Apothekenpflicht?

Bundesgerichtshof muss in Ginkgo-Streit entscheiden

Karlsruhe - 13.04.2017, 16:30 Uhr

Der Ginkgo-Streit geht zum Bundesgerichtshof nach Karlsruhe. Die Richter sollen entscheiden, inwiefern Ginkgo-Extrakte als Arzneimittel zugelassen werden müssen. (Foto: DAZ.online)

Der Ginkgo-Streit geht zum Bundesgerichtshof nach Karlsruhe. Die Richter sollen entscheiden, inwiefern Ginkgo-Extrakte als Arzneimittel zugelassen werden müssen. (Foto: DAZ.online)


Ist Ginkgo-Extrakt apothekenpflichtig? Ein langjähriger Rechtsstreit zwischen Schwabe und Klosterfrau geht nun zum Bundesgerichtshof. In der Vorinstanz hatte der Oberlandesgericht Hamm geurteilt, dass ein Ginkgo-Präparat von Klosterfrau nicht im Drogeriemarkt vertrieben werden darf. Dennoch sind weiterhin viele Ginkgo-Präparate außerhalb von Apotheken erhältlich.

Ein Streit zwischen den Traditionsunternehmen Schwabe aus Karlsruhe und Klosterfrau aus Köln wird die Unternehmen wie auch die deutsche Gerichtsbarkeit wohl noch ein zehntes Jahr beschäftigen: Seit 2008 streiten die Firmen um die Frage, inwiefern Ginkgo-Präparate mit Tagesdosierungen von 100 Milligramm apothekenpflichtig sind. Klosterfrau vertrieb sein Produkt „Klosterfrau Ginkgo Plus“ unter anderem auch in Drogeriemärkten, was Schwabe ein Dorn im Auge war – die Pharmafirma vertreibt Ginkgo-Extrakte unter den Namen Tebonin® und Rökan® als Arzneimittel.

In einem ersten Urteil hatte das Landgericht Bielefeld im November 2009 die Verkehrsfähigkeit des Produktes von Klosterfrau bestätigt, während Schwabe in der nächsten Instanz Erfolg hatte: Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm urteilte im November vergangenen Jahres (Az. I-4 U 1/10), dass Klosterfrau sein Ginkgo-Präparat nicht ohne arzneimittelrechtliche Zulassung vermarkten darf.

Schwabe hatte vor Gericht erfolgreich argumentiert, dass es wegen seines Gehalts an Flavonglykosiden und Terpenlactonen über eine pharmakologische Wirkung verfügt. Auch seien im Rahmen von humanpharmakologischen Studien bei monographiekonformen Ginkgo-Extrakten signifikante pharmakologische Wirkungen bei Tagesdosierungen von deutlich unter 100 Milligramm Extrakt wissenschaftlich nachgewiesen worden. Dies seien die „Steigerung der Gedächtnisleistung und des Lernvermögens“, die „Förderung der Durchblutung vorzugsweise im Bereich der Mikrozirkulation“, eine „Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes“, die „Inaktivierung toxischer Sauerstoffradikale“ sowie ein „Antagonismus gegenüber PAF“.

Zudem sei die Verkehrsauffassung in Bezug auf Ginkgo-biloba-Extrakte von der jahrzehntelangen Verwendung als Arzneistoff geprägt, erklärte Schwabe. Ohnehin sei das Produkt von Klosterfrau nicht als Lebensmittel verkehrsfähig, da es sich bei dem Ginkgo-biloba-Extrakt um einen den Lebensmittelzusatzstoffen gleichgestellten Stoff handele, der wegen fehlender Zulassung nicht in Verkehr gebracht werden dürfe. 

Die Richter ließen sich vom Tee-Vergleich nicht überzeugen

Klosterfrau hatte vorgebracht, es handele sich nicht um ein Funktionsarzneimittel, sondern um ein Nahrungsergänzungs- beziehungsweise Lebensmittel. In der Konzentration von 100 Milligramm verfüge der Extrakt über keine pharmakologische Wirkung. Es handele sich auch nicht um ein Präsentationsarzneimittel: Eine durch die Präsentation hervorgerufene Verkehrserwartung in Bezug auf ein Arzneimittel liege nach Einschätzung von Klosterfrau nicht vor.

Jedoch ließen sich die Richter auch von dem Argument nicht überzeugen, Ginkgo werde seit langer Zeit in einer Vielzahl von Lebens- bzw. Nahrungsergänzungsmitteln verwendet – wie in Teeprodukten. „Diejenigen Wirkungen, die mit dem in Rede stehenden Produkt erzielt werden könnten, könnten auch mit dem Konsum von zwei bis drei Tassen Ginkgo-haltigen Tees erreicht werden“, brachte Klosterfrau laut dem Urteil des OLG Hamm vor.

Stattdessen untersagte das Gericht Klosterfrau nicht nur, sein Ginkgo-Präparat ohne Zulassung als Arzneimittel zu vertreiben, sondern verurteilte das Unternehmen auch, Schwabe mitzuteilen, welchen Umsatz und Gewinn es seit 2008 mit seinem Produkt gemacht hatte. Gleichzeitig ließen die Richter die Revision beim Bundesgerichtshof zu, welcher seit Februar dieses Jahres mit dem Fall betraut ist (Az. BGH I ZR 9/17).

Wie reagieren die Ginkgo-Hersteller?

Zwar könnte Klosterfrau gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000 Euro sein Produkt weiterhin vertreiben, doch entschied sich die Kölner Firma offenbar hiergegen: Auf der Homepage ist es aktuell nicht gelistet. Auf Nachfrage von DAZ.online wollte sich das Unternehmen hierzu nicht äußern. „Zu strategischen Themen nehmen wir keine Stellung“, erklärte ein Sprecher.

Schwabe hingegen verschickte unter der Überschrift „Ginkgo-Präparate müssen aus der Drogerie verschwinden“ eine Pressemitteilung, in der die Firma betont, dass erste Konsequenzen bereits im Markt sichtbar seien: „Anbieter wie dm kennzeichnen das aktuelle Produkt von Klosterfrau auf der Homepage als ‚Nicht mehr im Verkauf‘“, schreibt sie. Das Urteil werde auch für andere Anbieter von Ginkgo-Produkten Folgen haben, erklärt Schwabe. „Es wird als richtungsweisend angesehen, da zukünftig nicht mehr nur das Produkt der Firma Klosterfrau, sondern auch alle anderen Nahrungsergänzungsmittel mit entsprechenden Ginkgo-Extrakten nicht mehr verkehrsfähig sind und daher außerhalb der Apotheke in Drogerie und Lebensmitteleinzelhandel nicht mehr vertrieben werden dürfen.“

Bislang sind allerdings noch viele Ginkgo-Präparate außerhalb von Apotheken erhältlich – bei „dm“ sind aktuell vier Extrakte erhältlich. Auch hat die Drogeriekette nach DAZ.online-Informationen das Produkt von Klosterfrau bereits seit Februar 2016 aus dem Sortiment genommen und nicht in Reaktion auf das aktuelle Urteil. Der Karlsruher Drogeriekonzern war vor den Osterfeiertagen nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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