DAV-Wirtschaftsforum

Apotheker streiten mit SPD und Grünen über Preisbindung

Berlin - 26.04.2017, 16:45 Uhr

Ernüchtert: Kordula Schulz-Asche (Grüne) und Fritz Becker lieferten sich beim DAV-Wirtschaftsforum einen Schlagabtausch zu den Themen Versandapotheken, Rx-Preisbindung und Landversorgung. (Foto: Külker)

Ernüchtert: Kordula Schulz-Asche (Grüne) und Fritz Becker lieferten sich beim DAV-Wirtschaftsforum einen Schlagabtausch zu den Themen Versandapotheken, Rx-Preisbindung und Landversorgung. (Foto: Külker)


Die Positionierung der SPD und der Grünen zu den Themen Rx-Preisbindung und Versandhandel sorgen bei den Apothekern nach wie vor für viel Ärger. Bei der politischen Diskussionsrunde des DAV-Wirtschaftsforums forderten Kordula Schulz-Asche (Grüne) und Sabine Dittmar (SPD) eine teilweise Aufweichung der Rx-Preisbindung. DAV-Chef Fritz Becker attackierte die beiden Politikerinnen und warnte vor einem Versorgungszusammenbruch.

Bei der politischen Diskussionsrunde auf dem DAV-Wirtschaftsforum zeigte sich am heutigen Mittwoch, wie tief die Gräben zwischen den Apothekern und der SPD und den Grünen derzeit sind. Sowohl die SPD als auch die Grünen hatten in den vergangenen Monaten nach dem EuGH-Urteil für eine Aufweichung der Rx-Preisbindung votiert und gegen das von der ABDA favorisierte Rx-Versandverbot. Die SPD-Apothekenexpertin Sabine Dittmar hatte gemeinsam mit ihrem Fraktionskollegen Edgar Franke einen zeitlich begrenzten Rx-Boni-Deckel in Höhe von einem Euro sowie eine Überarbeitung des Apothekenhonorars vorgeschlagen. Die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche hatte diesen Vorschlag unterstützt.

Insbesondere Schulz-Asche erregte bei der heutigen Diskussion die Gemüter der Apotheker. Unter anderem beschwerte sie sich über das Gesprächsniveau, das auch Apotheker nach dem EuGH-Urteil auf ihrer Facebook-Seite eingeführt hätten, wenn es um das Thema „Arzneimittel-Versandhandel“ ging. Sie plädierte außerdem dafür, die Rx-Preisbindung kritisch zu hinterfragen. „Dass es nach dem EuGH-Urteil wieder Rx-Boni gibt, hat bislang nicht dazu geführt, dass Apotheken schließen mussten“, erklärte die Grünen-Politikerin. Sie habe mit einigen Landapothekern gesprochen. „Deren Problem ist nicht die Preisbindung, sondern die Konkurrenz der Stadtapotheken, die einfach mehr Rezepte aus Arztpraxen erhalten.“ Außerdem sagte die Grünen-Politikerin, sie sei „fassungslos“ darüber, dass die ABDA jegliche Lösungs- und Kompromissvorschläge abgelehnt habe.

Dittmar (SPD) kritisiert Bundesgesundheitsminister Gröhe

Die SPD-Politikerin Sabine Dittmar erneuerte ihre Kritik an dem von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geplanten Rx-Versandverbot. Dittmar sagte, dass sie den vorgelegten Entwurf als fehlerhaft gesehen habe. Erneut nannte sie die Spezialversender als Beispiel. „Gerade dort ist die Rolle des deutschen Versandhandels inzwischen nicht mehr zu vernachlässigen.“ Auch an den im Entwurf enthaltenen Vorschlägen zur Regulierung des Botendienstes übte Dittmar Kritik. Die Apothekenexpertin griff das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf dafür an, nicht ausreichend auf die Wünsche der SPD-Bundestagsfraktion eingegangen zu sein. „Der Minister hat nie einen Lösungsvorschlag präsentiert, wie man mit diesen Problemen umgehen könnte. Auch die kritischen Stimmen aus den Verbänden und den anderen Ressorts wurden ignoriert und der Gesetzentwurf nie wirklich verändert.“

Dittmar erwähnte auch erneut ihren Lösungsvorschlag und stellte klar: „Wir wollten nie Bargeldboni für alle Apotheker einführen. Es geht uns um Sachboni in Bagatellhöhe, beispielsweise für Bonushefte, oder Ähnliches.“ So wie Schulz-Asche sagte aber auch Dittmar, es sei nicht belegt, dass der Apothekenumsatz durch Rx-Boni negativ beeinflusst werde.

