Presseecho zum DocMorris-Automaten

„Sogar die Aufstellung eines Apothekenautomats wurde verboten“

Hüffenhardt - 24.04.2017, 12:30 Uhr

Keine 48 Stunden in Betrieb: Die Schließung des Automats von DocMorris rief ein großes Medienecho hervor. (Foto: diz / DAZ.online)

Keine 48 Stunden in Betrieb: Die Schließung des Automats von DocMorris rief ein großes Medienecho hervor. (Foto: diz / DAZ.online)


Die Schließung des „Abgabeautomats mit Videoberatung“ von DocMorris im baden-württembergischen Hüffenhardt führte zu einem deutschlandweit Medienecho. Während die meisten Berichte relativ neutral ausfallen, ist auch von der „jubelnden“ Apothekerlobby zu lesen.

„Marktöffnung ist für Apotheken ein Fremdwort“, schreibt die „Rheinische Post“ in ihrer Kolumne „Der Ökonom“ in einem Bericht über den Abgabeautomaten, den DocMorris im baden-Württembergischen Dorf Hüffenhardt aufgestellt hatte – und den das zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe innerhalb von nur 48 Stunden wieder dicht machte. Mit einem Verweis auf das Edikt von Kaiser Friedrich II., der 1241 die Trennung von Arzttätigkeit und Arzneimittel-Herstellung verfügt hatte, kritisiert der Kommentar die „bestens geschützte“ Branche.

Nun habe das Regierungspräsidium „sogar die Aufstellung eines Apothekenautomats verboten“, heißt es in dem Kommentar – der auch das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe geplante Rx-Versandhandelsverbot als weiteren Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit bezeichnet. „Doch Marktwirtschaft zeigt sich in der Vielfalt der Vertriebswege“, schreibt die Zeitung. „Ob die Patienten online, per Automat oder gut beraten durch ihre stationäre Apotheke ihre Arzneimittel besorgen, sollte ihre Wahl sein“, heißt es. „Wenn dadurch die Preise für frei verkäufliche Medikamente sinken oder die Kassen für verschreibungspflichtige Arzneien Geld einsparen können, hat der Markt seine Funktion erfüllt.“

„Apotheker, ihr wollt Krieg?“

„Apotheker-Lobby jubelt“, schreibt der IT-Nachrichtendienst heise.de zu einer Meldung der Deutschen Presseagentur. „Online bestellte Arzneimittel hätten in die von DocMorris gemieteten Räume geliefert werden sollen“, heißt es fälschlicherweise in dem Beitrag – der ansonsten ausführlich die Hintergründe der Entscheidung erläutert. Doch die Kommentare zum Artikel fallen deutlich aus: „Apotheker, ihr wollt Krieg?“ oder „Apotheken sind sowas von 1980“, heißt es – aber auch „Fachpersonal ist schon sinnvoll“.

Andere Artikel über die Schließung des DocMorris-Standorts, der nach Ansicht der niederländischen Versandapotheke keine Apotheke ist, fallen hingegen deutlich neutraler aus. „Das ging schnell“, heißt es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ): „Kaum hatte Doc Morris seine Video-Apotheke in Baden-Württemberg geöffnet, machen die Behörden den Laden wieder dicht.“ 

„Halb Europa käme dafür potentiell in Frage“

Dabei habe DocMorris mit seiner „Video-Apotheke“ nicht viel Erfahrung sammeln können, schreibt die FAZ. „Jetzt werden Politiker und Gerichte entscheiden müssen“, zitiert sie DocMorris-Strategievorstand Max Müller, der dem Fall „grundsätzliche Bedeutung“ zuspricht. „Überall, wo sich mangels dichter Bevölkerung keine Präsenzapotheke halten könne, wäre eine Video-Apotheke wie in Hüffenhardt denkbar“, zitiert die FAZ Müller – „halb Europa käme also dafür potentiell in Frage“. DocMorris glaube weiterhin, „dass man in Deutschland digitale Projekte zum Wohle aller umsetzen kann“.

