Alzheimer und Parkinson

Neue Einsatzmöglichkeit für das Antidepressivum Trazodon? 

Remagen - 25.04.2017, 14:05 Uhr

Im Tierversuch war Trazodon bei neurodegenerativen Erkrankungen vielversprechend. In der Apotheke begegnet einem die Substanz bislang eher selten. (Foto: Tran-Photography / Fotolia)

Im Tierversuch war Trazodon bei neurodegenerativen Erkrankungen vielversprechend. In der Apotheke begegnet einem die Substanz bislang eher selten. (Foto: Tran-Photography / Fotolia)


Manchmal werden für lange bekannte Wirkstoffe ganz neue Potenziale entdeckt. So könnte das Antidepressivum Trazodon eventuell auch gegen neurodegenerative Erkrankungen wie die Alzheimer-Demenz oder Parkinson eingesetzt werden. Erfolgreiche Tierexperimente lassen jedenfalls darauf hoffen.

Bei mehreren neurodegenerativen Erkrankungen kommt es im Gehirn zur Bildung fehlgefalteter Proteine (misfolded proteins). Sie sind ein wichtiger Faktor bei Demenzen wie Alzheimer, bei Parkinson sowie bei Prionkrankheiten. Bei früheren Forschungsarbeiten hatte ein Team von Wissenschaftlern des britischen Medical Research Council (MRC) festgestellt, dass die Akkumulation von fehlgefalteten Proteinen bei Mäusen mit Prionkrankheiten einen natürlichen Abwehrmechanismus überaktiviert. Dabei wird die lebenswichtige Produktion neuer Proteine ​​in den Gehirnzellen abschaltet. Nun haben sie zwei Medikamente gefunden, die diesen Weg blockieren und damit die Neurodegeneration verhindern. 

Über tausend Verbindungen getestet

In der Studie, die in der Fachzeitschrift „Brain“ veröffentlicht wurde, testete eine Wissenschaftler-Gruppe von der Abteilung für Toxikologie des Medical Research Council (MRC) in Leicester und der Universität Cambridge 1040 Verbindungen des Nationalen Instituts für Neurologische Störungen und Schlaganfall, und zwar zuerst in Würmern (C. elegans), die ein funktionierendes Nervensystem haben und deswegen ein gutes experimentelles Modell für das Screening entsprechender Wirkstoffe sind, und dann in Säugetierzellen. Dabei konnten sie eine Reihe von geeigneten Kandidatenverbindungen herausfiltern, die dann in Mausmodellen der Prionerkrankung und einer Form der familiären Tauopathie (frontotemporale Demenz – FTD) weiter untersucht wurden. In beiden Modellen hatten die Wissenschaftler in vorherigen Studien bereits eine protektive Wirkung durch experimentelle Verbindungen gezeigt, aber diese waren toxisch.  

Trazodon und Dibenzoylmethan erwiesen sich als wirksam

Sie identifizierten schließlich zwei Wirkstoffe, die die Proteinproduktionsraten in den Mäusen wiederherstellen konnten. Einer ist das bereits zugelassene Antidepressivum Trazodonhydrochlorid. Die andere Verbindung, Dibenzoylmethan (DBM), wird gerade als Anti-Krebsmedikament erprobt. Beide Substanzen verhinderten die Anzeichen von Hirnzellenschäden bei den meisten Mäusen mit der Prionkrankheit und stellten das Gedächtnis in den FTD-Mäusen wieder her. In den Mausmodellen reduzierten sie auch die Gehirnschrumpfung, ein Merkmal neurodegenerativer Erkrankungen. Die Substanzen verursachten bei den Versuchstieren nur minimale Nebenwirkungen.

„Wir wissen, dass die Anwendung von Trazodon bei Menschen sicher ist.“ sagt Giovanna Mallucci von der Universität Leicester, die das Forscher-Team leitete. „Damit können wir nun klinisch testen, ob die schützenden Wirkungen, die wir bei den Gehirnzellen von Mäusen mit Neurodegeneration gesehen haben, auch bei Menschen in den frühen Stadien der Alzheimer-Krankheit und anderen Demenzen eintritt. In zwei bis drei Jahren könnten wir wissen, ob dieser Ansatz die Progression der Krankheit verlangsamen kann.“ 

Trazodon

Trazodon ist ein sedierendes Antidepressivum. Es hemmt präsynaptisch die Serotonin-Wiederaufnahme und wirkt zudem als Antagonist an 5-HT2A-Rezeptoren. Es wird deswegen auch als dualserotonerges Antidepressivum (DSA) bezeichnet. Außerdem hemmt Trazodon stark die α1- und schwach die α2- und H1‐Rezeptoren. Signifikante anticholinerge Eigenschaften hat es nicht. Die rasch einsetzende Wirkung wird als thymoleptisch, anxiolytisch, affektstabilisierend und emotional ausgleichend bezeichnet.

Handelsnamen: Trazodon Hexal und neuraxpharm

Einsatz bei mehreren Krankheiten denkbar

Doug Brown, Direktor für Forschung und Entwicklung der Alzheimer-Gesellschaft, die die Studie mitfinanziert hat, fügt an: „Die Forschung ist zwar in einem sehr frühen Stadium, aber da einer der Wirkstoffe bereits für die Behandlung von Depressionen zur Verfügung steht, könnte die Zeit, die man braucht, um vom Labor in die Apotheke zu kommen, drastisch reduziert werden. Der Wirkstoff blockiert einen natürlichen Abwehrmechanismus in Zellen, der im Gehirn von Menschen mit frontotemporaler Demenz, Alzheimer-Krankheit und Parkinson überaktiv ist. Er hat damit das Potenzial, bei mehreren Krankheiten zu wirken.“ Die Alzheimer-Gesellschaft werde die Forscher nun weiter finanziell unterstützen, um sie auch in Alzheimer-Modellen zu erproben, sagte Brown zu. 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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