Erneute Lieferengpässe

Remifentanil fehlt in den Krankenhäusern

Stuttgart - 27.04.2017, 07:00 Uhr

Es ist eng bei der Versorgung mit dem Opioidanästhetikum Remifentanil. (Foto:  jojoo64 / Fotolia)

Es ist eng bei der Versorgung mit dem Opioidanästhetikum Remifentanil. (Foto:  jojoo64 / Fotolia)


Das Anästhetikum Remifentanil ist knapp. Seit Monaten gibt es Ultiva und die entsprechenden Generika gar nicht oder zeitweise nur kontingentiert. DAZ.online hat bei den pharmazeutischen Herstellern nachgefragt – was sind Gründe für den Versorgungsengpass und wann gibt es Remifentanil wieder? Was sagen Klinikapotheker und das BfArM?

Bundesweit fehlt in Operationssälen das Opioidanästhetikum Remifentanil. In den Stärken 1 mg, 2 mg und 5 mg setzen Anästhesisten Remifentanil als Analgetikum bei der Einleitung und Aufrechterhaltung einer Narkose ein. Den Wirkstoff stellen die pharmazeutischen Unternehmer in Form eines lyophilisierten Pulvers zur Verfügung, der nach Rekonstitution als intravenöse Injektion oder Infusion angewendet werden kann. Doch derzeit kommt es in den meisten OP-Zentren erst gar nicht zu diesem Prozedere – der Grund: Remifentanil ist nicht lieferbar.

Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hat das Thema des Versorgungsengpasses mit dem Opioidanästhetikum nun aufgegriffen. Nach Angaben der FAZ seien vor allem niedergelassene Anästhesisten und ambulante Operationszentren in Kliniken betroffen. Doch der Versorgungsengpass macht auch vor stationär durchgeführten Eingriffen keinen Halt. Auch die Anästhesisten in Kliniken erhalten das Analgetikum nicht in der eigentlich benötigten Menge.

Apotheker managen bestmögliche Versorgung mit Remifentanil

Das bestätigt auch ein süddeutsches Klinikum mit Maximalversorgung gegenüber DAZ.online. So kämpft die Klinikapotheke seit Monaten mit dem Problem des Versorgungsengpasses. Nach deren Aussage erhalte die Krankenhausapotheke zwar Remifentanil, allerdings lediglich kontingentiert. Diese limitierte Ware werde dann entsprechend der jeweiligen Verbräuche auf die einzelnen Stationen aufgeteilt. Groß wählerisch ist man bei dem Hersteller nicht: „Wir nehmen, was wir bekommen können“, sagt eine Apothekerin des Klinikums. Welche Station wie viel Remifentanil bekommt, haben die dortigen Apotheker zuvor genau analysiert und festgelegt, um die bestmögliche Versorgung der Anästhesie-Bereiche und deren Patienten zu gewährleisten.

Derzeit gibt es bundesweit sechs Unternehmen, die Remifentanil noch produzieren. Neben dem Orginator Glaxo Smith Kline (GSK) und dessen Präparat Ultiva, teilen sich B. Braun, Fresenius-Kabi, Hameln, Hexal und Teva den Remifentanilkuchen, wobei GSK nach Aussagen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 80 Prozent des Marktes abdeckt. Die Gründe für den Engpass mit dem Opioidanästhetikum sind allerdings undurchsichtig. Auch DAZ.online gelingt es nur teilweise, Licht in das Dunkel der zugrundeliegenden Ursachen zu bringen.

Fresenius und Hexal zu Remifentanil-Engpässen

Auf Nachfrage äußert sich Fresenius-Kabi, dass grundsätzlich alle Stärken lieferbar seien. „Derzeit können alle bestehenden Kunden mit Remifentanil Kabi beliefert werden. Gleichwohl kann nicht immer für jede Stärke ein kompletter Monatsbedarf geliefert werden. Darüber sind die Kunden - überwiegend Krankenhäuser und der Pharma-Großhandel, daneben auch Apotheken mit Betäubungsmittelzulassung - informiert worden“, heißt es bei Fresenius. Zu den Gründen nimmt der Pharmakonzern aus Bad Homburg keine Stellung. 

