Zecken im Beratungs-Quickie

Doxycyclin bei Borreliose

Stuttgart - 13.04.2017, 14:00 Uhr

Die Zecke: Überträger von Borrelien, allerdings erst zwölf Stunden nach dem Stich.  (Foto:  greenpapillon / Fotolia)

Die Zecke: Überträger von Borrelien, allerdings erst zwölf Stunden nach dem Stich.  (Foto:  greenpapillon / Fotolia)


Sommerzeit ist Zeckenzeit. Und darum dreht sich auch unser heutiger Beratungs-Quickie: Ein Patient erhält eine antibiotische Therapie mit Doxycyclin aufgrund eines Erythema migrans. Welche Tipps können Sie in der Apotheke zur Einnahme von Doxycylin und zum Schutz vor Zecken geben? Und wenn die Zecke gestochen hat - wie lange dauert es, bis Borrelien übertragen werden? 

Ein 50-jähriger, rüstiger Herr betritt die Apotheke – in der Hand das Rezept seines Internisten über Doxycylin. Er erzählt, er arbeite regelmäßig in seinem Garten und habe öfter Zecken. Doch bei dem letzten Zeckenstich habe sich nun eine Rötung entwickelt, die sich immer mehr vergrößere.

Formalien-Check

Der behandelnde Arzt hat eine Verordnung über Doxy® 200 mg ABZ in der Packungsgröße N2 mit 20 Tabletten ausgestellt. Das Rezept ist eindeutig und vollständig. Die AOK Niedersachsen hat aktuell Rabattverträge mit dem Hersteller Al. Der Apotheker ist verpflichtet, das rabattierte Arzneimittel abzugeben. Ist kein Rabattarzneimittel vorrätig, besteht bei antibiotischen Wirkstoffen auch die Möglichkeit, auf die Dringlichkeit eines Therapiebeginns mittels „Akutversorgung“ hinzuweisen. Macht der Apotheker von dieser Versorgung Gebrauch, muss er dies auf dem Rezept dokumentieren – entweder durch Aufdrucken einer Sonder-PZN oder mittels eines handschriftlichen Vermerks. Herr Igor G. ist zuzahlungspflichtig. Allerdings verzichtet die AOK Niedersachsen bei dem rabattierten Antibiotikum darauf.

Beratungs-Basics

Bei dem Patienten besteht der Verdacht einer Borreliose. Er entwickelte nach dem Stich einer Zecke eine lokale Rötung, das sogenannte Erythema migrans. Es tritt bei 80 bis 90 Prozent der Patienten auf. Diese Wanderröte manifestiert sich meist innerhalb von drei bis 30 Tagen, in der Regel als roter Ring, der an der Einstichstelle blasser ist als am Rand. Die wandernde Röte ist Zeichen einer Entzündungsreaktion durch die sich ausbreitenden Borrelien. Häufig verursacht diese Hautentzündung kaum Beschwerden – außer Jucken oder leichtes Brennen – und wird von Patienten somit auch teilweise übersehen.

Doxycyclin ist hier – neben Amoxicillin – das Antibiotikum der Wahl und soll in dieser speziellen Indikation in einer Stärke von 200 mg täglich eingenommen werden. Die Dosis kann einmal täglich verabreicht werden oder zweimal pro Tag je 100 mg im Abstand von zwölf Stunden. Doxycylin® Al 200 mg Tabletten sind teilbar. Im Sinne der Adhärenz, kann es jedoch günstig sein, dem Patienten die einmal tägliche Einnahme der gesamten Tagesdosis zu empfehlen. Sinnvoll ist es außerdem, den Patienten nochmals auf die längere Therapiedauer hinzuweisen – diese beträgt bei Lyme-Borreliose mit Doxycyclin zwei bis drei Wochen, sollte 14 Tage jedoch in keinem Fall unterschreiten. Die Apotheke kann in diesem Fall auch den Grund hierfür erklären: Borrelien können hämatogen disseminieren, sich in anderen Organen manifestieren und zu schweren Erkrankungen führen. Betroffen sind neben der Haut vor allem die Gelenke (Lyme-Arthritis) und das Nervensystem (Neuroborreliose). 

