Erste FDA-Zulassung bei Spätdyskinesien

Neuroleptika Nebenwirkung behandeln

San Diego / Stuttgart - 12.04.2017, 17:30 Uhr

Spätdyskinesien: Schwer behandelbare und meist irreversible Nebenwirkung unter Neuroleptika. (Foto: vlue - 123rf.com)

Spätdyskinesien: Schwer behandelbare und meist irreversible Nebenwirkung unter Neuroleptika. (Foto: vlue - 123rf.com)


Als erstem Arzneimittel zur Behandlung von Spätdyskinesien bei Schizophrenie hat die FDA Valbenazin durch ein beschleunigtes Verfahren die Zulassung erteilt. Spätdyskinesien sind gefürchtete Nebenwirkungen einer Behandlung mit Neuroleptika und häufig irreversibel. Bislang gibt es in den USA kein spezielles Arzneimittel dagegen. 

In einem beschleunigten Zulassungsverfahren hat die FDA Valbenazin am 11. April 2017 grünes Licht für die Zulassung gegeben. Es ist in den Vereinigten Staaten somit das erste und bislang einzige Arzneimittel, das speziell zur Behandlung der Spätdyskinesien bei Erwachsenen indiziert ist. Ab 1. Mai 2017 soll es Patienten zur Verfügung stehen. Neurocrine Biosciences vermarktet Valbenazin unter dem Handelsnamen Ingrezza. In Deutschland ist die Situation eine andere: Hier gibt es spezielle Arzneimittel zur Behandlung tardiver Dyskinesien, zum Beispiel das Reserpin-Analogon Tetrabenazin.

Da es derzeit in den USA kein Arzneimittel speziell bei tardiven Dyskinesien gibt, ermöglichte die FDA Ingrezza einen beschleunigten Marktzugang: Ein Priority Review Verfahren verkürzte die Überprüfung der Zulassungsunterlagen durch die FDA auf sechs Monate. Im Standard Review Verfahren hingegen hat die amerikanische Zulassungsbehörde zehn Monate Zeit, die eingereichten Unterlagen zu sichten. Tardive Dyskinesien könnten Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen stigmatisieren, erklärte Mitchell Mathis, zuständiger Medical Director für psychiatrische Arzneimittel bei der FDA. Die Zulassung eines Arzneimittels zur Behandlung dieser Beschwerden bewertete Mathis als wichtigen Fortschritt für die betroffenen Patienten.

Dyskinesien häufig irreversibel, die Behandlung schwierig

Spätdyskinesien treten im Zusammenhang mit der Therapie antispychotischer Arzneimittel auf. Etwa 15 bis 20 Prozent aller Patienten entwickeln unter Neuroleptika diese – häufig irreversible – Nebenwirkung. Die Patienten leiden an stereotypen Kau-, Saug- und Schmatzbewegungen, die das soziale Leben der Betroffenen stark einschränken können. Insbesondere Patienten, die langfristig klassische Neuroleptika einnehmen müssen, sind von tardiven Dyskinesien betroffen. Auch ein höheres Lebensalter und weibliches Geschlecht scheinen für das Auftreten der irreversiblen Dyskinesien zu prädisponieren.

Die Symptome können nach jahrelanger guter Verträglichkeit oder nach Absetzen einer neuroleptischen Behandlung auftreten. Als Ursache wird eine Überempfindlichkeit von D2-Rezeptoren im Corpus striatum diskutiert. Dies könnte auch erklären, warum sich Spätdyskinesien teilweise durch Dosiserhöhung oder Umstellen auf ein höherpotentes Neuroleptikum bessern können. Allerdings sind diese Verbesserungen durch Dosiserhöhung meist nur vorübergehend und somit klinisch nicht indiziert. Diese Beobachtungen helfen jedoch, die Pathogenese der Dyskinesien zu verstehen.

Bei Spätdyskinesien kann sich ein Umstellen der Therapie auf das D4-selektive Clozapin positiv auswirken, auch kann eine zusätzliche Gabe des atypischen Neuroleptikums Tiaprid versucht werden. In Deutschland hat Tetrabenazin eine Zulassung speziell bei Spätdyskinesien.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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