Die Kraft der Erwartung

Welche Rolle spielt der Placebo-Effekt im Apothekenalltag?

Berlin - 28.04.2017, 10:00 Uhr

Placebo in der Apotheke: Hirnforscher Manfred Schedlowski stellte beim diesjährigen DAV-Wirtschaftsforum Fälle vor, bei denen der Placebo-Effekt in der Apotheke relevant werden kann. (Foto: Külker)

Placebo in der Apotheke: Hirnforscher Manfred Schedlowski stellte beim diesjährigen DAV-Wirtschaftsforum Fälle vor, bei denen der Placebo-Effekt in der Apotheke relevant werden kann. (Foto: Külker)


Nocebo – Wirkungsverlust durch Befürchtungen

Interessant waren auch die Ausführungen zum Nocebo-Effekt. Der Hirnforscher zeigte auf, wie negative Erwartungen die Therapie beeinflussen können. Ausgelöst wird der Nocebo-Effekt hauptsächlich durch falsche Patienteninformationen. Missverständliche oder sogar negative Formulierungen von Apotheker und Arzt können das Phänomen ebenso auslösen wie das Verbreiten von Gerüchten. Der Effekt kann zu einem Wirkungsverlust der Arzneimittel führen oder eine Zustandsverschlechterung beim Patienten erzeugen. 

Wie sehr sich die negative Kraft der Erwartung auswirkt, zeigte das Experiment eines Höhenforschers, von dem Professor Schedlowski berichtete. Innerhalb einer Gruppe von Probanden, die in den Alpen auf die Höhenkrankheit untersucht werden sollten, wurde gezielt das Gerücht gestreut, welche Beschwerden sie in der Höhe erwarten würden. Eine Vergleichsgruppe hingegen ging vorurteilsfrei in das Experiment. Bei der Gerüchte-Gruppe kam es zu einer stärkeren Häufung der vermeintlichen Symptome. 

Von großer Bedeutung für den Apothekenalltag ist schließlich der Einfluss falsch gewählter Formulierungen auf den Nocebo-Effekt. Aussagen, die den Patienten verunsichern oder negative Assoziationen auslösen, können zur verminderten Wirkung von Arzneimitteln beitragen. Formulierungen wie „Probieren wir mal dieses Medikament aus“ sollten demnach im Beratungsalltag vermieden werden. 

Professor Schedlowski warb am Ende seines Vortrages dafür, die Bedeutung von Placebo- und Nocebo-Effekt stärker in die Ausbildung und damit in die tägliche Routine von Apothekern und Ärzten zu integrieren. Und selbst ein Zusammenhang zwischen dem Placebo-Effekt und der aktuellen Versandhandelsdebatte konnte hergestellt werden: In der abschließenden Diskussionsrunde kam aus dem Auditorium die Anregung für eine Studie. Möglicherweise könne Professor Schedlowski einmal die unterschiedliche Wirkung von Arzneimitteln bei der Betreuung durch eine Apotheke vor Ort und bei der Belieferung durch eine Versandapotheke vergleichen. Ein Vorschlag, der im Publikum auf großen Widerhall traf.



Maximilian Wilke, Apotheker, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

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von Reinhard Rodiger am 28.04.2017 um 22:43 Uhr

Sehr oft ist zu hören: mir hat der Arzt gesagt,ich bin austherapiert... oder für Sie gibt es nichts mehr...oder .. da kann ich nichts machen....
Formal wissenschaftlich mag das stimmen, aber Hilfe ist angesagt.Hier hat sich die Medizin verabschiedet und die Probleme weitergereicht.Also Alltag für jeden,der die Haltung hat,sich darauf einzulassen.Das macht Sinn.
Jeder weiss,dass Vertrauen die Voraussetzung für Glaubwürdigkeit ist.Vertrauen ist nicht digitalisierbar.Und manche Hilfe ist nur einmalig möglich.Wie eben Menschen einmalig sind.Das entzieht sich der Standardisierung.

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