Die Einnahme des Antibiotikums erfolgt vorzugsweise zu einer Mahlzeit. Dies beeinträchtigt zwar die Resorption von Doxycyclin zu geringen Teilen, allerdings verbessert sich hierdurch die Magen-Darm-Verträglichkeit. Der Patient sollte vermeiden, Doxycylin direkt vor dem Zubettgehen zu nehmen – dies birgt eine erhöhte Gefahr für Ulzerationen der Speiseröhre. Die Apotheke sollte Herrn Igor G. empfehlen, das Arzneimittel zuverlässig immer zur gleichen Uhrzeit einzunehmen, um eine kontinuierliche Antibiose zu gewährleisten.

Doxycyclin gehört als Tetracyclin zu den antibiotischen Wirkstoffen, die eine Kombination mit zwei- und dreiwertigen Kationen nicht gut vertragen. Die Patienten müssen auf calciumhaltige Lebensmittel wie Milchprodukte (Quark, Joghurt, Milch, Käse, Hüttenkäse) zwar nicht verzichten, sollen allerdings einen zeitlichen Abstand zur Doxycyclin-Tablette von zwei bis drei Stunden berücksichtigen. Gleiches gilt für Eisen- und Magnesiumpräparate, Calcium zur Osteoporoseprophylaxe oder Antazida und Nahrungsergänzungsmittel, die diese Kationen enthalten.  Auch Fruchtsäfte oder Mineralwasser können mit Calcium angereichert sein. Die Einnahme sollte daher auch mit Leitungswasser erfolgen. 

Doxycylin wechselwirkt außerdem mit Cumarinderivaten, und zwar dahingehend, dass es die antikoagulatorische Wirkung von Phenprocoumon und Warfarin verstärkt. Die Apotheke sollten ihre mit Vitamin-K-Antagonisten antikoagulierten Patienten beraten, ihren Quickwert engmaschig überwachen zu lassen und gegebenenfalls – nach ärztlicher Rücksprache – die Dosis zu reduzieren.

Doxycyclin macht die Haut empfindlicher für die Sonne. Um phototoxische Reaktionen zu verhindern, empfiehlt der Apotheker dem Patienten, direkte Sonneneinstrahlung zu vermeiden. Bei manchen Patienten kann auch der explizite Hinweis einer „Solariumkarenz“ durchaus sinnvoll sein. Der Apotheker rät dem Patienten zusätzlich zu einem Sonnenschutzpräparat mit hohem Lichtschutzfaktor. Vor allem auf ausreichenden UV-A Schutz ist hierbei zu achten. UV-A-Licht, das für phototoxische Reaktionen hauptsächlich verantwortlich ist, wird im Gegensatz zu UV-B nicht von dünner Kleidung oder Glasscheiben abgehalten. Somit können phototoxische Reaktionen auch durch Glasscheiben wie beispielsweise im Auto auftreten.

Als Antibiotikum stört Doxycyclin unerwünschterweise auch die natürliche Darmflora. Häufig klagen Patienten über Durchfälle, Übelkeit und Erbrechen. In seltenen Fällen entwickeln die Patienten eine durch Clostridium difficile ausgelöste Pseudomenmbranöse Colitis. Hieran sollten Apotheker vor allem denken, wenn die Betroffenen von unstillbaren Durchfällen berichten. Ösophageale Ulzerationen sind ebenfalls nur selten und meist auf eine unzureichende Trinkmenge beim Tablettenschlucken zurückzuführen.

Sonst noch wichtig

Doxycyclin wirkt bakteriostatisch auf grampositive und gramnegative Bakterien. Klinisch von Bedeutung ist die gute Wirksamkeit gegen intrazelluläre Keime. Es gehört in die Gruppe der Tetracycline und hemmt die bakterielle Proteinsynthese indem es die Anlagerung der Aminoacyl-tRNA an die 30 S-Untereinheit des bakteriellen Ribosoms verhindert. Der Effekt: Die Peptidkette wird nicht verlängert. 

Borrelien sind gramnegative Bakterien und gehören zu den Spirochäten. Sie werden im Darm der Zecke aktiviert, gelangen anschließend in die Speicheldrüsen der Zecke, wo sie immunsuppressive Speichelproteine an ihre Oberfläche binden. Diese schützen die Borrelien nach Übertragung auf den Menschen zunächst vor dessen Abwehrmechanismen. Im Gegensatz zu Insekten, die eine vergleichsweise kurze Stechdauer haben, dauert der Saugakt bei Zecken mehrere Tage. Borrelien erreichen somit nur bei einem Zeckenstich eine ausreichend hohe infektiöse Dosis. 