Becker und Kiefer attackieren Schulz-Asche und Dittmar

DAV-Chef Fritz Becker ließ diese Behauptungen nicht unkommentiert stehen. Mit erhobener Stimme erklärte er in Richtung Schulz-Asche und Dittmar: „Haben Sie erwartet, dass der Hebel nach dem EuGH-Urteil angelegt wird und einen Monat später machen alle Apotheken zu? Das ist ein schleichender Prozess. Sagen Sie mir bitte: Wie lange wollen Sie denn warten, bis dieser Zustand wirklich gefährlich wird? Genau deswegen können wir keiner Lösung zustimmen, die früher oder halt später in den Ruin führt!“ Auch Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer wehrte sich gegen die Darstellungen der beiden Politikerinnen: „Sie machen ja auch keinen Fallschirmsprung ohne Fallschirmen und sagen sich: ‚Mal schauen, ob etwas passiert.‘ Der Sinn der Gleichpreisigkeit muss erhalten bleiben: Unabhängig vom Verdienst, Alter und Herkunft sollen alle Menschen zum gleichen Preis die gleiche Leistung bekommen.“

Becker und Kiefer erklärten zudem, dass der einzige Kompromiss, zu dem sie bereit gewesen seien, ein zeitlich befristetes Versandverbot gewesen wäre. „Man hätte das Verbot für zwei Jahre festsetzen können und in dieser Zeit die Arzneimittelpreisverordnung umstellen können“, erklärte der DAV-Chef.

Hennrich (CDU) hält Rx-Versandverbot für beste Lösung

Unterstützt wurden die beiden Apotheker vom CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich (CDU). Der Arzneimittelexperte der Unionsfraktion erneuerte seine Forderung nach einem Rx-Versandverbot. Hennrich kritisierte insbesondere das EuGH-Urteil. Schließlich habe der EuGH in anderen Urteilen zuvor festgelegt, dass Gesundheitsfragen in den Mitgliedsstaaten souverän entschieden werden dürften. Ebenfalls sehe er es schwierig, dass der EuGH in seinem Urteil Arzneimittel als „Ware“ deklariert habe und geäußert habe, dass die EU-Versandapotheken die Freiheiten im Preisbereich bräuchten, um Zugang zum deutschen Markt zu bekommen. Hennrich sagte, dass er sich das Verbot zumindest vorübergehend gewünscht hätte, um in dieser Übergangszeit, tiefer gehende Veränderungen an der Arzneimittelpreisverordnung vorzunehmen.

Apotheker und Politiker wollen neue Beratungshonorare

Über einen Punkt waren sich dann doch alle Gesprächsteilnehmer einig. Sowohl die Apotheker als auch die Politiker sahen es als notwendig an, das Apothekenhonorar zu überarbeiten. Fritz Becker forderte, dass es endlich gesetzgeberisch ermöglicht werden müsste, dass Apotheker und Krankenkassen Verträge über pharmazeutische Dienstleistungen anbieten können. Er wies darauf hin, dass einige Apotheker und Kassen bereits Dienstleistungs-Modelle entworfen hatten. Diese seien aber durch Aufsichtsbehörden gestoppt worden – mit der Begründung, dass es das Sozialgesetzbuch nicht vorsehe, dass Apotheker für Beratungsleistungen vergütet werden.

Während Dittmar und Schulz-Asche eben noch für ihre Haltung zum Versandhandel attackiert wurden, stimmten sie nun mit den Apothekern bei den Beratungsleistungen überein. Schulz-Asche sagte, dass der Apotheker insbesondere in regionalen, ländlichen Versorgungskonzepten eine ganz neue, viel umfassendere Rolle einnehmen könne und müsse.Die Grünen-Politikerin beschwerte sich auch darüber, dass die Apotheker bislang nur am Rande in den Medikationsplan eingebunden sind. Die Pharmazeuten müssten hier eine viel wichtigere Funktion haben, forderte sie.

