihm ist es ganz egal, wen oder welchen Beruf er über die Klinge springen läßt, Hauptsache er legt wieder eine, seine schwarze Null vor!
Das aber bitte nicht auf dem Rücken der Kranken und 'Beladenen'
Mit diesen Mitteln sich auf Kosten der Patienten auf die eigene Schulter zu kloppen, ist schon etwas - abartig. Ich finde im Moment leider kein anderes Wort dafür.

Noweda

von Christian Giese am 02.05.2017 um 16:51 Uhr

Noweda AM avisiert!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Unterlassungserklärung wegen OTC-Automat

von Leikert Jürgen am 02.05.2017 um 14:56 Uhr

Vielen Dank an Noweda und die Kollegen vor Ort.
Alle Deutschen Apotheker sollten mit vielen nur möglichen Maßnahmen den holländischen DocM-Gesetzesbrechern die Freude an Ihrer skrupellosen und das Deutsche Recht verachtende Arzneimittelgeldgier verderben. Man muss sich wehren, jeder einzelne!!! Denn leider kann man sich in unserer "Teil-Bananenrepublik" auf den Staat nicht unbedingt verlassen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Werte KollegInnen,

von Christiane Patzelt am 02.05.2017 um 14:27 Uhr

Die dort für uns alle den Erhalt der Apothekenpflicht erstreiten - ich würde Sie gerne finanziell unterstützen!!
Bitte eine Kontonummer, wohin ich einen Betrag hin überweisen darf!! Ich möchte Sie nicht alleine lassen in diesem Kampf gegen die Herren in "grün"!!

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Automat

von Frank ebert am 02.05.2017 um 13:56 Uhr

Wann macht eigentlich unser Supermann Lutz Tisch etwas. Und F. Schmidt: Treten Sie endlich aus der FDP aus !

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