Brexit

EMA-Chef warnt vor Gesundheitsgefahr für Europa

London - 11.04.2017, 12:30 Uhr

Quo vadis, EMA? (Foto: dpa / picture alliance)

Quo vadis, EMA? (Foto: dpa / picture alliance)


Der Ausstieg Großbritanniens aus der EU wird für die Arzneimittelagentur EMA mit großen Veränderungen einhergehen: Ihr steht ein Wegzug aus London bevor – und der Verlust vieler Mitarbeiter. Laut EMA-Chef Guido Rasi ist insbesondere die Übergangszeit eine mögliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit.

Nachdem die britische Premierministerin Theresa May am 29. März die Entscheidung des Vereinigten Königreiches, aus der Europäischen Union auszutreten, Brüssel übermittelt hat, wird es auch für die Europäische Arzneimittelagentur EMA ernst. Denn bislang ist sie in London angesiedelt – und wird aller Voraussicht nach während des zweijährigen Austrittsprozesses in einen der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten umziehen müssen. Überlegungen, die Behörde könnte auch nach Vollzug des Brexits in London verbleiben, haben sich offenbar zerschlagen, da die Britische Regierung sich zukünftig nicht mehr an Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs binden möchte.

EMA-Chef Guido Rasi befürchtet, dass der Austrittsprozess die Arbeit der EMA erheblich beeinträchtigen könnte – darunter auch die Zulassung von Arzneimitteln. „Was ich wirklich befürchte, ist, dass etwas genau innerhalb der Übergangsphase passiert“, sagte Rasi gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. „Das ist eine wirkliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit.“

Fast alle Staaten wollen die EMA

Die zwei-Jahres-Frist ist dabei äußerst eng: Zuerst müssen sich die EU-Mitgliedstaaten auf einen neuen Standort einigen, anschließend müssen der Übergangsprozess und Umzug gestaltet werden. Bislang haben laut „Reuters“ 21 der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten Interesse an der EMA angemeldet – alle bis auf Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Luxemburg und Polen. Kroatien, Rumänien, die Slowakei und Zypern beherbergen bislang keine EU-Institutionen. Allein in Deutschland wurden Bonn, Frankfurt, Saarbrücken, München, Berlin oder Hannover als möglicher Standort ins Gespräch gebracht. 

Mitarbeiter verlassen bereits die Arzneimittelbehörde

Wichtig ist für Rasi, dass die nötigen Entscheidungen schnell getroffen werden. „Ich weiß, dass der EU-Ministerrat im Juni zusammentritt – daher gibt es sicherlich die Möglichkeit einer schnellen Entscheidung“, erklärte der Behördenchef. Entscheidend für den neuen Standort seien gute Verkehrsanbindungen und die Infrastruktur. Benachbarte Forschungsinstitute oder Pharmafirmen bezeichnete Rasi gegenüber der Nachrichtenagentur als „irrelevant“.

Ein weiteres erhebliches Problem für die EMA – mit ihrem Jahresbudget von rund 320 Millionen Euro und ihren 900 Mitarbeitern – ist es, genügend ausreichend qualifizierte Experten an die Behörde zu binden. Nach Medienberichten haben Mitarbeiter mit Schlüsselpositionen bereits die Behörde verlassen, und Rasi gab gegenüber „Reuters“ an, dass die Anzahl der Bewerber für das Ausbildungsprogramm der EMA von 2000 auf nun nur noch 700 zurückgegangen sei.

Offen ist auch, wie die EMA zukünftig mit der britischen Arzneimittelagentur zusammenarbeiten wird. Möglicherweise könnten die Behörden Zulassungen gegenseitig anerkennen – Rasi bezeichnete dies als theoretische Möglichkeit, doch müssten die nationalen Regierungen dies mit Großbritannien aushandeln. 

Eine Sprecherin von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wollte die Frage des EMA-Umzugs und möglicher Risiken für die Gesundheitsversorgung gegenüber DAZ.online nicht kommentieren. „Die Gespräch hierzu laufen derzeit“, hieß es aus dem Ministerium.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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