Interview Dr. Christopher Hermann (AOK)

„Von Rabattverträgen war keiner so richtig begeistert“

Berlin - 04.04.2017, 10:30 Uhr

Nur Kleingeister retaxieren auf Null: Dr. Christopher Hermann, Chef der AOK Baden-Württemberg, im DAZ.online-Interview über die Geschichte der Rabattverträge. (Foto: dpa)

Nur Kleingeister retaxieren auf Null: Dr. Christopher Hermann, Chef der AOK Baden-Württemberg, im DAZ.online-Interview über die Geschichte der Rabattverträge. (Foto: dpa)


Streit um pharmazeutische Bedenken

DAZ.online: Worum ging es?

Hermann: Die Apotheker waren unzufrieden. Für sie waren das natürlich riesige Umstellungen. Ihre komplette Lagerhaltung, die Kassenverträge, die Software – alles veränderte sich. Die Apotheker mussten ihren Patienten das neue System immer wieder erklären. Dann gab es Probleme mit einzelnen kleineren Herstellern, die auf einmal mit der Produktion nicht mehr hinterherkamen, entsprechend mussten die Apotheker ihre Patienten schon wieder umstellen. Einzelne Verträge mussten wir deshalb auch wieder beenden. Die Apotheker forderten zudem Ausnahmen von der Austauschpflicht.

DAZ.online: Wie lief denn die Zusammenarbeit mit den Apothekern damals?

Hermann: Ich kann mich noch sehr genau an die zahlreichen Sitzungen in der Berliner Jägerstraße mit Hr. Becker und seinem Vorstand erinnern. In den meisten Fällen haben wir immer eine gemeinsame Lösung gefunden und das System der Rabattverträge weiterentwickelt. In der zweiten Ausschreibung haben wir aus unseren Fehlern gelernt und führten die pharmazeutischen Bedenken ein.

Verständnis für den Ärger der Apotheker

DAZ.online: Hatten Sie denn Verständnis dafür, dass die Apotheker den Austausch in manchen Situationen verhindern wollten?

Hermann: Natürlich. Es ging auch darum, einen rechtssicheren Weg für die Apotheker zu finden, in entsprechenden Fällen den Austausch auszuschließen – ohne, dass ihnen gleich die Retax-Keule drohte.

DAZ.online: Wie nutzen die Apotheker das Instrument der pharmazeutischen Bedenken denn aus Ihrer Sicht?

Hermann: Das sind keine riesigen Fallzahlen. Dort, wo sie auftauchen, sind sie für uns meist in Ordnung. Aber genau deswegen verstehe ich ja die Substitutionsausschlussliste nicht…

DAZ.online: Warum?

Hermann: Wenn es fachlich-pharmazeutische Bedenken gibt, liegt es in der Kompetenz des Apothekers den Austausch via pharmazeutische Bedenken zu verhindern. Auch die Zustimmung der Ärzte zu der Liste kann ich nicht verstehen: Die können den Austausch per aut-idem Kreuz ausschließen. Alles was die Liste kann, konnten die Apotheker auch schon vorher.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Was ist mit den Hochpreisigen?

von Orhon am 04.04.2017 um 11:24 Uhr

So viel Ärger , depressive Stimmung Überdosierungen und viele andere Vorfälle unter den Patienten für wenige Sparergebnisse bei Generica hat es noch nie gegeben wie seid dieser traurigen Zeit.
Die hochpreisige Medikamente z.B.ein HCV Medikament verachtet die GKV mit 35 fachem Tagespreis fast von 1000Eu.Das wäre eine richtige Erfindung den Tagesdosis zumindestens auf die Hälfte zu reduzieren.Mit einem Information von der einzigen unabhängigen und anzeigefreien Arzneimittelzeitung würde der Hersteller mit einem Tagesdosispreis von 35Eu.anstatt heutigem Preis von fast 1000 (tausend)Eu.,gesamten Kosten mit Schmerzensgelder mit sehr gutem Gewinn ertragen.Denn diese Weltneuheiten sind durch steuergelder finanzierte öffentliche Instutionen erfunden worden.Die Erfindung von Penicilin durch Fleming und industrielle Großherstellung hat damals keinen übertriebenen Profitgier wie heutige Neuerfindungen oder Zufallsfunde gezielt..
Die Hauptkosten der gesamten Arzneimittel machen einige solche Präparate nicht die Generika.
Haben Sie so ein starkes Herz gegen diese wenige Präparate ,die die GKVs ver achten Herr Dr.Herrmann?

Barbaros Orhon;Löningen

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"keinen zusätzlichen Aufwand"

von Pierre Roer am 04.04.2017 um 9:53 Uhr

Herr Hermann ist mir noch gut im Gedächtnis, mit seiner Aussage "die Rabattverträge verursachen in der Apotheke keinen zusätzlichen Aufwand"..... Alternative Fakten gab es schon damals. Offensichtliche Lügen werden geduldet, wenn es politisch conveniert.

Außerdem vermengt er unzulässig Honorar und Rabattvertrag. Die Behauptung, der Aufwand durch Rabattverträge sei in das Honorar eingeflossen, ist eine klassische Schutzbehauptung.

Die Umstellung auf eine andere Firma hat wegen des Fixaufschlags die Apotheker weniger wirtschaftlich betroffen, nur eben indirekt durch den enormen Aufwand. Letztlich haben die Rabattverträge den Ärzten die "Firmenhoheit" entzogen. Für die Verschreibung bestimmter Hersteller erhielten Ärzte früher von diesen gewisse "Anreize".... diese fließen nun den Kassen zu, was grundsätzlich in Ordnung ist. Nur sollte man die daran beteiligen, die den Erfolg überhaupt generieren. Ich habe heute noch Kunden, die wegen der Rabattverträge meckern.

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AW: "keinen zusätzlichen Aufwand"

von Heiko Barz am 04.04.2017 um 13:58 Uhr

Ich mache darauf aufmerksam , dass die von den KKassen beauftragten Psychologen den irreführenden Begtiff des Rabattvertrages bewußt eingebracht haben.
Es soll unbedingt den Patienten vermittelt werden, die Apotheker stecken nach gewohntem Muster hinter den geldfließenden Rabattschlachten.
Denn wenn die Patienten informiert würden, welche Milliarden € für die KKassen durch die Minimalstbezahlung der Zusatzleistung der Apotheker ins Budget der Kassen fließen,
würde doch schnell neue Unruhe entstehen, mit der berechtigten Forderung nach Aufhebung der Rezeptgebühr.
In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass das gebotene Ziel dieser leidvollen Rabattdebatte einmal als Aufhebung der kompletten Rezeptgebühr im Raume stand.
Bis heute hat sich die Zahl der schon befreiten Präparate um die Hälfte reduziert mit dem Ziel, die Befreiung ganz abzuschaffen.
So werden Fakten aufgestellt!!

es fehlt was

von Karl Friedrich Müller am 04.04.2017 um 7:24 Uhr

Unterschlagen wird hier, dass in der Anfangszeit die Ärzte für die Verordnung von Rabatt AM bezahlt wurden!
Die Apotheken dürfen den Austausch und die damit verbundene Beratung UMSONST machen.
Man zwingt sie einfach, per Retax!

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