Die Hexal AG nennt durchaus nachvollziehbare Gründe für die Nichtlieferbarkeit. So habe der Konzern bereits 2015 entschieden, Remifentanil nicht weiter zu vermarkten. Die Kunden habe Hexal mit einer entsprechend langen Vorlaufzeit über diese Entscheidung informiert. Mittlerweile sind alle Stärken von Remifentanil Hexal in der Lauer-Taxe mit AV gekennzeichnet (Stand 26.04.2017). Darüber hinaus betont der Pharmakonzern: „Im Rahmen der Lieferprobleme des Marktführers im vergangenen Jahr haben wir die Restbestände unserer Produktion zielgerichtet verkauft sowie eine Sonderproduktion mit den restlichen noch zur Verfügung stehenden Wirkstoffen initiiert, um bei der Überbrückung der Notlage zu unterstützen. Heute haben wir keine Restbestände mehr verfügbar.“

Auch Teva äußert sich zum Lieferproblem mit ihrem Remifentanilpräparat: „Remifentanil der Teva ist aktuell in allen der drei angebotenen Stärken nicht lieferbar“, erklärt der Pharmakonzern. Verzögerungen im Produktionsprozess und folglich im Versorgungsprozess könne es unter anderem dann geben, wenn „zugelieferte Rohstoffe den Qualitätskriterien der Rohstoffkontrolle vor Ort nicht genügen“. Diese würden dann konsequenterweise auch nicht zur Arzneimittelproduktion verwendet, denn – so betont Teva – „Sicherheit und Qualität unserer Arzneimittel haben höchste Priorität“. Mit vier Prozent Marktanteil spielt Teva, verglichen mit GSK, eine wohl relativ untergeordnete Rolle bei der Remifentanilversorgung.

Hameln bekräftigt Lieferfähigkeit bei Remifentanil

„Die hameln pharma plus gmbh kann ihre bestehenden Remifentanil-
Kunden in Deutschland für die 2mg und 5mg Darreichung
uneingeschränkt versorgen“teilt das Unternehmen DAZ.online mit. Allerdings seien die Lagervorräte auf die Anzahl ihrer
Remifentanil-Kunden ausgerichtet, man sei kurzfristig nicht in der Lage, die „zusätzliche Nachfrage von Abnehmern aufzufangen, die bislang von anderen
Marktteilnehmern beliefert wurden“. Die hameln pharma plus gmbh arbeite
jedoch daran, die Lieferkette für Remifentanil und damit die
Marktversorgung noch sicherer zu machen. Als einziger Hersteller verweist hameln auf Altrnativen aus ihrem parenteralen Opioid-Portfolio, unter anderem Alfentanil und Sufentanil – „über deren
Verwendung bei der adäquaten Behandlung ihrer Patienten, müssen die
behandelnden Ärzte im Einzelfall entscheiden“, sagt hameln.

Nur GSK und Teva nutzen BfArM-Liste zu Lieferengpässen

Bislang haben auch nur zwei der insgesamt sechs Konzerne, ihre Probleme mit der Bereitstellung von Remifentanil an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemeldet. GSK und Teva nennen hier einheitlich als Grund: „Verzögerungen in der Herstellung“. Zur Dauer äußert sich GSK, dass Remifentanil „bis auf weiteres nur eingeschränkt verfügbar“ sei. Bei Teva ist der Zeitpunkt einer vollumfänglichen Lieferung „noch nicht bekannt“. Immerhin haben die beiden Unternehmen jedoch das freiwillige Meldesystem des BfArMs genutzt.

Dieses führte die Behörde bereits im Jahre 2012 ein, um Apothekern den Umgang mit Versorgungsengpässen zu erleichtern. Allerdings ist dieses Meldesystem bislang lediglich für Arzneimittel vorgesehen, die bei der Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen eingesetzt werden.

Was sagt das BfArM zum Lieferproblem mit Remifentanil?

Bereits am 31. März dieses Jahres hatte sich das BfArM in seinem Jour fixe zu Lieferengpässen der eingeschränkten Verfügbarkeit mit Remifentanil angenommen. Im Gespräch mit DAZ.online bekräftigt Maik Pommer vom BfArM nochmals die Unverzichtbarkeit des Wirkstoffs im ambulanten Bereich und in der Anästhesie bei Kindern“. Allerdings könne das BfArM den Lieferengpass natürlich nicht konkret beenden. Pommer sieht die Aufgabe der Behörde vor allem darin, einen Informationsfluss zwischen den einzelnen Akteuren zu sichern und diese in einen Dialog zu bringen, um Lösungen zum Versorgungsproblem anzustoßen.

Ein solcher Dialog, an dem nach Aussage Pommers GSK und die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie & Intensivmedizin (DGAI) teilnehmen, ist für den heutigen Donnerstag anberaumt. Das BfArM unterstützt dieses Gespräch moderierend. Zu potenziellen Lösungsansätzen konnte sich Pommer somit noch nicht äußern.

Der Artikel wurde am 27.04.2017 um die Stellungnahmen von Teva und Hameln ergänzt.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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