Dittmar erklärte, dass ihr insbesondere das Thema „Arzneimitteltherapiesicherheit“ am Herzen liege und dass die Apotheker in diesem Bereich eine wichtigere Rolle spielen sollten. Sie plädiere beispielsweise dafür, dass Projekte wie das ARMIN-Modell in Sachsen und Thüringen für die Regelversorgung vorgeschlagen werden sollen. Einig waren sich die Diskutanten allerdings auch darüber, dass eine Überarbeitung des Apothekenhonorars in Richtung neue Beratungsleistungen Zeit in Anspruch nehme und in dieser Legislaturperiode nicht mehr lösbar sei.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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6 Kommentare

Was für ein Blödsinn!

von Wolfgang Müller am 27.04.2017 um 11:22 Uhr

Hauen wir doch mal einfach eine Zahl raus:

Maximal 3 Prozent des aktuellen Rohertrages der deutschen Apotheken werden in den perspektivischen "Apotheken der Zukunft" jemals über die Honorierung von paramedizinischen Beratungsleistungen erzielt werden können. Z. B. in "Medikations-Management", und "AMTS" ganz allgemein. Ob nun gemäß dem Hochbürokratie-"ARMIN" oder dem sinnvollen Greifswalder Modell, egal, mehr wird übers Jahr niemand bezahlen. Von den Personal-Kosten und damit der GEWINN-Wirksamkeit dieses "Neuen Geschäftes" erstmal gar nicht zu reden.

Es sei denn, man wählt WIRKLICH komplett schräge Modelle, z. B.: Man verstaatlicht das Ganze de facto und zahlt jeder Apotheke monatlich was aus, einfach: Weil sie da ist. Oder man gibt die freie Apothekenwahl praktisch auf, und zahlt dann irgendwie wie bei den Ärzten "Beratungs"-Quartalspauschalen pro Patient, und die Arzneimittel werden mehr oder weniger kostenfrei durchgereicht.

So, wenn man das nun weiß: Wie kann es sein, dass "Wir" offensichtlich gerade dabei sind, uns "Das Fixhonorar" und die Notwendigkeit seiner regelmäßigen Anpassung peu à peu abhandeln zu lassen? Als wenn es schon ganz selbstverständlich wäre, dass wir "Ein neues Honorarsystem" bräuchten, und daher ein Rx-Versandverbot oder eine - noch nicht ausformulierte - sinnvolle andere Lösung MIT dem bisherigen Fixhonorar sowieso nur auf Zeit ("Zwei Jahre") nötig wäre?

So ein Blödsinn. Das ist die ängstliche und hochgefährliche Verdrängungs-Flucht ins vollkommen Unkonkrete.

Und jetzt bitte: Solide Widerlegung der 3-Prozent-These, wer sich traut!

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Vergütungsmodelle

von Karl Friedrich Müller am 27.04.2017 um 8:12 Uhr

Jedes Schwadronieren, Verhandeln, Nachdenken über alternative und neue Vergütungen ist sinnlos, so lange es einen Anbieter (DocMorris) auf dem Markt gibt, der sich konsequent an keine Gesetze und Verträge hält.
Der die Beteiligung an Verträgen einklagt, um den Vertragsinhalt anschließend nach Beitritt zu ignorieren.
Wenn es auf der anderen Seite einen Partner gibt, die KK, die den Vertragsbruch toleriert.

Bevor überhaupt über etwas nachgedacht wird, ist das Recht herzustellen! Ist sicherzustellen, dass die Beteiligten Verträge und Recht einhalten.

Das ist nicht der Fall!

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Wisst ihr was?

von Christiane Patzelt am 26.04.2017 um 19:25 Uhr

Ich mach dieses ganze Affentheater einfach nicht mehr mit!

Wenn Dilletanten wie unsere Frau Damen PolitikerInnen, die Null komma Null Schulterschluss mit 150tausend Frauenarbeitsplätzen suchen meinen, unsere Arbeit ist nur mit Rabatten und Boni schönzureden, dann haben diese Damen was verdient? Wahlkampf gegen Ihre Parteien!!