(Foto: FAZ vom 22. April 2017)

Dem Einwand des baden-württembergischen Sozialministers Manfred Lucha (Grüne), dass bewährte Strukturen erhalten werden sollten und automatisierte System kein persönliches Gespräch ersetzen können, widersprach Müller: „Die Video-Verbindung ermögliche ja das Gespräch“, heißt es in der FAZ. „Es handele sich nicht einfach um einen Automaten.“

Die „Rhein-Neckar-Zeitung“ geht in ihrem Beitrag detailliert auf die rechtlichen Hintergründe der Schließung ein – so, dass mit der Abgabe von Rx-Arzneimitteln bei der Prüfung der Rezepte am Terminal gegen die Apothekenbetriebsordnung verstoßen wird. „Es ist jetzt, wie es ist“, zitiert die Zeitung DocMorris-Sprecher Torben Bonnke – und erwähnt, dass die Firma einen sechsstelligen Betrag investiert habe.

Die „Heilbronner Stimme“ hatte DocMorris nach eigener Aussage exklusiv über die Eröffnung des Standorts in Hüffenhardt unterrichtet. Am Samstag veröffentlichte die Zeitung online ein Interview mit dem Geschäftsführer der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, Karsten Diers. Ihn habe das schnelle Eingreifen des Regierungspräsidiums überrascht, erklärte Diers. Seiner Kenntnis entziehe sich, was sich DocMorris „juristisch zusammeninterpretiert“ habe. „Für uns war das ganz klar der Betrieb einer Apotheke und damit unzulässig“, erklärt er – und verweist auf die Rezeptsammelstelle, über die Apotheker aus den umliegenden Ortschaften Hüffenhardt weiter beliefern würden.

„Gemeinde hatte mit Aus gerechnet“

„Wir wollen vor allem die Versorgung der Patienten aus einer Apotheke mit einem verantwortlichen Apotheker sicherstellen, der vor Ort sein muss“, erklärte der Kammer-Geschäftsführer. „Jede abgespeckte Form ist deshalb nur das zweitbeste Ergebnis.“

Die Gefahr, dass durch den Automat falsche Arzneimittel abgegeben werden, sehe er nicht – doch könnte Druck auf Ärzte entstehen, nur die Arzneimittel zu verschreiben, die im Automaten lagern – wodurch „nicht mehr die optimale Arzneimitteltherapie“ zum Tragen käme. Auch beim Datenschutz könnte es Probleme geben, wobei Diers einräumen muss: „Uns liegt kein Bericht vor, dass mit den Daten etwas Falsches gemacht wurde.“

„Gemeinde hatte mit Aus gerechnet“, übertitelt die „Heilbronner Stimme“ einen weiteren Artikel – die rechtlichen Probleme seien dem Gemeinderat bekannt gewesen, zitiert sie Bürgermeister Walter Neff. „Wir hatten schon befürchtet, dass es wieder geschlossen wird“, erklärte er. Doch die große Investition hätte der Gemeinde Mut gemacht: „Wer so eine Investition tätig, wisse schon, worauf er sich einlässt“, betonte Neff. „Die Enttäuschung ist schon da“, erklärt er.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Und immer wieder die Apothekerlobby!........

von Heiko Barz am 24.04.2017 um 19:21 Uhr

Es ist und bleibt schwer bis unmöglich den Schreibern der einschlägigen Presseorgane klarzumachen, und letztlich wollen die das auch gar nicht, dass Arzneimittel keine Handelsware üblicher Vertriebsart sind.
Zum Wohle seiner Bürger hat der Staat durch hohe rechtlich Hürden die Apothekenbetriebsordung bestimmt, damit die Qualität kontrollierbar bleibt. Dieser Zustand ist für Alle im Volk von besonderer Bedeutung, denn die Leistung der Deutschen Apotheken ist weltweit anerkannt und wird beneidet.
Alle Kräfte, die diesen Zustand allein zu ihrem finanziellen Vorteil verändern wollen, bewirken ausschließlich eine Abwärtsspirale in der Qualität und interessieren sich einen Sche....um die Gesundheit derer, denen sie das Geld aus der Tasche ziehen.
Wer nicht in der Lage ist, zwischen Hemden, Hosen, Schuhen Bohrmaschinen und Rasenmähern etc und Tramadolor und Co. zu unterscheiden, dem ist es letztlich auch egal, wenn sein Arzneimittel aus irgendeiner Waschküche aus China oder Indonesien kommt.
Es ist davon auszugehen, dass die Phalanx der Presseschreiber zur verantwortungslosen und wahrscheinlich eher gesunden Internetgeneration gehören.
Wenn dann aber ein massives Gesundheitsproblem jene überfällt, dann ist 'Holland in Not', dann nur das Beste und kosten darf es auch nichts.
Für diese Leute ist es ausgesprochen schlimm, wenn Arzt, Apotheker und Co. an den Krankheiten der Patienten auch noch verdienen, denn mit dem ' sinnlos ausgegebenen Geld ' könnte man ja besser in den Urlaub fahren.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: indonesische Waschküche