Darf`s ein bisschen mehr sein?

  • Den besten Schutz vor Zecken bietet bedeckende Kleidung. In Socken gesteckte Hosenbeine sind zwar nicht schick, erschweren der Zecke allerdings, eine Stichstelle für ihre Blutmahlzeit zu finden.
  • Repellenzien helfen ebenfalls die Zecken abzuhalten. Ihre Wirkdauer ist begrenzt und liegt im Schnitt zwischen vier bis sechs Stunden. Sie enthalten DEET (zum Beispiel in Nobite® Hautspray, Anti Brumm® forte), Icaridin beispielsweis in Anti Brumm® Zecken Stopp und Autan® Protect in Plus Zeckenschutz. Als pflanzliche Alternative können Apotheker Anti Brumm® Naturel oder Nobite® Botanic empfehlen. Diese enthalten Citriodiol, einen Extrakt einer chinesischen Eukalyptusart.
  • Große Bedeutung kommt dem Absuchen des Körpers auf Zecken nach einem Aufenthalt im Freien zu. Haaransatz, Ohren, Kniekehlen, Bauch und Genitalbereich zählen zu den beliebtesten Stichregionen der Zecke. Duschen ist ebenfalls empfehlenswert – Zecken stechen nicht sofort und können so unter Umständen durch das Wasser einfach abgespült werden.
  • Eine Zecke sollte umgehend entfernt werden: Gerade ziehen und nicht drehen. Die Apotheke kann hier zu Zeckenkarte, Pinzetten und Zeckenschlinge beraten. Optimal ist es natürlich, die Zecke vollständig zu entfernen. Nicht immer gelingt das. Beruhigend zu wissen ist jedoch, dass ein Verbleiben des Kopfes oder des Stechapparates kein erhöhtes Risiko für eine Borrelienübertragung birgt. Die Gestochenen sollten versuchen, den Zeckenkörper nicht zu quetschen – das fördert die Übertragung von Borrelien.
  • Eine Übertragung von Borrelien erfolgt nach einem Zeckenstich erst nach mehreren Stunden. Das Risiko steigt mit der Dauer des Saugaktes. Laut der aktuellen Leitlinie, sind nur wenige Fälle bekannt, in denen Borrelien innerhalb der ersten zwölf Stunden übertragen wurden. Die Informationen des Robert-Koch-Instituts (RKI) greifen hier noch großzügiger: ein bis zwei Tage.
  • Der Patient kann, so er die Zecke bemerkt und sie entfernt hat, die Einstichstelle mit einem Kugelschreiber markieren. Dies hilft, die eventuelle Entwicklung und Ausbreitung eines Erythems besser zu verfolgen.
  • Klagt der Patient über grippeähnliche Beschwerden, ist der Gang zum Arzt unabdingbar. Diese Symptome deuten auf eine hämatogene Ausbreitung der Borrelien.
  • Eine Spontanheilung eines Erythems ist möglich. Allerdings können Borrelien ohne antibiotische Therapie auch über Jahre in der Haut persistieren und sich unter Umständen irgendwann in anderen Organen manifestieren.
  • Gegen Borrelien gibt es keine Impfung. Hält sich der Patient allerdings häufig in der Natur auf, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut eine Impfung gegen FSME. Die Frühsommer-Meningoenzephalitis ist eine virale Erkrankung, die ebenfalls durch Zecken, Holzbock und Auwaldzecke, übertragen wird.
  • Bei Antiobiotika-bedingten Durchfällen können probiotische Präparate wie Mutaflor® oder Omniflora® helfen, die Darmflora zu regenerieren. Sie enthalten vermehrungsfähige Keime, die eine gesunde Keimbesiedlung des Darms wieder unterstützen. Probiotika können bereits während der Doxycyclin-Gabe eingenommen werden. 

Der Patient ist verunsichert: Ob Borreliose ansteckend sei, fragt er besorgt. Der Apotheker kann den Mann hier jedoch beruhigen: An Borreliose erkrankte Patienten seien nicht ansteckend und somit keine infektiöse Gefahr für ihr Umfeld.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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