Brexit-Umzug

Berlin und Bonn kämpfen um die EMA

Berlin - 21.04.2017, 09:00 Uhr

Quo vadis, EMA? (Foto: dpa / picture alliance)

Quo vadis, EMA? (Foto: dpa / picture alliance)


Wegen des Brexits wird die Europäische Arzneimittelagentur EMA aus London wegziehen müssen. Hierzulande finden Bonn und Berlin als neuer Standort viel politische Unterstützung. Doch die große Koalition ist sich noch uneins: Gegenüber DAZ.online bestätigt ein Sprecher von Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) ihre Präferenz für Bonn – so wegen der dortigen „Fachgruppe Pharmazie“ an der Uni. Doch es gibt noch Gegenstimmen.

Wohin mit der Europäischen Arzneimittelagentur EMA? Nachdem die britische Premierministerin Theresa May in Brüssel den Austrittsprozess eingeleitet hat, stellt sich die schwierige Frage, wohin die EMA wie auch die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA umziehen – denn sie sind beide bislang in London ansässig. Bislang haben bereits 21 der 27 verbleibenden Mitgliedstaaten ihren Hut in den Ring geworfen. Aus Deutschland wurde unter anderem aus Bonn, Frankfurt, München, Saarbrücken, Hannover und Berlin Interesse angemeldet.

Die Standortfragen müssen die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten im Ministerrat entscheiden. Wenn es nach EMA-Chef Guido Rasi geht, sollten sie sich bald einigen – damit die Behörde innerhalb des zweijährigen Austrittsprozesses möglichst viel Zeit für die Planung und Durchführung des Umzugs hat und auch das zukünftig fehlende britische Personal ersetzen kann. Rasi befürchtet erhebliche Auswirkungen durch den Brexit – auch bei der Arzneimitteltherapiesicherheit. „Was ich wirklich befürchte, ist, dass etwas genau innerhalb der Übergangsphase passiert“, hatte Rasi gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärt. „Das ist eine wirkliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit.“

Wie entscheidet sich die Bundesregierung?

In Deutschland zeichnet sich ab, dass wohl nur Bonn oder Berlin infrage kommen. „Alles läuft auf Bonn hinaus“, zitierte die „Welt am Sonntag“ am vergangenen Wochenende „Berliner Regierungskreise. Doch es gibt noch erheblichen Widerstand.

Bereits im vergangenen Jahr hatte sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) für das Rheinland als neuer EMA-Standort stark gemacht – sein Wahlkreis Neuss liegt am Niederrhein. Gegenüber DAZ.online bestätigt ein Sprecher der Bau- und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), dass sich die Ministerin für Bonn ausspricht: Ihr sei es auch als Berlin/Bonn-Beauftragte der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen, auf die besondere Eignung der „Bundesstadt Bonn“ hinzuweisen. 

Für Bonn sprechen das BfArM und die Uni-Pharmazie

„Bonn und die umliegende Region haben sich mit dem Ausbau zum zentralen UN-Standort in Deutschland, der Ansiedlung einer Vielzahl von NGOs und Wissenschaftseinrichtungen sowie aufgrund seiner hervorragenden kulturellen, wissenschaftlich-schulischen und verkehrsbezogenen Infrastruktur in Deutschland zu einem attraktiven Ort auch für die Ansiedlung europäischer Institutionen entwickelt“, erklärt das Ministerium. Zudem befinde sich bereits das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in der ehemaligen Bundeshauptstadt. 

„Die Ansiedlung der EMA in Bonn würde die schon bestehende Kooperation beider Einrichtungen optimieren und zu Synergieeffekten führen“, argumentiert der Sprecher Hendricks. „Im Übrigen spricht für den Standort Bonn die in der dortigen Universität bestehende Fachgruppe Pharmazie, die über ein exzellentes internationales Renommee und zudem über einen Lehrstuhl ‚Drug Regulatory Affairs‘ verfügt, der auf dem auch für die EMA wichtigen Feld der internationalen Arzneimittelsicherheit ebenfalls einen hervorragenden Ruf genießt.“

Merkel ist noch in der Diskussion

Doch bislang hat sich die Bundesregierung offenbar noch nicht festgelegt – und es gibt deutlichen Widerstand gegen die Bonn-Pläne. Die Regierung befinde sich „weiterhin in Gesprächen mit den Bundesländern, erklärt ein Regierungssprecher gegenüber DAZ.online. Ziel sei es, eine zeitnahe Entscheidung für einen starken deutschen Standort zu treffen. Auch Angela Merkels Sprecher Steffen Seibert erklärte kürzlich, dass noch „letzte Gespräche“ zu führen seien.

Anfang des Monats hatten sich die ostdeutschen Ministerpräsidenten gegenüber der Bundeskanzlerin dafür stark gemacht, dass die Regierung sich für Berlin als neuen EMA-Standort stark macht. „Die Konzentration aller neuen Bundesländer auf den Standort Berlin für die EMA ist hilfreich“, erklärte Merkel daraufhin bei einer Pressekonferenz – sie nehme den Wunsch der neuen Länder mit.

Gesundheitspolitische Sprecherin der Union ist für Berlin

Gegenüber DAZ.online betont nun auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Maria Michalk, dass sie anderer Ansicht ist als ihr Parteifreund Gröhe. „Ich persönlich bin für Berlin als neuen EMA-Standort, nicht für Bonn“, erklärt sie – mit einem Seitenhieb darauf, dass Berlin nach der Wende das Rennen um den deutschen Regierungssitz machte. „Die Behörde war bislang in einer Landeshauptstadt ansässig – und sollte es weiterhin sein“, sagt Michalk.

Ihrer Ansicht nach ist die Stadt an der Spree alternativlos. „Ich denke, Deutschland wird nur eine Chance haben, wenn Berlin sich bewirbt“, erklärt Michalk, die ihren Wahlkreis im Osten Sachsens hat. „Berlin ist Gesundheitshauptstadt. Das wäre auch bezüglich der Fachkräftebereitstellung optimal.“

Muss die EMA überhaupt umziehen?

Klar ist inzwischen immerhin eins: Der Brexit wird mit dem Behördenumzug verbunden sein. Kürzlich hatte der britische Brexit-Minister noch erklärt, hierzu sei noch keine Entscheidung gefallen und alles sei ohnehin Teil der Austrittsverhandlungen – Boulevardmedien hatten sich über die Aussagen von „EU-Chefs“ aufgeregt, dass die Behörden gehen müssten.

Gegenüber der „BBC“ stellte nun jedoch eine Sprecherin der EU-Kommission klar, dass es hierbei keinen Verhandlungsspielraum gebe. „Das Vereinigte Königreich verlässt die Europäische Union und wird bei der Standortfrage von EU-Behörden kein Wort mitzureden haben“, erklärte sie. „Die Behörden sind verloren“, erklärte ein EU-Beamter außerdem gegenüber der Nachrichtenagentur „Reuters“. „You cannot have your cake and eat it“, zitiert Reuters ihn: „Man kann nicht das eine verlangen und gleichzeitig das Gegenteil wollen.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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