von Dr. Arnulf Diesel am 28.04.2017 um 8:51 Uhr

Sehr geehrter Herr Barz,

während ich Ihnen im Übrigen zustimme, halte ich eine Differenzierung für notwendig. Wenn ich die Wahl habe, entscheide ich mich lieber für das indonesische Produkt. Biofarma (Impfstoffe) entwickelt eigene Arzneimittel, statt nur zu kopieren.

ABDA erneut unfähig, Marketing Trick zu entlarven

von Andreas Grünebaum am 24.04.2017 um 19:05 Uhr

Die ABDA war nicht einmal in der Lage, rechtzeitig eine geeignete Pressemitteilung zu entwerfen, welche das Ganze auf einfach Art und Weise als das zu enttarnen was es war: ein neuer PR-Trick um für DocMorris kostenlos Medienresonanz zu generieren.

Zunächst wurde es versäumt, auf die Öffnungszeiten hinzuweisen, welche diametral der Perzeption einer 24/7 Apotheke entgegen stehen. Tatsächlich waren es die Öffnungszeiten einer kleinen analogen „Apothekenbude“.

Es wäre auch für FAZ und Wirtschaftswoche nachvollziehbar, dass eine solche Automatenapotheke für DocMorris nicht wirtschaftlich sein kann. Schließlich gab es schon das unsägliche Aus der Co-Box - und dort ganz ohne behördliches Einschreiten, eben durch Insolvenz.

Es wäre doch einfach gewesen, zumindest Zweifel zu sähen. Wie viele Kunden pro Tag wären denn am Tag zu erwarten gewesen? Wären es 2, 5 10 oder gar 30 am Tag? Schließlich hat die Apotheke vor Ort wegen mangelnder Kundenfrequenz geschlossen. Würde ein Ertrag von 100 bis 300 Euro am Tag für Miete, Nebenkosten (Klimaanlage!), Welcome Managerinnen, PKAs oder Dienstleister, welche das Warenlager nicht nur füllen, sondern auch regelmäßig optimieren ausreichen, sowie die Abschreibung für die Investitionen in „Sechsstelliger Höhe“ nach 10 Jahren wieder einzubringen? Jedem kleinen Kioskbesitzer würden sich schon die Nackenhaare sträuben bei solch einem Gedanken.

Zuletzt noch zum Knackpunkt, welcher auch der Co-Box das Knick gebrochen hat: die Kosten für den Apotheker. Selbst wenn man unterstellt, dass DocMorris in der Lage wäre, Apotheker im Callcenter bei einer Vielzahl von installierten Automatenapotheken voll auszulasten, sollte angesichts des Mitteilungsberdürfnisses der Kunden und möglicher tatsächlicher Probleme bei der Beratung die Anzahl verfügbarer und williger Apotheker nicht ausreichen, um dies für „halb Europa“ zu gewährleisten.

Bliebe also die Möglichkeit, auf Apotheker oder sogar PTA in der Beratung in Zukunft komplett zu verzichten: voll digital mit einem Button „Beratung? Ja, Nein“. Unter diesem Gesichtspunkt wäre aber auch das „Aus“ der Automatenapotheke gekommen, denn das könnte auch ein Tante Emma Laden vor Ort leisten – ganz analog.

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Heise sollte bei seinen Leisten bleiben !

von Ratatosk am 24.04.2017 um 18:32 Uhr

Die Heise Plattform ist für digitale Fragen sehr kompetent, aber leider offensichtlich nicht in der Lage das digital ist immmer gut mal zu reflektieren.
Liebe Heise Leute ! das Ziel der Großen ist einfach, daß sich der e-doc in London mit der eBox hier abspricht, dann brauchen wir auch keine Sorge mehr mit Psychopharmaka oder der Pille bis Ultimo mehr haben, der Rest geht unter.
Leider ist das Thema für reine Computerfans etwas zu komplex.

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