Welcher Arzt/ Richter/ Biologe/ Theaterwissenschaftler/ Journalist/ Staatswissenschaftler würde sich JE auf so eine Diskussion um seinen Verdienst einlassen!!

Das, was die beiden Frauen Dittmer und KSA dort tun, ist hochgradig
gegen Familienbetriebe
gegen uns Mütter
gegen uns gut ausgebildete Frauen
gegen die Infrastruktur vor Ort
gegen die Ökologie
gegen die Idee "kauf vor Ort"
gegen die Gewerbesteuer, die vor Ort bleiben darf

und vor allem

gegen den Patienten!!

So, und nun fahren wir ApothekerInnen mit den Politikern mal Schlitten! Ich halte nicht noch die 2. Wange hin, mein Maß ist voll!!
Wahlkampf bis September!!

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AW: Wisst ihr was

von Karl Friedrich Müller am 26.04.2017 um 20:13 Uhr

Wahlkampf mach ich auch.
Bemerkenswert finde ich, dass am WE in der SZ über die Bierbrauerbranche gejammert wurde. Wie schlecht es denen ginge bläh bläh.... Immerhin sei die Brache ein Wirtschaftsfaktor mit 25.000 Arbeitsplätzen...
Und ich denk mir: Ihr bringt es fertig, einen viel größeren Wirtschaftsfaktor zu ruinieren, nur weil ihr es könnt, weil es Eich Spaß macht und die Notleidenden ausländischen Konzerne unterstützt werden müssen.
Mehr Schizophrenie geht nicht.

Bald, bald

von Karl Friedrich Müller am 26.04.2017 um 19:17 Uhr

Bald fliegt uns alles um die Ohren. Die ABDA will bis nach den Wahlen mit "Honorarverhandlungen" warten.
Frage: wann in den vielen Jahren hat sich die ABDA nicht über den Tisch ziehen lassen, oder war total untätig, unfähig, desinteressiert?
Eine Änderung wird eine weitere Verschlechterung für die Meisten bedeuten.
Mir hängt das alles zum Hals raus.
Es ist klar, was die Politiker wollen ( Konzernklüngel) . Was will die ABDA?
Uns vertreten jedenfalls nicht.

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Umsatz/Gewinn

von Peter Bauer am 26.04.2017 um 17:30 Uhr

Meine Damen und alle ,alle Politiker!Wann lernt Ihr endlich
,dass in einer Apotheke der Umsatz und der Gewinn nicht das gleich sind.Höherer Umsatz heißt nicht gleich höherer Gewinn!Jede Form eines Bonus geht natürlich vom Umsatz ab,was bei einer freien Preiskalkulation mit einem prozentualem Aufschlag einkalkuliert werden könnte.Da Ihr Politiker,uns aber ein Fixum plus einem sehr geringen Aufschlag verordnet habt,der den Apotheken laut meiner VSA-Abrechnung einen Rohertrag von nur ca.18% übrig läßt,hat jeder Euro überproportionale negative Auswirkungen auf den Gewinn.Ihr Politiker habt den Aufschlag so gewählt,dass der "typische Apotheker"mehr schlecht als recht,oft unter Selbstausbeutung,versucht sich bis zur Rente zu retten.Ich habe eine kleine Landapotheke und habe vor sechs Jahren das letzte Mal 1Woche Urlaub gemacht.Ich mache all 13Tage Nachtdienst zusätzlich zur regulären Arbeitszeit.Schön blöd,mag jetzt die große Politik sagen,aber in solcher oder ähnlicher Form beutet sich der Apothekenleiter in vielen "Landapotheken" aus,die Ihr angeblich so dringend braucht.Ich sehne ausschließlich noch den Tag herbei ,bis ich in meinem Laden das letzte Mal den Schlüssel rumdrehen kann.Auch so wird es einigen meiner Kollegen durch den Kopf gehen.Und ganz ehrlich:Ich bin schon gespannt wie modern und inovativ digitalisiert Ihr dann den ganzen Sch....ß(=hoffentlich noch Netiquettengerecht)erledigt

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