Schweiz

Apotheker unbesorgt über Aufweichung der Apothekenpflicht

Berlin - 20.04.2017, 12:30 Uhr

Erstmal entspannt: Marcel Mesnil, Generalsekretär des Schweizer Apothekerverbandes, sieht die Aufweichung der Apothekenpflicht in der Schweiz erst einmal entspannt. (Foto: Pharmasuisse)

Erstmal entspannt: Marcel Mesnil, Generalsekretär des Schweizer Apothekerverbandes, sieht die Aufweichung der Apothekenpflicht in der Schweiz erst einmal entspannt. (Foto: Pharmasuisse)


In der Schweiz sollen die meisten OTC-Arzneimittel in Zukunft auch in Drogerien verkauft werden dürfen. Einige nicht verschreibungspflichtige Präparate wandern sogar in die Supermarktregale. Der Schweizer Apothekerverband gibt sich allerdings gelassen. Auch nach der Neuregelung würden die meisten Medikamente weiterhin in der Apotheke verkauft, heißt es. Vielmehr freuen sich die Pharmazeuten über eine Kompetenzerweiterung.

Die Änderungen an der Schweizer Apothekenpflicht hören sich drastisch an: Die Arzneimittelbehörde will eine ganze OTC-Medikamentenliste auflösen. Es geht um die sogenannte „Liste C“, die etwa 650 Präparate enthält, die allesamt apothekenpflichtig sind und nur nach Beratung durch einen Apotheker abgegeben werden dürfen. 90 Prozent dieser Medikamente sollen künftig in die „Liste D“ abwandern und somit auch in Drogerien verkauft werden, allerdings auch dort nur nach Beratung eines ausgebildeten Drogisten. 

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Die restlichen 10 Prozent der Medikamente auf der C-Liste sollen rezeptpflichtig werden und in der Apotheke verbleiben. Hinzu kommt, dass auch die Liste D aufgeweicht werden soll. Viele Medikamente, die derzeit nur nach Beratung durch einen Drogisten abgegeben werden können, sollen künftig auch in Supermarktregalen stehen – ein Lobby-Sieg für die großen Supermarktkonzerne in der Schweiz, die sich schon seit Jahren um einen Einstieg in den Apothekenmarkt bemühen.

Der Schweizer Apothekerverband Pharmasuisse sieht diese Entwicklung allerdings gelassen. Gegenüber DAZ.online erklärte Marcel Mesnil, Generalsekretär bei Pharmasuisse: „Der Löwenanteil der Liste D wird in Apotheken verkauft. Damit ist ein Rutsch der Liste C in D nur ein sehr relativer Verlust.“ Ohnehin macht sich Mesnil was die Marktbeteiligung der Drogerien betrifft, wenig Sorgen: „Die Anzahl der Drogerien ist in der Schweiz rückläufig. Drogisten arbeiten oft auch in Apotheken. Sie sind im Schweizer System sehr gut ausgebildet; die Ausbildung ist nicht vergleichbar mit den in einigen EU-Ländern existierenden Drogisten.“

Apotheker sollen ohne Rezept dispensieren

Kurzum: Aus Sicht der Schweizer Apotheker wird die Aufweichung der Apothekenpflicht den Drogerien wenige Vorteile bringen. Mesnil weiter: „Da es bisher keine therapeutische Indikation der Liste C gab, für die nicht auch ein Präparat aus der Liste D existierte, wird die Kompetenzausweitung der Drogisten kaum zusätzliche Kunden bringen, dagegen wird das Sortiment (und damit die Lagerkosten) grösser.“

Dass einige Arzneimittel sogar in die Liste E abrutschen sollen, also auch in Supermärkten in den Regalen stehen dürfen, macht Mesnil anscheinend ebenso wenig Sorgen. In anderen europäischen Ländern gibt es einige OTC-Präparate schon seit Jahren in Supermärkten oder an Tankstellen zu kaufen. Dass solche Zustände nun auch in der Schweiz eintreten, daran glaubt Mesnil nicht: „Die Schweiz ist aus Sicht der Patientensicherheit restriktiver mit Selbstbedienungs-Medikamenten, zum Beispiel mit der Abgabe in Tankstellen.“

Bald gibt es eine „Apothekerliste“

Neben den Aufweichungen an der Apothekenpflicht enthält die Revision des Heilmittelgesetzes allerdings auch eine frohe Botschaft für die Apotheker. Die Pharmazeuten sollen künftig auch bestimmte Arzneimittel ohne Rezept abgeben dürfen. Der Gesetzgeber will damit die Kompetenzen der Apotheker stärken. Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit soll eine sogenannte „Apothekerliste“ erarbeiten, darauf sollen alle Medikamente stehen, die Apotheker abgeben dürfen.

Für den Schweizer Apothekerverband ist das ein großer Erfolg: „Die Kompetenzausweitung der Apotheker entspricht ihrer besonderen Weiterbildung, die jetzt staatlich anerkannt und für die eigenverantwortliche Berufsausübung Pflicht wird. Damit wird der Apotheker endlich als akademischer Medizinalberuf anerkannt mit eigener Entscheidungskompetenz und Haftung. Der Handel mit Hardware hat wenig Zukunft. Vielmehr hat die Erbringung von medizinischen Leistungen Zukunft: die Beratung, diagnostische Analysen und Arzneimittelversorgung ohne Termin. Die Schweizer Apotheken bieten bei Gesundheitsfragen schnell und kompetent Hilfe – und entlasten so als kostengünstige Alternative Hausärzte und Notaufnahmen der Spitäler. Sie stehen heute und morgen für die vernetzte medizinische Grundversorgung.“



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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